Kapitel 54

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»Ist das der Letzte, Miss Morgan?« Wehmütig nickte ich dem Möbelpacker zu, der daraufhin den Karton aus meinem Zimmer trug. Traurig blickte ich mich in meinem Raum um. Die Regale waren leer, in meinem Kleiderschrank hing nichts mehr und auch sonst gab es kaum noch etwas in meinem Zimmer, das den Anschein macht, als würde hier jemand wohnen. Frustriert setzte ich mich auf die Kante von meinem Bett und erinnerte mich an all die Momente zurück, die ich in diesem Raum, über die Jahre, erlebt habe. Viel Gutes und auch viel Schlechtes hat sich hier ereignet. Ich habe gelacht und geweint, geschrien sowie getanzt. Es gab Momente der Versöhnung, gepaart mit unanständigen Dingen. Diese vier Wände haben so viel von mir gesehen, kennengelernt und ertragen müssen. Heute war der Tag gekommen, an dem wir in unser Haus ziehen und ich diesen Teil meines Lebens zurücklassen musste. Aus diesem Grund vermischten sich einige Gefühle in mir drinnen. Dabei überwiegt die Trauer sowie die Freude. Es war eine eigenartige Emotion, die mir die Tränen in die Augen trieb und mich zeitgleich lächeln ließ. Ich atmete tief ein und stieß laut die verbrauchte Luft aus, während ich aufstand und zu meinem Fenster lief. Von hier aus konnte ich auf den Umzugswagen schauen, der das bisschen Hab und Gut von mir gerade verlud. Das Unternehmen müsste jeden Moment nach Brighton fahren, um dort wieder alles auszuladen. Wie gut die Möbelpacker wohl bei Tom vorangekommen sind? Er hatte ebenso einen eigenen Wagen vor seinem Haus stehen, der alles in unser neues Haus brachte. Allerdings handelte es sich bei mir nur um einige Kartons. Bei Tom hingegen, nahmen wir auch den Großteil der Möbel mit. Somit hatten die fleißigen Helfer dort am meisten zu tun. Jetzt musste ich nur noch warten, bis mein Freund mich abholt und wir zusammen in unser neues Leben starten.

»Hey!«, hörte ich die traurige Stimme meiner besten Freundin sagen. Melancholisch drehte ich mich zu der Tür um und quälte mich zu einem Lächeln, als Olivia mit Kai im Türrahmen stand.
»Hey!«, murmelte ich. Obwohl auch ein neues Leben für meine Freundin begann, wirkte sie genau wie ich, nicht sonderlich glücklich darüber. Dabei konnte sie jetzt ebenfalls jeden Tag mit ihrem Freund genießen. In meiner Hosentasche kramte ich nach meinem Schlüsselbund, während ich langsam auf die beiden zuging. Auch wenn es mir unglaublich schwer fiel, musste ich diesen Schritt gehen und meinen Schlüssel an Kai überreichen. Deshalb führte ich die zwei Schlüssel durch den Ring und hielt sie meiner besten Freundin mit zittriger Hand hin.
»Nein«, jammerte Olivia, woraufhin ich zu ihr hochsah. »Behalte die Schlüssel. Du bist hier jederzeit willkommen und kannst, wann immer du willst, hier schlafen. Dein Zimmer rühre ich nicht an und wer weiß wie lange es dauert, bis Tom wieder Blödsinn anstellt.« Während ich ihr ein trauriges Lächeln entgegenbrachte, stieß Kai ihr mit seinem Ellenbogen in die Seite. »Was?«, fragte sie vorwurfsvoll.

»Tom tut mir wirklich leid, Olivia. Du lässt kein gutes Haar an ihm aus, obwohl er sich eingestanden hat, dass er einen Fehler gemacht hat und alles versucht, um Rose glücklich zu machen. Irgendwann musst du damit mal aufhören und ihm eine zweite Chance geben.« Meine beste Freundin verzog den Mund und verschränkte ihre Arme, ehe sie heftig ihren Kopf schüttelte.
»Nein«, knurrte sie, weshalb ich auf sie zustürzte und sie ungestüm in meine Arme schloss.
»Ich werde dich so sehr vermissen. Dich und deinen sturen Kopf«, schluchzte ich, woraufhin ihr Körper anfing zu beben und auch sie nicht mehr an sich halten konnte. Sie brach in meinen Armen in Tränen aus und schmiegte sich an mich. Wir beide kannten uns schon seit unserer Kindheit. Olivia und ich haben so viel erlebt, dass es keine andere Person auf dieser Welt gab, die das aufholen konnte. Wir kannten den anderen in- und auswendig und haben dem jeweils anderen, in schwierigen Zeiten, Halt gegeben.
»Was soll ich nur ohne dich machen?«, klagte sie und dieser Abschied zerbrach mein Herz in tausend Teile. Ich konnte ihre Frage nicht beantworten, da ich mir diese selbst stellte. Egal, wann ich nach Hause gekommen bin, sie war immer da, hat mich mit ihren Worten zum Lachen und zur Verzweiflung gebracht. Sie hatte immer eine Idee gehabt, wie wir unseren trostlosen Abend verbringen konnten. Es war unvorstellbar, dass sie nicht mehr jeden Tag um mich herum wuselt.

between lies and truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt