Kapitel 17 - Wincent

492 29 1
                                    

Berlin hatte ich dann doch länger hinter mir gelassen, als geplant. Aber ich hatte keine Termine dort. Phillis ging es gut und sie hatte eh keine Zeit. Somit verbrachte ich nach zwei Wochen Terminen erst noch eine Woche im Studio, bevor ich endlich mal wieder nach Hause fuhr. Ich verbrachte viel Zeit mit meiner Mum und meiner Schwester und genoss die Zeit mit ihr einfach. Heute Abend war ich bei Marco, wir tranken ein, zwei, drei Bier und zockten einfach stumpf vor uns hin. Mein Handy meldete sich ab und an zu Wort, aber auf Arbeit hatte ich jetzt absolut keinen Bock. Irgendwann ging Marco aufs Klo und ich sah dann doch mal, wer so eine Ausdauer hatte, mich erreichen zu wollen. Und dabei stockte mir der Atem. Ich hatte 20 Anrufe von Phillis innerhalb der letzten drei Stunden. Da musste definitiv was passiert sein. Allerdings hatte sie vor 45 Minuten aufgegeben. Mit rasendem Puls drückte ich auf Rückruf und hoffte, dass sie rangehen würde. „Wincent?", erklang dann aber ziemlich schnell ihre schwache Stimme am anderen Ende. „Phillis, oh Gott, was ist passiert", schoss es sofort aus mir heraus. „Wo bist du?", fragte Phillis aber nur. „Bei Marco", sagte ich. „Wo ist Marco", murmelte Phillis. „In Hamburg", meinte ich irritiert. „Kannst du zum Bahnhof kommen?", fragte Phillis. „Zu welchem Bahnhof", erwiderte ich. Was wollte sie von mir. „Hamburg", flüsterte Phillis. „Phillis, was machst du in Hamburg", sagte ich laut und bemerkte erst jetzt den irritierten Blick meines besten Freundes. „Wincent, bitte", flehte sie nur. „Ja okay, wir sind in einer halben Stunde da", erwiderte ich. „Okay", kam es noch von Phillis, doch da hatte sie schon fast aufgelegt. „Wohin müssen wir?", fragte Marco. „Bahnhof", sagte ich hastig und zog meine Schuhe an. „Dann sind wir mit der U-Bahn am schnellsten", stellte Marco fest und zog sich seine Jacke über. Schweigend liefen wir zur Bahn, die gerade kam und wir sofort einstiegen.

„Und was erwartet uns da?", hakte Marco nach. „Erinnerst du dich an die Frau vom Konzert, die so komisch war, von der ich mal erzählt hatte?", fragte ich und mein Kumpel nickte. „Wir haben uns ein paar mal getroffen und sind uns echt nah gekommen. Ich weiß nicht, was sie hat", erklärte ich. Marco fragte gar nicht nach und das liebte ich so sehr an meinem besten Freund. Er würde mich aus jeder Scheiße ziehen, ohne zu fragen was passiert war. Am Bahnhof angekommen sprintete ich sofort los, bis Marco mich irgendwann festhielt. „Du weißt doch gar nicht, wo du hin musst", sagte er ruhig. „Fuck", murmelte ich und zog mein Handy aus der Jacke, um Phillis anzurufen. Sie nahm erst ewig nicht an und dann hörte ich mehr ein Rauschen als alles andere. „Mein Akku ist leer, aber ich bin gleich da mit dem Zug", sagte sie dann. „Welcher Zug?", fragte ich sofort. „Regio....", hörte ich noch und dann brach die Verbindung ab. „Okay Marco, Regio aus Berlin" , meinte ich und studierte mit meinem Kumpel die Anzeigetafel. „Gleis 7", kam es dann von meinem Kumpel und ich sah gerade auch den Zug einfahren. Ich ging los, aber irgendwie rannte ich nicht mehr. Ich hatte Angst vor dem, was mich gleich erwarten würde, denn Eins war klar: Phillis würde nicht unverletzt und fröhlich auf uns zukommen. Der Zug hielt und Menschen stiegen aus dem Zug. Es war schon ziemlich spät, weshalb es nicht mehr super voll war und so machte ich Phillis relativ schnell aus. Unsicher sah sie sich um. Sie sah schwach aus in ihren dunklen Klamotten, das Gesicht in einem Schal vergraben und die Kapuze vom Hoodie ebenfalls tief ins Gesicht gezogen. Langsam ging ich auf sie zu, bis sie mich entdeckte. „Wincent", sagte sie leise und kam auf mich zu. „Hey, was machst du?", fragte ich und zog sie in meine Arme. Sofort spannte Phillis sich an und ließ meinen Griff sofort wieder lockerer werden. „Können wir gehen?", fragte sie unsicher und ich löste mich. „Komm", sagte ich sanft und schob sie vor mir her zu Marco.

„Vorstellung machen wir später", sagte ich nur und wir gingen zur U-Bahn. Wir mussten noch ein paar Minuten warten und Phillis setzte sich auf eine Bank. Ich kniete mich vor sie und legte meine Hände auf ihren Knien ab. Zögerlich sah die junge Frau mir in die Augen, aber alles was ich sah, war Angst und Leere. Von ihrem Zauber, ihrem Charisma, war nichts mehr zu sehen. Ihre Lippe war aufgeplatzt, das Blut war angetrocknet, ihr Gesicht blass, die Augen trüb. Dieser Anblick schmerzte so sehr. „Hat er dir noch mehr getan?", fragte ich ruhig. Phillis zögerte, bis sie langsam nickte. „Hast du Schmerzen?", hakte ich nach und Phillis sah mich an. „Ja", sagte sie mit zitternder Stimme. „Phillis, ich weiß, du willst das nicht hören, aber wir sollten ins Krankenhaus. Was ist, wenn du innere Verletzungen hast?", redete ich auf sie ein. „Nein, ich will nicht ins Krankenhaus", schoss es sofort aus ihr heraus und Marco sah besorgt zu uns. „Phillis bitte", seufzte ich. „Nein, dann geh ich wieder", sagte sie energisch und stand auf. „Hey, ganz ruhig", flüstere ich und zog sie zu mir, als die Bahn auch schon einfuhr und wir einstiegen. Phillis kauerte sich richtig in die Ecke, während Marco und ich ihr gegenüber saßen. „Ich könnte Nadine anrufen, die ist ja bei ner Freundin", meinte Marco dann zu mir und ich nickte. „Phillis hör zu. Marcos Freundin ist Krankenschwester. Sie kommt nachher und wenn du Hilfe brauchst kannst du die bekommen, okay?", versuchte ich es sanft und tatsächlich nickte Phillis. Marco rief sofort Nadine an und erzählte ihr nur ganz grob, was los war, bis wir schon wieder aussteigen mussten. Langsam gingen wir zu Marcos Wohnung.

Dort angekommen zogen wir unsere Schuhe und Jacken aus und ich setzte mich mit Phillis und einem Glas Wasser für sie aufs Sofa. „Bist du abgehauen?", fragte ich dann ruhig. Marco war in der Küche und wartete auf Nadine, dadurch sah Phillis mich endlich richtig an. „Ich konnte nicht mehr dort bleiben, er war sauer und ist danach gegangen. Ich musste weg", weinte Phillis und ich zog sie sanft in meine Arme. „Wie hast du hier her gefunden?", fragte ich weiter. „Du hast gepostet, dass du bei deiner Familie bist, also dachte ich Hamburg ist schon mal eine gute Richtung. Ich musste einfach raus aus Berlin", erklärte sie. Am liebsten wollte ich fragen, ob sie trotzdem zu ihm zurück gehen würde, aber ich wusste, dass das gerade definitiv die falsche Frage sein würde. „Lass dir bitte einfach von Nadine helfen, ja?", murmelte ich stattdessen, aber Phillis schwieg einfach.

Dein Zauber der Dich umgibt // Wincent Weiß FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt