Kapitel 61

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»Danke, Miss Roberts. Ja genau, wir sehen uns dann morgen.« Nachdem ich meine Therapeutin am Telefon verabschiedete, legte ich mein Handy weg und drückte angespannt meinen Rücken gegen die Lehne von meinem Schreibtischstuhl. Während ich mir meine Schläfen massierte, dachte ich an die letzten zwei Monate, in denen ich fast täglich bei ihr gewesen war. Das Chris mich entführen wollte, mir und Tom gegenüber Gewalt angewendet, er psychisch krank ist, weshalb eine andere Frau, außer mir, leiden musste, war ein ziemlicher Schock. Den zu verarbeiten hat mich bereits und wird mich noch viel Zeit kosten. Doch alle Menschen um mich herum waren eine hilfreiche Stütze, von daher schaute ich positiv in die Zukunft. Olivia rief mich täglich an und hat sich ein Mal in der Woche die Mühe gemacht mich zu besuchen, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Tom war stets an meiner Seite und hatte sich eine Auszeit von der Arbeit genommen, damit ich nicht so oft alleine bin. Sein Verständnis, seine Fürsorge und Besorgtheit, taten mir sehr gut und auch wenn dieser Gedanke albern ist, hat uns diese Situation noch enger zusammengeschweißt. Außerdem hat er eine hochmoderne Alarmanlage einbauen lassen, die mir ein wenig Sicherheit gab. Zwar gab es noch Augenblicke wo mich jedes Geräusch in Angst versetze, aber diese wurde immer weniger. Isabell hat mich beurlaubt, weshalb ich mir um meine Arbeit keine Gedanken machen brauchte und mich erst einmal um meine Seele kümmern konnte. Miss Roberts machte zwar nur ihre Arbeit, aber darin war sie sehr gut und ich fühlte mich in ihrer Nähe sehr wohl. Es ging langsam Berg auf und ich konnte immer öfter meinen Alltag ohne Angst bewältigen. Chris war wieder in der Anstalt und wird es hoffentlich nie wieder schaffen dort zu entkommen, um mir oder anderen Personen zu schaden. Tom und ich hatten mehrfach Anzeige gegen ihn erstattet und obwohl ich fest davon ausging, dass es sowieso nicht viel ändern wird, war es ein gutes Gefühl etwas unternommen zu haben.

»Bist du dir sicher, dass du die Hochzeit nicht verschieben möchtest?« Ich senkte meine Hand und blickte zu Tür, in dessen Rahmen mein Verlobter stand. Energisch schüttelte ich den Kopf. Das war immer meine Antwort auf diese Frage gewesen, die Tom mir in den letzten zwei Monaten mehrfach gestellt hat. Er wollte die Hochzeit verschieben, bis ich mich von dem ganzen Stress erholte habe, mich voll und ganz dem besonderen Tag widmen kann. Doch ich lehnte seinen Vorschlag immer wieder ab. Ob wir demnächst heiraten oder erst in einem halben Jahr spielte für mich keine große Rolle, denn geschehenes kann man nicht ungeschehen machen. Das, was mit mir passiert ist, wird niemals aus meinen Erinnerungen verschwinden. Es wird immer wieder Tage oder Momente geben, die mich Triggern und mich zurückwerfen. Dabei wollte ich mir nichts vormachen. Was ich allerdings so schnell wie möglich machen wollte, war diesen tollen Mann zu heiraten. Der stets zu mir steht und immer mein bestes möchte. Ich wollte seine Frau werden und konnte es ehrlich gesagt kaum noch abwarten, bis es endlich soweit ist. Deshalb plante Olivia weiterhin meinen Junggesellenabschied, der bereits in einer Woche stattfinden sollte. Ich bin mal gespannt, was sie sich für diesen Abend einfallen lässt. Die Einladungen waren schon lange verschickt und auch die anderen Planungen waren bereits im vollen Gange. Ich will und kann mir nicht die Mühe machen alles abblasen.
»Sweetheart, wir werden die Hochzeit nicht verschieben«, murmelte ich und fuhr nachdenklich mit meinem Finger über die Platte meines Schreibtisches. »Du musst es auch mal von einer anderen Seite betrachten. Die Vorbereitungen und die Vorfreude lenken mich ab. Wenn du dich dazu bereit fühlst, dann sehe ich keinen Grund es zu verschieben.« Als Tom neben mir in die Hocke ging und liebevoll seine Hand auf meinen Schenkel legte, wandte ich meinem Blick zu ihm. Seine sanftmütigen, blauen Augen strahlten mich an, während seine Lippen sich zu einem dezenten Lächeln geformt hatten.
»Ich bin schon lange dazu bereit dein Mann zu werden. Aber...« Nervös sah ich ihn an, denn seit dem Vorfall mit Chris hatte ich immer wieder panische Angst bekommen, dass Tom mich verlässt. Genau wie es damals bei Steve der Fall gewesen ist. Mein Verlobter nahm mir das zum Glück nicht übel, sondern erzählte mir dann immer wieder aufs Neue, wie sehr er mich liebt und er keine Sekunde mehr ohne mich sein möchte. »...aber ich möchte dass du an diesem Tag glücklich und unbeschwert bist. Ich habe Angst, dass du mit deinen Gedanken wo anders als bei mir sein könntest.« Liebevoll und dankend zugleich, lächelte ich ihn. Während ich meine Hand auf seine Wange legte, strich ich sanft mit meinen Daumen darüber.

between lies and truthWo Geschichten leben. Entdecke jetzt