Kapitel 2

586 31 4
                                    

»Rose! Hörst du mir überhaupt zu?« Ich seufzte frustriert und ließ meinen Kopf hängen. Tom war immer noch nicht aufgetaucht. Dabei waren mittlerweile fünf Wochen vergangen und die eigentliche Frist, die es natürlich nicht gab, verstrichen. »Rose? Hallo!« Jemand packte mich an der Schulter, weshalb ich mich erschrocken umdrehte.
»Man, was ist los mit dir? Ich habe dich mehrmals angesprochen!«, wütend stand Olivia vor mir.
»Es tut mir leid. Ich war in Gedanken versunken.« Voller Reue entschuldigte ich mich bei ihr.
»Wegen diesem Typen?«, fragte sie mich skeptisch.
»Er heißt Tom, aber ja, wegen ihm. Er hätte schon vor einer Woche hier gewesen sein müssen, um das Buch zurückzugeben.« Meine Freundin zuckte mit der Schulter.

»Vielleicht hat er es vergessen«, sagte sie.
»Das wäre sehr schade«, seufzte ich demotiviert. Ich war an dem Tag so nervös gewesen, dass ich mich vielleicht ein wenig seltsam benommen habe. Möglich, dass er mich für bekloppt hält und deshalb nicht wieder auftaucht. Wenn ich es mir so recht überlege, habe ich auch einen Fehler begangen. Ich habe mir nur seinen Namen notiert, weder Adresse noch Telefonnummer hatte ich von ihm. Das ist ihm vielleicht nicht entgangen und er weiß, dass wenn er es nicht zurückbringt, dass wir ihn nicht ausfindig machen können. Ein Kunde kam an die Kasse und ich kassierte ihm ab. Ich hatte gehofft Tom wieder zusehen und mich mit ihm verabreden zu können. Vielleicht hätte ich ihn damals schon nach einem Date Fragen sollen. Der Ladenschluss rückte immer näher und ich gab die Hoffnung auf, dass Tom heute noch vorbeikommt.

»Ich gehe abschließen«, sagte Olivia, doch ich hielt sie auf.
»Schon gut, ich mach das«, stöhnte ich laut. Ich schnappte mir den Schlüssel vom Laden und lief zur Tür, als die Glocke des Ladens plötzlich ertönte und ich sah, wie jemand in den Laden stürmte. Ich traute meinen Augen kaum, aber es war Tom, welcher zügig hineingelaufen kam.
»Habt ihr noch auf?«, fragte er entkräftet. Tom blieb direkt vor mir stehen und war ein wenig außer Atem. Überrascht, ihn heute noch zusehen, antwortete ich ihm: »Ich wollte gerade abschließen.« Ich hob meine Hand, in der sich der Schlüssel befand und fuchtelte damit wild vor seinen Augen herum. Währenddessen sah ich, wie eine Schweißperle aus seinem Haaransatz über die Stirn rollte. Der Blauäugige muss sich wirklich beeilt haben, heute noch hierher zu kommen. Mein Frust der letzten Wochen war wie verflogen, als ich amüsiert feststellte, dass er alles dafür getan hat, heute noch vorbeizukommen.

Ich war wirklich froh, heute mein weinrotes, knielanges Kleid angezogen zu haben. Es stand mir unglaublich gut. Ich hatte mich seit fünf Wochen mit Bedacht angezogen, um immer gut auszusehen, falls er auftaucht. Was natürlich nicht einfach war, denn ich war nicht gerade reich und besaß keine zig Kleider, die ansehnlich waren. Ich war eine einfache Frau und mein Kleiderschrank bestand zum größten Teil aus schlichten Hosen sowie Oberteilen, aber mit dem Kleid heute habe ich alles richtig gemacht.
»Es tut mir leid, dass ich so spät dran bin. Die Arbeit hat mich in Beschlag genommen. Ich bin heute erst wieder in London angekommen«, stammelte der Dunkelblonde angestrengt. Immer noch völlig außer Atem, versuchte er sich zu entschuldigen und schnappte zwischen jedem Wort arg nach Luft.
»Okay, ich werde mal darüber hinwegsehen«, sprach ich kühl. Ich wollte ihm natürlich nicht zeigen, dass ich sehnlichst auf ihn gewartet habe. Tom nickte daraufhin energisch und sah mich entschuldigend an. Woraufhin ich sanft Lächeln musste und mein Gegenüber sich mir anschloss. Sein Schmunzeln war so hinreißend, dass es sogar die Eisberge in der Antarktis zum Schmelzen bringen würde. Ob ihm überhaupt bewusst war, was für eine Wirkung er auf Frauen, ins besonders auf mich, hat? »Dann lass uns zur Kasse gehen«, bat ich ihn.

»Ja, sehr gerne«, entgegnete er mir liebevoll. Wir beide liefen zusammen zur Kasse und ich tat so, als würde ich das ausgeliehene Buch wieder entgegennehmen. Mein Puls schlug vor Aufregung ziemlich hoch und ich wusste, dass ich ihn nicht einfach aus dem Laden gehen lassen kann. Das würde bedeuten, dass wir uns wahrscheinlich nie wiedersehen werden. Deshalb muss ich gleich meinen ganzen Mut zusammennehmen, um ihn auf ein Date einzuladen oder wenigstens nach seiner Nummer zu fragen.
»Muss ich eine Gebühr bezahlen, weil ich das Buch zu spät zurückgebracht habe?«, fragte der Ältere und riss mich aus meinen Gedanken. Tom zog bereits sein Portemonnaie aus seiner Gesäßtasche hervor und öffnete es.
»Nein, ich mache eine Ausnahme, weil du dir zum ersten Mal etwas ausgeliehen hast.« Mit einem kleinen Augenzwinkern lächelte ich ihm zu, woraufhin er sein Portemonnaie wieder in seine Hose steckte und mein Lächeln erwiderte.

between lies and truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt