Kapitel 27

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Nachdem Tom meine Wunde mit der Jodsalbe desinfiziert hatte, klebte er ein Pflaster auf meinen Finger. Was mich ehrlich gesagt ein wenig wunderte, da ich gar nicht wusste, dass wir welche besitzen. Der Blauäugige muss es anscheinend im Medizinschrank gefunden haben, denn es konnte unmöglich von ihm sein. Das Pflaster war rosa und es waren kleine weiße Katzen darauf zu erkennen. Eher untypisch für einen erwachsenen Mann wie Tom. Allerdings mochte Olivia Katzen, weshalb sie wahrscheinlich von meiner Freundin waren.
»Das sollte genügen!«, murmelte er, während ich ihn nicht aus den Augen ließ. Tom wirkte angestrengt und konzentriert, als er das bereits geklebte Pflaster noch einmal überprüfte. Seine Stirn lag in Falten und seine Atmung war ganz flach. Ich hätte niemals angenommen, dass dieser Mann mich mal so verletzen könnte.

Der Dunkelblonde wirkte wie der wahre Gentleman, der Frauen auf Händen trägt. Meine Menschenkenntnis muss mehr als miserabel sein, dass ich mich mal wieder so sehr hinter das Licht führen ließ. Wieso fühle ich mich auch immer zu den Männern hingezogen, die mich zum Weinen bringen? Es sollte doch eigentlich anders sein, oder? Der richtige Mann bringt dich nicht zum Weinen, Nein, er gibt dir das Gefühl unbesiegbar zu sein. Dabei entlockt er dir immer ein Lächeln und macht dich glücklich. Doch die letzte Emotion, die ich gerade empfinden konnte, war Glück.
»Danke«, flüsterte ich und zog meine Hand aus seiner. Meine Haut, die er mit seinen Fingern berührt hatte, brannte schmerzhaft. Sein Geruch war unerträglich und ich konnte seine Nähe nicht weiter ertragen. Das Einzige, was ich jetzt wollte, war allein sein, um zu weinen und meine Gedanken zu sortieren.

»Du solltest jetzt gehen«, stammelte ich und warf ihm einen verletzten, gar traurigen Blick zu.
»Rose«, hauchte er und hob seine Hand, ehe er nach meiner griff. Doch ich wollte nicht von ihm berührt werden, weshalb ich meine Hand wegzog und sie befangen auf meinen Oberarm legte. Dann wendete ich meinen Blick von ihm ab, hoffte, dass er auf meinen Wunsch eingeht und die Wohnung verlässt.
»Es tut mir leid«, flüsterte Tom. Aus dem Augenwinkel sah ich zu ihm und bemerkte, dass er seinen Kopf sowie seine Schultern hängen ließ. »Ich wollte dir niemals wehtun und dich enttäuschen. Dass du mich jetzt nicht mehr sehen willst, sogar meine Berührungen nicht mehr erträgst, kann ich verstehen. Du bist eine tolle Frau, Rose. Deshalb bin ich mir sicher, dass du einen Mann finden wirst, der dich nicht traurig macht. Danke, dass du mich in dein Leben gelassen hast und ich schöne, unvergessliche Momente mit dir erleben durfte.« Rasch sah ich wieder von ihm weg, starrte in die Fensterscheibe neben uns. Seine rührenden Worte sorgten für die nächsten Tränen bei mir. In der Scheibe sah ich, dass der angebliche Arzt sich von mir wegdrehte und das Wohnzimmer verließ. Mein Herz raste, während ich traurig schluckte. Das war nicht einfach, denn ich hatte das Gefühl, dass sich in meinem Hals ein riesiger Kloß befand. Plötzlich bekam ich Angst ihn nie wiederzusehen, weshalb ich hektisch anfing zu atmen. Als ich hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel, bereute ich meine Entscheidung. Ich wollte nicht, dass er jetzt geht, ohne dass wir noch einmal über alles in Ruhe reden konnten. Das ändert zwar nichts an der Tatsache, aber ich wollte verstehen, was ihn dazu veranlasst hat.

»Tom!«, rief ich und rannte los. Mir war ganz schwindelig, als ich zur Haustür eilte und sie hektisch aufriss. Der Schauspieler lief gerade die Stufen hinunter und verschwand beinahe aus meinem Blickfeld. 
»Warum?«, schrie ich verzweifelt. Er blieb abrupt stehen, sah mich an, während der Hund vom Nachbarn in der Wohnung anfing zu bellen. Nervös sah ich zwischen dem Dunkelblonden und der Haustür vom Nachbarn hin und her. Tom kam wieder einige Stufen hinaufgelaufen, sah mich dabei an, ließ mich keine Sekunde aus den Augen.
»Warum?«, wiederholte der Mann, der mir binnen von Sekunden mein Herz gebrochen hat, kam kurz darauf vor mir zum Stehen.
»Warum hast du mich angelogen und nicht mit offenen Karten gespielt?« Allein beim Aussprechen dieser Worte, füllten meine Augen sich wieder mit Tränen. Ich liebte ihn so sehr und fühlte mich von ihm hintergangen. Diese zwei gefühlsstarken Emotionen vermischten sich in mir, verwirrten mich maßlos. Auf der einen Seite wollte ich ihn von mir stoßen, aber der Abstand, der zwischen uns entstehen würde, war unerträglich. Ich hatte das Gefühl, nur Pech in der Liebe zu erfahren. Chris hat sich definitiv mehr geleistet, als Tom und ich wollte da auch keine Vergleiche ziehen, aber verletzt hatten sie mich beide. Der eine mit seiner Aggressivität und seinem Fremdgehen, Tom hingegen hat mich belogen und somit mein Vertrauen missbraucht.

between lies and truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt