New Yorker Krankenhäuser hatten diese ganz eigene Art mit Dingen umzugehen. Zwei Jahre hatte ich im Madison Field Hospital gearbeitet. Dabei hatte ich es eigentlich kaum verlassen. Ich kannte mich in New York City eigentlich nicht aus.
Wo ich mich aber auskannte waren Krankenhäuser. Anders als in Pittsburgh, war das hier keine inklusive Klinik. Doch trotzdem war es ein Traumakrankenhaus und einige wirklich gute Ärzte arbeiteten hier. Allen voran. Dr. Casey Donovan.
Lilly und ich kamen herein. Mittlerweile heulte sie wie ein Schlosshund. Am liebsten hätte ich ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, als der medizinische Berater des Teams uns in Empfang nahm.
Er wandte sich ihr zu und begann zu sprechen. "Der Zustand ist kritisch. Noch wissen wir nicht viel, aber ich vermute..." Schluchzend unterbrach sie ihn. "Wie geht es ihm? Ist er ansprechbar?" Er schüttelte den Kopf. "Er wurde ruhig gestellt, um..." Sie schluchzte wieder laut. "Er wird doch nicht sterben?" Fragte sie dramatisch. Alleine ihre Art machte mich nervös. Dabei wusste ich, dass wir jetzt gerade nichts anderes tun konnten, als zu warten.
Die gesamte Fahrt, was keine Zehn Minuten gewesen waren, hatte sie geschluchzt und über ihn geweint. Ich verstand es. Doch ich wollte den Teufel nicht an die Wand malen und es machte mich verrückt, dass sie jedes schlimme Szenario erdachte, dass es zu geben schien.
"Harper." Sagte sie wieder und sah mich an, als würde sie mich bitten, etwas zu tun. Als könnte ich etwas tun. Doch was erwartete sie von mir? Ich war mir ziemlich sicher, dass sie nicht wusste, dass ich in genau diesem Krankenhaus gearbeitet hatte. Ich hatte auf der Rehabilitationsstation gearbeitet, die allerdings nur kurzzeitige Pflege betrieben hatte. Ich hatte nie einen Patienten auf die Beine gebracht, als ich hier gewesen war. Dabei war das eines der besten Dinge des Jobs.
"Setz dich hin." Sagte ich sanft und nickte auf das Wartezimmer. Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann doch jetzt nicht einfach hier rumsitzen." Rief sie empört. Mir riss der Geduldsfaden. Denn ich spürte, dass auch in mir eine Angst brodelte, die ich kaum noch im Zaum halten konnte. "Das letzte mal als ich gecheckt habe, hattest du aber auch keine medizinische Ausbildung. Also setz dich hin und reiß dich zusammen. Ich versuche etwas in Erfahrung zu bringen." Sagte ich kalt und wandte ihr den Rücken zu. Dann sah ich dem Berater wieder ins Gesicht. "Mein Name ist Harper Rudolph. Ich bin Scotts Schwägerin und Trauma-Therapeutin in Pittsburgh." Erklärte ich ihm. Er nickte. "David Sinclair." Ich lächelte freundlich, doch nur kurz. Dann wechselte er wieder in einen professionellen Modus. "Er wird gerade untersucht. Ich habe noch nichts gehört. Ich weiß nur, dass es zu diesem Zeitpunkt alles sein kann." Ich nickte geschäftsmäßig. "War er bei Bewusstsein? Auf dem Eis?" Fragte ich und er blinzelte geschlagen. Das war wohl ein Nein.
"Würde es ihnen etwas ausmachen ein Auge auf meine Schwester zu haben? Ich kenne ein paar Leute."
Ohne eine Antwort abzuwarten wandte ich mich ab und schob mich durch die Tür zur Notaufnahme. Dann betrat ich den kleinen Raum rechts und schnappte mir ein Hemd. Schnell streifte ich es mir über. Mir war klar, dass das hier absolut nicht erlaubt war, doch ich ignorierte mein Gewissen und sah mich um. Für einen Samstagabend war erstaunlich wenig los. Einige Verletzte saßen auf den Behandlungsplätzen. Doch von den Acht Schockräumen, waren nur zwei besetzt. Immerhin hatten die Ärzte somit für jeden der Patienten genügend Zeit. Auch wenn sie alle auch unter Druck hervorragende Arbeit leisteten.
"Harper?" Ich zuckte zusammen.
Ich war vor Schockraum zwei stehen geblieben und erspähte Scott, wie er auf der Liege lag. Schwestern umschwärmten ihn, während man seine Kleider und Protektoren abnahm. Ich erkannte das Ultraschallgerät. Vermutlich um innere Blutungen zu finden.
"Casey?" Ich blickte in die freundlichen Augen des blonden Mannes vor mir. "Hey." Rief er, beugte sich vor und umarmte mich. Gehetzt erwiderte ich seine Umarmung. Doch mein Blick huschte immer wieder zu Scott.
"Was machst du hier?" Fragte er mich und blickte mich warm an. Mir fiel auf, dass ich ihn vermisst hatte.
Casey Donovan war der beste feste Freund, den ich je hatte. Er war zugegebenermaßen auch der erste und einzige. Und obwohl wir uns beide geliebt hatten, waren wir auseinander gegangen. Doch mein Herz hatte immer an jemand anderem gehangen. Genau wie seins. Wir genossen unsere Zeit zusammen, hatten sogar eine Weile zusammengewohnt und es fühlte sich vertraut an. Er war einige Jahre älter als ich und hatten fast ein Jahr zusammengearbeitet, bevor er mich nach einer Verabredung gefragt hatte. Wir waren uns ähnlich und mochten die gleichen Dinge. Ich konnte mich nicht mal erinnern, wann und ob wir uns je gestritten hatten.
"Schockraum zwei." Sagte ich und sah ihn ernst an. Er nickte. Das war typisch. Er verstand sofort. Er wusste, dass das persönlich war. Sofort wechselte er in den Geschäftsmodus.
Sanft drückte er meinen Arm, wandte sich ab, bedeutete mir ihm zu folgen und öffnete dann die Tür zum Schockraum.
Ich hatte hunderte Male gesehen, wie jemand auf dieser Liege lag. Wie jemand an den Herzmonitor angeschlossen war, zerschnittene Kleidung... In der Luft hing ein metallischer Geruch, der sich mit dem beißenden Alkohol mischte.
Casey zeigte auf eine Ecke in die ich mich drängte, denn Angehörigen war der Zutritt strikt verboten und dass er mich mitgenommen hatte, würde ihm Ärger bereiten, wenn ich mich nicht benahm. Also drückte ich mich förmlich in die Ecke und versuchte mit der Wand zu verschmelzen.
Scott lag auf dem Rücken, sein Unterhemd war zerschnitten worden und seine dunkle Brust färbte sich beinahe schwarz. Um seinen Hals hatte er eine Krause und sein Bein war geschient.
Casey setzte sein Ultraschallgerät an und blickte auf den Bildschirm, den ich leider nicht erkennen konnte. Am liebsten wäre ich zu ihm gegangen, doch ich hielt mich zurück. Ich musste ihn seine Arbeit machen lassen.
Im nächsten Moment begann Scott sich leicht zu bewegen. Ein Stöhnen entkam ihm. Bebend holte ich Luft. "Wissen Sie wo sie sind, Mr...?" Er blickte fragend auf. "Scott King." Er nickte und ignorierte mich wieder. "... King? Wissen Sie was passiert ist?" Fragte Casey ihn und ich sah, wie seine Augen suchend durch den Raum schweiften. Für einen kurzen Moment blieben sie an mir hängen, doch ich wusste nicht, ob er mich wirklich erkannte. Denn dann flatterten seine Lieder und er ließ seinen Kopf wieder fallen. "Geben Sie ihm was gegen die Schmerzen." Sagte Casey nur und schon wirbelte eine der Schwestern herum. Sie alle waren ein eingespieltes Team. Und ich war mir ziemlich sicher, dass ich niemandem mehr vertraute als den Händen in denen er sich jetzt gerade befand.
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ICECOLD - 1 - Scott Knight
RomanceUnsere Blicke verschränkt sich ebenso fest miteinander. "Harper." Flüsterte er, als könnte er kaum glauben, dass ich hier war. Vor ihm stand. Langsam hob ich meine andere Hand und legte sie an seine Wange. Die Wärme seiner Haut zog direkt in mich e...