Es war ruhig wie immer. Aber genau diese Ruhe machte mir Angst.
Es war immer ruhig vor einem Sturm. Ich betrat das Haus und sah mich um. Erleichtert stellte ich fest, dass nicht überall Dosen oder Flaschen herumlagen. Denn das war meist der größte Indikator.
"Dad?" Rief ich, doch keine Antwort. Es war erst kurz vor halb neun und somit viel zu früh, als das er schon im Bett liegen würde. Oder war er vielleicht krank?
Ich stellte das Essen in der Küche ab und ging zurück in den Flur. Mit einem tiefen Atemzug nahm ich die erste Stufe der Treppe.
"Was willst du hier?" Die Stimme ihres Dad war kalt und fremd. So hatte er noch nie mit ihr gesprochen. "Dad?" Ich blickte die Treppe hoch und sah, wie er wankend am oberen Absatz stand. Er war eigentlich kein wütender betrunkener. Er gehörte eher zu der Sorte, die bemitleidenswert waren. Di ruhige, traurige Sorte. Aber nie wütend.
"Du hast getrunken." Sagte ich schlicht. Es war eine einfache Feststellung. Doch er lachte auf und verursachte eine Gänsebraten auf meinem Rücken.
"Ich hab dir was zu Essen mitgebracht." Sagte ich nach einer Weile. Essen musste er immerhin trotzdem. Betrunken oder nicht.
Wieder lachte er. "Ich bin erwachsen. Ich kann mich um mein Essen selbst kümmern." Ich schnaubte. Ich kümmerte mich seit über zwei Jahren um ihn, weil er es die letzten vier eben nicht geschafft hatte. Als er noch seinen Job gehabt hatte, meinetwegen. Doch er war nicht in der Lage sich um sich selbst zu kümmern. In unserer Familie gab es nur einen Erwachsenen. Mich!
"Dann benimm dich, bitte, auch so." Seufzte ich und sah, wie er schwankend die Treppe runtergetorkelt kam.
Mein erster Impuls war es zu ihm zu laufen und ihm zu helfen. Doch er wollte mir doch zeigen, dass er mich nicht brauchte, also trat ich nur einen Schritt von der Treppe und wartete, bis er vor mir stand. Zusammengesackt, verschwitzt und angestrengt keuchend.
"Ich bin immer noch dein Vater!" Sagte er arrogant und richtete sich bei seinen Worten etwas auf. "Du kannst nicht kommen und gehen wie und wann Du willst und mir Vorschriften machen. ..." Er lachte auf. "... Das hat deine Mutter auch versucht. Ist nicht gut für sie ausgegangen." Sagte er fies. Dabei wussten wir beide, dass er so ziemlich alles geben würde, dafür, dass sie wieder da wäre.
Doch ich hatte genug. Genug davon die Erwachsene zu sein. Mich um alles zu kümmern und alles zu schlucken. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll. Und heute war der Tag, an dem ich es eben nicht mehr hinnehmen würde.
"Wenn Mom dich sehen würde, würde wäre sie schockiert. Du hast nichts mit dem Mann gemeinsam, den sie geheiratet hat. Du bist ein Wrack und ein Säufer. Und du kannst froh sein, dass ich so wenig Selbstachtung habe, um immer wieder zu kommen. Was glaubst du denn, warum Lilly immer weg ist? Wegen dir. Nur wegen dir!" Ich wusste, dass ich unfair war, doch ein kleiner gemeiner Teil in mir wollte ihn verletzen. Ebenso wie er mich verletzt hatte.
Er starrte mich entsetzt an. Ich hätte es ihm gar nicht zu getraut. Doch der plötzliche Schmerz meiner Wange und die Wucht mit der mein Kopf zur Seite flog, machten es überdeutlich. Perplex fasste ich an meine Wange. Fassungslos starrte ich ihn an. Ignorierte die Tränen und den Schmerz.
Nie, noch nie, hatte er mich geschlagen. Und das war der Punkt an dem ich mich nicht mehr wehren würde, sondern gehen. Ohne ein weiteres Wort trat ich zurück und verließ das Haus. Ich holte tief Luft, blinzelte gegen gegen Tränen und den pochenden Schmerz meiner Schläfe.
Erst als ich im Auto saß ließ ich den Atem aus, keuchte beinahe und schaffte es nicht mehr den Tränen standzuhalten.
Ich hatte keine Kraft Scott anzusehen. Doch als er meine Hand nahm und sie sanft drückte, blickte ich auf. Ich wollte nicht bemitleidet werden.
Aber ich konnte meine Trauer und meine Wut nicht länger zurückhalten.
Es dauerte eine Weile bis ich mich beruhigen konnte. Dabei wusste ich nicht mal genau warum ich weinte. Aus Wut? Verzweiflung? Schock? Trauer? Vermutlich eine Mischung aus allen dreien.
"Er hat viel getrunken. Immer schon. Aber er hat uns nie..." begann ich. Doch brach ab. Wenn ich es aussprach, dann wurde es real. "... geschlagen?" Scott schien zu wissen, dass ich es nicht sagen konnte. Doch das es notwendig war. "Nie." Flüsterte ich zur Bestätigung.
Es sollte mir unangenehm sein, denn ich wollte nicht, dass ausgerechnet Scott mich so sah. Doch ich fühlte mich nicht so, als müsste ich mich schämen. Vorsichtig griff er nach meiner Hand und löste sofort ein warmes Kribbeln aus.
"Es ist völlig egal, wie schlecht es ihm geht. Oder wie viel er getrunken hat. Diesmal hat er eine Grenze überschritten." Begann er leise aber bestimmt.
"Ich bin nicht in der Position dir Vorschriften zu machen, doch du bist mindestens genauso wichtig wie er. Und niemand hat das Recht dich zu behandeln als wäre es anders." Führt Scott aus und drückte dabei sanft meine Hand.
"Ich hab damals die Gerüchte gehört, aber dachte nie wirklich darüber nach. Wenn ich bei euch war, dann war er stets freundlich." Nun darin den Schein zu wahren war mein Vater immer schon gut gewesen.
Langsam löste er seine Finger von meinen uns hob seine Hand an meine Wange. Er strich über meine empfindliche Haut und ich kniff die Augen zu, als ein leichter Schmerz mich durchfuhr. Langsam hob ich den Blick und sah ihm direkt in die Augen.
Mein Atem verlamgsamte sich, mein Herz begann zu rasen und ich starrte einfach nur in seinen warmen Blick. Darin hätte ich mich verlieren können. In diesen Augen, die mich voller Gefühl ansahen. So war es leicht mir einzureden, dass es Begeheren oder gar Liebe war, die darin lagen.
"Harper?" Flüsterte er leise und ich nickte. Hatte das Gefühl, dass meine Worte diese Blase zerstören könnten.
"Ich möchte nicht, dass du alleine hierher kommst. Lass mich ein paar Anrufe machen. Wir finden einen Weg. Hilfe für deinen Dad." Sagte er und klang dabei aufrichtig besorgt. Ich schluckte.
"Ich bitte dich nur, dich nicht in Gefahr zu bringen. Ich will einfach nicht, dass dir was passiert."
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ICECOLD - 1 - Scott Knight
RomanceUnsere Blicke verschränkt sich ebenso fest miteinander. "Harper." Flüsterte er, als könnte er kaum glauben, dass ich hier war. Vor ihm stand. Langsam hob ich meine andere Hand und legte sie an seine Wange. Die Wärme seiner Haut zog direkt in mich e...