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Ich hatte vieles erwartet, aber dass sie die Beziehung mit Liam beenden wollte wäre mir niemals durch den Kopf gegangen. "Warum denn das? Was hat er getan?" Eine Mischung aus Angst und Sorge breitete sich in mir aus. Sie hatte vielleicht erfahren dass er sie betrogen hatte oder Liam hatte irgendwas getan dass sie in diese Lage brachte.

Annie wischte sich die Tränen weg. "Er hat nichts getan. Das Problem bin ich. Ich kann nichts tun." Beschämt guckte sie hinweg.

"Was soll das denn heißen?"

"Verstehe es doch Elias. Ich kann ihn nicht glücklich machen."

Ich zog meine Brauen derart zusammen dass sich eine Falte auf meiner Stirn bildete. "In wie fern nicht glücklich machen? Das ist nicht dein Job. Er sollte glücklich genug sein dich als Freundin zu haben, was er auch ist."

Annie vergrub ihr Gesicht mit den Händen und zog sich die Knie gegen die Brust. "Das ist es nicht. Ich spüre es doch. Ich kann ihn körperlich nicht glücklich machen. Ich bin einfach noch nicht bereit für so eine Beziehung."

"Hat er dich für etwas gezwungen? Annie sag es jetzt sofort und ich streiche diesen Typen sofort aus unserem Leben."

"Nein, nein!" Annie hielt mich behutsam am Arm. "Das würde er niemals tun, aber sogar die Art wie er mich küsst... macht mich einfach nur angespannt. Auch nur der leichteste Körperkontakt fühlt sich so falsch an..."

Ich lehnte meine Hand gegen ihre Wange und strich mit meinem Daumen ihre Tränen weg. "Du musst niemanden glücklich machen, Annie. Du bist entweder mit jemanden glücklich oder nicht. Du bist kein Objekt. Er darf dich nicht mal an der Schulter berühren wenn es dir unangenehm ist. Liebe ist viel mehr als nur Körperkontakt."

"Ich weiß, aber trotzdem fühle ich mich nicht ausreichend für ihn. Es ist so als ob ich ihn immer vermeiden würde obwohl ich so nah bei ihm bin."

"Bevor du eine Entscheidung für eine Trennung triffst, solltest du mit Liam darüber reden und herausfinden ob er auch wirklich so darüber denkt."

"Ich traue mich aber nicht."

Ich strich ihr sanft über die Schulter. "Du hast Zeit Schwesterherz. Rede mit ihm wenn du den Mut dafür gesammelt hast."

Annie umarmte mich erneut, doch dieses Mal zitterte sie am ganzen Leib. "Ich hab mich gestern Nacht so unwohl gefühlt. Ich werde niemals ohne deine Erlaubnis irgendwo hingehen.", schluchzte sie.

"Du brauchst meine Erlaubnis nicht. Es reicht wenn du mir beim nächsten Mal einfach nur Bescheid gibst."

"Das werde ich." Sie löste sich von mir. Ihre rötlichen Augen waren völlig glasig und das Gesicht durchnässt mit Tränen. "Ich liebe Liam wirklich sehr, aber ich bin mir nicht mehr sicher ob er auch so wie ich empfindet."

Ein Schmerz stach sich in meine Brust. Ich hasste Liam dafür dass er meine kleine Schwester so elend fühlen ließ. "Natürlich liebt er dich, Annie.", log ich schuldbewusst. Er liebte sie nicht, hatte er auch nie getan. Ich kannte meinen Freund einfach zu gut.

* * *

Je länger ich auf die Decke meines Zimmers starrte, desto schlimmer wurden meine Gedanken. Mein Gehirn spielte die Erinnerungen von heute erneut und erneut ab; stoppte kein einziges Mal, nahm es immer wieder von Anfang an. Ich konnte den Blut beschmierten Boden nicht aus meinem Sinn schaffen, wie Liam reglos vor mir gelegen hatte. Ich wäre fast der Mörder von meinem besten Freund gewesen. Auf der anderen Seite gingen mir die blauen Flecken auf Elizabeth's Beinen einfach nicht aus dem Kopf. Wer weiß was für eine Gewalt ihre Mutter sonst an ihr ausübte. Ich konnte meine eigene Schwester nicht davor schützen ihr Herz gebrochen zu bekommen. Wofür war ich eigentlich zu gebrauchen?

Ich bin ein schrecklicher Mensch...

Plötzlich erschien Thalia's Gesicht in meinem inneren Auge. Ihre smaragdgrünen Iris leuchteten so wie immer unter ihren langen Wimpern; die rosenfarbende Lippen immer zu einem Lächeln geformt. Thalia sah zu unschuldig für diese Welt aus, so als ob sie nicht einmal schlecht über jemanden denken würde. Ihre kohlenschwarzen Haare wirkten immer so weich, ich hätte alles dafür gegeben um meine Hände kurz über ihren Kopf schleifen zu lassen.

Ich schnappte mir ein Stück Papier und einen Stift in die Hand. Ich hatte es satt mit meinen Schuldgefühlen zu kämpfen. Thalia war mein einziger Gedanke der mir die Brust nicht verengte.

Wenn Liebe nichts weiter als eine Berührung ist, warum sehnt sich mein Herz nach deiner Seele? Warum möchte ich dass dein Lächeln mein Herz berührt wenn ich dich in meine Arme schließen könnte? Ich liebe so viele Menschen, aber warum ist deine Liebe das Einzige was mein Blut rasen lässt? Ich verknüllte das Papier und schmiss es in den Mülleimer. "Das klingt so kitschig.", sagte ich mir selber und griff nach meinem Handy.

Ich hatte Liam's Nummer gewählt und wartete dass er ranging. Ich konnte nur hoffen das man ihn entlassen hatte. "Elias?", hörte ich Liam in den Hörer sprechen. Seine Stimme klang so als ob ich ihn von seinem Schlaf geweckt hätte.

"Bist du noch im Krankenhaus?"

"Nein.", ließ er mich wissen. "Ich bin Zuhause, keine Sorge, aber warum rufst du um drei Uhr Nachts an?"

Ich ignorierte seine Frage. "Kann ich dich mal kurz besuchen kommen?"

"Mir geht es wirklich gut Elias. Du musst dir keine Gedanken um mich machen."

"Das ist schön zu hören.", meine Stimme brach. "Aber mir geht es überhaupt nicht gut."

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