Ein kalter Schauer lief mir durch den Rücken welches die Erschütterung physisch fühlbar machte.
Das konnte nicht wahr sein.
Meine Mutter konnte kein Selbstmord begangen haben.
"Nein..." Ich wollte die Realität einfach nicht akzeptieren. "Sie würde niemals... Sie würde uns nicht im Stich lassen."
Die Haut über meinen Knien platzte als ich hart über sie auf den Beton zusammensackte. Mein Kopf lag empor im Nacken, starrte auf die Leiche meiner Mutter welche am Seil hinunter hang. Die Situation nistete sich erst neu in meinen Sinn, welches warme Tränen über meine Wangen entlang zerrte. "Wie konntest du nur..."
Ich schüttelte verneined den Kopf. Das konnte einfach nicht wahr sein. "Mom!", schrie ich verzweifelt und lief zur Haustür, versuchte den Schlüssel ins Schloss zu stecken, doch scheiterte. Meine Hände zitterten unkontrollierbar. Ich ballte sie zu Fäusten und schlug sie mit all meiner Kraft gegen die Haustür. "Öffnet die Tür! Annie, Lennart! Wacht auf!"
Ich versuchte erneut die Tür mit dem Schlüssel zu öffnen, doch dieses Mal schaffte ich es wegen den dicken Tränen nicht, die mir ununterbrochen die Wangen hinunter kullerten und somit meine Sicht in die Unschärfe warfen. Ich hörte Schritte von drinnen, wonach sich die Tür öffnete.
"Elias, was ist passiert?", fragte meine Mutter völlig besorgt und betrachtete mich von Kopf zu Fuß. "Deine Knie bluten... Antworte mir doch, was ist passiert?" Die Sorge bebte in ihrer Stimme.
"Wenn du das nicht bist... Wer hängt denn dort?"
"Hängen? Wovon redest du da Elias?" Die Augen meiner Mutter hatten sich schlagartig erweitert. Annie starrte mich ebenfalls völlig erschauert an. "Bruder, kannst du uns bitte erzählen was passiert ist?"
Die Nachbarn hatten sich um uns herum versammelt und warteten auf meine Erklärung. "E-eine Leiche... War dort, ich... Sie hat... Eine Frau hat..." Die Luft drang mir nicht mehr durch die Lungen.
Meine Mutter legte ihre Hände um meine Schultern und hielt mich stabil fest sodass ich nicht das Gleichgewicht verlor. "Macht euch keine Sorgen Leute, ihm geht es gut.", ließ sie die Nachbarn wissen, die wegen meinem Schreien aufgewacht sein mussten. Nachdem sie sich in ihre Häuser zurückgezogen hatten fragte meine Mutter mich erneut. "Ganz ruhig mein Lieber. Was genau hast du gesehen?"
Ich deutete empor, jedoch war dort nichts mehr zusehen. Meine Brauen formten eine dicke Falte auf meiner Stirn. "Sie ist nicht mehr dort... Mom ich schwöre ich habe es dort gesehen. Da war eine Leiche. Ich habe das Seil an ihrem Hals gesehen. Sie hat dort am Fenster gehangen."
Meine Mutter und Annie sahen ebenfalls hoch. "Guck, Liebling... Das ist wahrscheinlich nur eine Einbildung gewesen. Vielleicht hast du ja einen Ast oder so--"
"Nein, Mom! Es ist eine Leiche gewesen!", schrie ich empört und starrte erneut empor. Die blasse Haut der Frau und die langen Haare dessen Strähnen durch die Laternen fast weiß wirkten war noch immer deutlich in meinem Sinn. "Sie ist dort gewesen. Ich schwöre es."
Meine Mutter begleitete mich ins Haus und Annie schloss die Tür hinter uns. Sie brachte mir sofort ein Glas Wasser und legte meine Jacke beiseite. "Setz dich erstmal.", forderte sie mich auf.
Obwohl ich nicht mehr in der Kälte war und auf der Couch saß, zitterten meine Beine noch immer. Als ich das Glas gegen meine Lippen legte, schüttete ich beim Schlucken das Wasser hinunter, wonach mir Annie sofort das Glas aus der Hand nahm. "Vielleicht bist du ja Schlafgewandelt.", meinte sie wobei ihre beunruhigten Blicke auf mir ruhten.
"Nein, ich... bin mir sicher. Ich habe es klar und deutlich gesehen."
"Beruhig dich erstmal." Meine Mutter rieb ihre Hand liebevoll über meinen Rücken. "Wir können Morgen darüber sprechen."
Ich umarmte meine Mutter fest und vergrub mein Gesicht in ihrem Pulli. "Darf ich bei dir schlafen?"
"Natürlich mein Lieber." Sie drückte meinen Kopf gegen sich und gab mir einen Kuss auf die Haare. "Ich bin immer für euch da, egal wie alt ihr seid."
Annie trat der Umarmung bei in dem sie ihre Arme um mich legte und den Kopf auf meiner Schulter ruhen ließ. "Du brauchst keine Angst zu haben. Das war bestimmt nur eine Einbildung und nichts weiter."
* * *
Mir ging die Silhouette und gar das Gesicht der Leiche einfach nicht aus dem Kopf. Wie konnte man sie in so einer schnellen Zeit fort gebracht haben? Nur noch eine Stunde war übrig bis mein Alarm für die Schule klingeln würde und ich konnte noch immer nicht einschlafen, obwohl auf einer Seite meine Mutter und auf der anderen Seite Annie neben mir schliefen. Meine Augen schmerzten wie verrückt und ich war totmüde, jedoch war mein Sinn so wach wie nie zuvor.
Ich hielt meine Mutter und Annie an den Händen und zwang mich ein letztes Mal einzuschlafen. Je mehr ich versuchte mich zu entspannen, rasten die Gedanken wie verrückt durch meinem Kopf und machten es unmöglich einzuschlafen. War ich nun verrückt geworden? Sah ich Dinge die nicht existierten?
Wenn es diese Leiche nie gegeben hat, war es wirklich Thalia gewesen mit der ich gesprochen hatte?
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Der perfekte Liebesbrief
Ficção Adolescente"Du wirst es niemals schaffen mich zu hassen.", wisperte sie gegen mein Ohr während ihre dünnen Finger über meine Brust glitten. "Du hast recht.", stimmte ich zu. "Ich werde niemals erneut solche starken Emotionen für dich fühlen." Das triumphierend...