Kapitel 21 - Phillis

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Ich wollte einfach nur schnell eine warme Dusche nehmen und den Schmerz und den Dreck der letzten Tage von mir abwaschen. Als ich meine Klamotten ausgezogen hatte und mich im Spiegel ansah, stockte mir der Atmen. Diesen Blick hätte ich nicht tätigen dürfen. Mein Körper war geschunden. Geschunden von Richard und seinen Ausrastern. Niemals wollte ich eine Frau sein, die sich von ihrem Partner so behandeln ließ. Ich dachte immer ich würde solche Kerle sofort stehen lassen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass man zu so einer toxischen Person eine solche Abhängigkeit aufbauen konnte. Und nun stand ich hier. Mit einem Oberkörper, der mehr aus blauen Flecken, als aus heller Haut bestand und dem Gedanken, dass ich spätestens in drei Tagen zurück zu Richard gehen würde. Ich konnte nicht ohne ihn Leben. Ja, Wincent tat mir gut, in seiner Anwesenheit war ich endlich wieder ich, aber er würde mir nie das geben können, was Richard mir gab. Ich konnte dieses Etwas nicht beschreiben, was ich bei Wincent nicht fand, aber ich wusste ich brauchte Richard. Allerdings konnte ich mir ein Leben ohne Wincent auch langsam nicht mehr vorstellen. Er war mein Zufluchtsort, die Person, die mich nahm wie ich war und bei der es keine Regeln gab. Ich war in einer richtigen Zwickmühle angekommen und ich war einfach nur abhängig. Abhängig von zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Schockiert von dieser Erkenntnis sah ich in den Spiegel. Dort stand sie vor mir, die Phillis die ich war und nicht die, die ich in meinen Gedanken immer sein wollte. Ich war nicht stark, ich war nicht selbstständig und ich war vor allem nicht die, von der ich als kleines Mädchen immer träumte. Ganz im Gegensatz, ich war schrecklich und ich stellte Wincents Leben so dermaßen auf den Kopf, ohne dass er mich darum gebeten hatte. Und trotzdem schien ich ihm verdammt wichtig zu sein. Und er mir auch. „Schluss jetzt mit diesen Gedanken", sagte meine innere Stimme oder vielleicht sagte ich es auch laut zu mir selbst. Ich musterte ein letztes Mal mein Spiegelbild und wendete mich dann ab, um unter die Dusche zu steigen.

Zehn Minuten später und mit einem deutlich frischeren Gefühl stand ich wieder vorm Spiegel. Dieses Mal beachtete ich meine Verletzungen aber nicht weiter, sondern machte mich nur fertig. Ich zog mir meine frische Unterwäsche und eine Jogginghose an und schaute dann in meine Tasche. Ich hatte nur kurz geschnittene Oberteile. Ich zog also eins der sehr kurzen Tops an, kämmte meine nassen Haare nochmal und ging zu Wincent. Er lag auf dem Sofa und lächelte, doch als er mich musterte änderte sich sein Blick schlagartig. „Alles gut?", fragte ich unsicher. „Versteh mich bitte nicht falsch, aber kannst du dir was Anderes anziehen? Ich... ich möchte deine Verletzungen nicht die ganze Zeit sehen müssen", meinte er unsicher. „Würde ich, wenn ich was Anderes hätte", schmunzelte ich dann, immerhin wollte ich ja auch nicht ständig mit den Vorfällen konfrontiert werden. „Ich kann dir gerne was von mir geben, wenn du das dieses Mal annimmst", sagte Wincent und setzte sich hin. „Gerne", lächelte ich. Wincent stand auf und ging ins Schlafzimmer. „Was willst du denn haben?", rief er. Ich folgte Wincent und sah in seinen tendenziell sehr schwarzen Kleiderschrank. „Ist mir eigentlich egal", lächelte ich und Wincent zog einen Hoodie aus dem Schrank. „Hier, der ist nicht ganz so groß", sagte er und reichte mir einen Pullover. Ich zog diesen über und sog direkt Wincents wundervollen Duft ein. Ich hörte Wincent leise lachen und drehte mich zu ihm. „Du siehst süß aus", flüsterte er. Ich lächelte nur leicht und ging zu ihm. Wincent legte seine Arme um mich und sah mich an. „Was machen wir jetzt?", fragte ich. „Uns aufs Sofa kuscheln", sagte Wincent und ich nickte sofort. Das war eine sehr gute Idee. Wir gingen wieder ins Wohnzimmer und legten uns aufs Sofa. Unsicher sah ich zu Wincent, welcher seine Arme nur ausbreitete. „Komm her", grinste er. Ich kuschelte mich also an ihn und wir schauten irgendeine Serie auf Netflix. Was da lief war mir eigentlich total egal, ich genoss es einfach total in Wincents Nähe zu sein. Er strich mir immer wieder sanft über den Rücken und schenkte mir so viel Nähe, wie ich sie von Richard vermutlich noch nie bekommen hatte.

„Ich muss noch mit dir reden", meinte Wincent dann leise und ich setzte mich sofort auf und distanzierte mich von ihm. „Was hab ich falsch gemacht", sagte ich panisch. Mir schossen verschiedenste Szenen durch den Kopf, in denen Richard mich um ein Gespräch gebeten hatte und die wenigstens davon hatte ich gut in Erinnerung. „Phillis, was ist los?", fragte Wincent sanft und griff nach meiner Hand. Erschrocken rutschte ich noch ein Stück von ihm weg und sah ihn einfach an. „Phillis, ich möchte dir doch einfach nur was zu morgen erzählen, es ist doch gar nichts Schlimmes", sagte Wincent ruhig und so langsam merkte ich, dass ich Wincent gerade verglich und einfach durch seine Worte wieder in eines meiner Muster gefallen war, die ich bei Richard hatte. „Sorry, ich...", begann ich, fand aber keine richtige Ausrede. „Alles gut, ich wollte dir nur sagen, dass ich morgen ein wichtiges Interview habe", erklärte Wincent und ich entspannte mich langsam wieder. „Okay", nickte ich nur. „Ich will nicht, dass du so lange hier alleine bist, ich würde dich gerne mitnehmen", meinte er dann und beobachtete meine Reaktion genau. „Was soll ich denn da?", fragte ich nur. „Einfach dabei sein. Du musst nichts machen und ich sorg dafür, dass Keiner mit dir redet oder so. Es geht mir wirklich nur darum, dass du nicht alleine bist und ich dich bei mir habe", sagte Wincent und ich nickte skeptisch. „Darf ich mir das noch überlegen?", fragte ich unsicher. „Darfst du, wenn du jetzt wieder zu mir kommst", lächelte Wincent. Ich nickte und kuschelte mich wieder an ihn. Während Wincent auf den Fernseher konzentriert war, beobachtete ich ihn einfach nur. Er war einfach ein wunderschöner Mann. 

Dein Zauber der Dich umgibt // Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt