Kapitel 2 - Die Sanduhr

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Hoch über den Wolken kann man die Welt weit unten beobachten. Sie liegt schlafend in ihrer schwarzen Decke und träumt vom Morgen und von der Sonne. Durch das Dunkel der Nacht stapfen leise weiße Marmorritter auf der Suche nach Nachtschleicher, während Luna dieses Treiben von ihrem Schloss aus betrachtet. Gespannt sitzt sie auf ihrem Balkon und schaut hinunter.
„Pampelu.", kichert sie und schaut in den Rosengarten, in dem es unter den zierlichen Pflänzchen raschelt. Das weiße Häschen reckt seine Nase schnuppernd aus den blauen Blumen heraus.
„Komm her mein Kleiner.", ruft ihn Luna zu sich. Der kleine Hase will schon los hoppeln, da fällt Luna ihm ein: „Nein, warte. Ich komme herunter."
Bedacht steht sie auf und geht in das Schloss hinein, wo sie die Treppen elegant herunterläuft. Unten angekommen streichelt sie das Häschen am Kopf. „Komm. Wir gehen mit suchen. Das ungeduldige Warten bringt mich noch um die Ecke." Pampelu schaut sie erschrocken an. „Nein, nein, so war das nicht gemeint. Ich kann dich, mein kleiner Nordstern, doch nicht allein lassen." Beruhigend fährt sie durch das seidenweiche Fell des Häschens, bevor sie mit ihm in ihre nachtblauen Kutsche mit den schneeweißen Zugpferden steigt, die sie sofort in der Kutsche über den Himmel zur Erde hinunter ziehen. Nichts ahnend sitzt sie nun mit Pampelu auf ihrem Schoß in dem Gefährt und das kleine Häschen schläft sachte, vom sanften Streicheln betört, ein.
Doch unten auf der Erde droht sich etwas an. In seinem Luftschiff läuft Nachtschleicher nachdenklich auf und ab. „Ich glaube es nicht, dass ich das machen werde. Bin ich denn von allen guten Geistern verlassen? Nein, es muss so sein. Ich habe es mir geschworen, also werde ich es machen. Ich muss es machen." Er schaut vom Geländer herunter auf die Welt. Gerade fliegt er über dem scheinbar unendlichen Meer der Meere, dem Ozean. So sachte wiegt das Wasser im Wind hin und her und schlägt kleine Wellen. Es ist so ruhig, wie es zuletzt vor dem Grafen und dem Lord war. Kein Sturm, keine mannshohen Wellen, nur das ruhige Meer.
„Die Welt hat sich verändert." Sagt er und schaut sich seine Spiegelung im Wasser an. Selten sieht er sich so wie in diesem Moment.
„Ich wollte das alles nicht. Ich dachte ich bringe alles wieder in Ordnung und dann ist es wieder gut. Ich wollte doch nur, dass die Gesetze und die Ordnung von Luna eingehalten werden." Er schaut so betrübt wie er es seit über einhundert Jahre nicht tat. Doch auf einmal schreckt er auf als er eine Sternschnuppe vom Himmel fallen sieht. Geschockt schaut er zum Himmel herauf wo gerade noch die Sternschnuppe lang flitzte.
„Luna.", haucht er in diesem Moment der Furcht aus. Sein gebannter Blick hält fürchtend am Himmel fest, aber es geschieht nichts. Befreit lässt er langsam seinen Kopf wieder über die Brüstung hängen und sieht hinab auf die ruhige See.
„Nachtschleicher!" ertönt es hinter ihm. „Nachtschleicher! Ich weiß, dass du hier bist! Komm heraus!" Da war sie wieder: seine Furcht. Er fürchtet sich vor nicht viel, aber dafür vor Luna umso mehr. Und da steht sie: Luna, direkt hinter ihm auf seinem Luftschiff. Die magische Kutsche fliegt neben Nachtschleichers Maschine her. „Du verlogener, heuchlerischer Verräter!", fährt sie ihn zusammen und er presst sich ganz dicht an die Reling. Es scheint fast als wollte er springen, wenn nicht Pampelu gewesen wäre. Das kleine Häschen schaut aus dem Fenster der Kutsche und pocht mit seinen Pfoten gegen etwas. Die Gesetzeshüterin dreht sich um und erblickt das Tier.
„Was hast du denn?", fragt sie sanft. So schnell kann sie sich scheinbar beruhigen, wenn sie in Gegenwart des Hasen ist. Für Nachtschleicher ist es zu schnell, sodass er befürchtet, dass etwas nicht stimmt. Pampelu greift sich mit den Vorderpfoten eine Sanduhr und kommt auf den Hinterbeinen angehoppelt. Leise rieselt der Sand hindurch bis nur noch wenige Körner übrig sind. Gebannt mit Angst in den sonst so sanften Augen schaut die Traumzauberin, wie das letzte Sandkorn hindurch fällt. „Nicht jetzt.", entrinnt es ihr leise, doch Nachtschleicher hat es gehört. „Was- Was nicht jetzt?" Luna schaut ihn erschrocken an. „Sol."

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