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Genervt starrte ich auf den Papierkram. Die letzten Wochen hatten viel Arbeit angehäuft und ich versuchte alles nachzuholen, so gut ich konnte. Kevin hatte vor vier Tagen die Klinik verlassen und war nun zuhause in eine ambulante Reha gegangen. Ich hatte mich zusammenreißen müssen nicht heulend zusammenzubrechen. Doch ich war froh über seine Fortschritte. Und es bedeutete normalerweise etwas gutes, wenn man einen Patienten nicht wieder sah. 
"Hey." Sagte Reid und setzte sich mir gegenüber. Müde strich er sich durchs Gesicht. "Ist alles in Ordnung?" Fragte ich ihn und er nickte. "Neue Nachbarn." Erklärte er. "Sie spielen im Orchester." Ich lachte auf. "Oh nein. Das tut mir leid." Brachte ich belustigt raus. Er tat mir wirklich leid. "Sie wollen die Schalldämmung der Wohnung anpassen, doch das wird ein paar Wochen dauern." Führte er weiter aus. 
Das Telefon riss uns aus unserem schleppenden Gespräch. Reid erhob sich langsam, ging zum Empfangstresen hinüber und hob ab. Er meldete sich mit der Station und seinem Namen. Doch schon sofort nickte er und sagte: "Ich richte es ihr aus." Dann legte er auf und wandte sich zu mir um. 
"Da ist jemand unten für dich. Amina meint er sieht ziemlich wichtig aus." Ich schluckte. Ich hatte selten mit wichtigen Menschen zu tun. Nun jedenfalls in dem Sinne, wie die zierliche Türkin an der Anmeldung es meinen könnte. "Na dann werde ich wohl mal runter gehen." Sagte ich steif, erhob mich auch und schnappte mir mein Telefon. 
Die gesamten vier Stockwerke, fünf Flure und Sieben Türen hoffte ich, dass es Scott sein würde. Ein naiver, romantischer, kindischer Teil vielleicht, doch ein ziemlich großer, hoffnungsvoller Teil auf jeden Fall. 
Doch als ich den Anmeldebereich der Klinik erreichte und zum Tresen ging, nickte sie nur in eine Richtung, in der ein älterer Herr mit ergrautem Haar und teurem Anzug stand. Er war attraktiv und eindrucksvoll. Sein Auftreten war selbstsicher. Er wirkte wie jemand auf einer Mission. 
Langsam ging ich hinüber und lächelte freundlich. "Hallo, mein Name ist Harper Rudolph. Wie kann ich Ihnen behilflich sein?" 
Er wandte sich mir zu und lächelte breit. "Sie sind also die berüchtigte Ms. Rudolph. Ich habe schon sehr viel von Ihnen gehört und ich bin mir sicher, dass ich einiges für Sie tun kann." Die Art wie er diese Worte sagte brachten mich zum Schmunzeln. Mehr Klischee in einem Satz ging ja kaum noch. "Nun ich weiß nicht ob ich Ihnen glauben kann, aber ich höre Ihnen ein paar Minuten zu."
Er geleitete uns hinüber zu einer der freien Lounge- Bereiche und bat mich, mich zu setzen. Ich ließ mich nieder und wartete bis auch er sich mir gegenüber niedergelassen und seine Aktentasche neben sich gelegt hatte. Dann reichte er mir seine Hand. "Mein Name ist Andrew Carter. Ich arbeite für die New York Islanders. Wir haben gehört, was für großartige Arbeit sie bei Scott Knight geleistet haben und möchten gerne, dass sie sich unserem Team anschließen." Erklärte er und wartete darauf, dass ich etwas sagte. Doch ich war nicht mal in der Lage ihm meine Hand zu reichen. Also lächelte ich nur verständnislos. 
Nach einiger Zeit fragte ich geistlos: "Wie bitte?" Carter lachte auf. "Wir haben für die nächste Saison einige sehr gute Spieler, Trainer, Ärzte und andere Spezialisten an Bord. Nun fehlen nur noch Sie." Erklärte er. "Wir stellen Ihnen eine Wohnung nahe dem Campus. Sie erhalten das Budget für eine gesamte Aufbau- und Rehabilitationsabteilung. Sie können sich ein kleines Teams zusammenstellen und arbeiten eng mit unseren Ärzten und Ernährungsberatern zusammen. Wir möchten unser Team zum Sieg führen und brauchend dafür Ihre Hilfe." Ich schluckte. "New York, sagten Sie?" Er nickte. "Darf ich fragen, von wem sie so viel über mich erfahren haben?" Wieder nickte er lächeln. "Ich kann Ihnen den Namen nicht verraten, weil noch nicht alle Verträge unterzeichnet sind. Doch es ist ein Spieler, der sie gerne mit an Bord haben möchte. Nun er weiß was er will und hat uns auf Sie aufmerksam gemacht. Wir wollen Sie. In New York. Am besten noch in dieser Saison." 
Schockiert starrte ich ihn an. Wer von den Penguins hatte vor zu gehen? Wollte Dex die Penguins verlassen und nach New York gehen? Scott? Bei beiden konnte ich es mir kaum vorstellen. Doch ich war auch noch völlig erschlagen von dem Jobangebot. 
"Hören Sie Mr. Carter, ich danke Ihnen sehr. Aber ich mag meinen Job. Ich liebe die Arbeit hier..." Er unterbrach mich. "Noch ein Grund warum wir sie wollen. Hören Sie... Wir wissen sie haben einen guten Job und kommen von hier. Aber New York hat viel zu bieten. Vor allem aber ist das eine Karrierechance, die so schnell nicht wieder kommt. Ich möchte Ihnen jetzt keine Entscheidung abnehmen, aber denken Sie darüber nach, in Ordnung?" Er griff nach seiner Aktentasche und holte einen großen Umschlag heraus. "Hier stehen alle Informationen drin. Wenn sie trotzdem Fragen haben sollte, melden Sie sich. Meine Daten stehen ebenfalls hier drin. Bitte, Ms. Rudolph denken Sie darüber nach." 
Elegant erhob er sich, nickte mir zu, reichte mir ein letztes Mal die Hand und ging. Ließ mich mit offenem Mund und diesem Umschlag einfach stehen. Nun und Fragen. Eine Menge Fragen. Ich würde mich vermutlich den gesamte Tag nicht mehr auf irgendwelchen Papierkram konzentrieren können. 
New York? Die New York Islanders? Carter hatte Recht. Das wäre eine wirklich große Chance. Ich könnte zurückgehen und einen Job machen der mich voran brachte. Ich konnte mir einen Namen machen und ich konnte Karriere machen. Casey war in New York und Dex (?) auch. Vielleicht sollte ich ihn anrufen. Ich musste auf Nummer sicher gehen. Aber wer hätte mich sonst so loben sollen? Wer hätte darauf bestehen sollen, dass ich in seinen Wechsel einbezogen werde? Nur Dex machte Sinn. 
Aber konnte ich wirklich wieder gehen? Ich war aus einem bestimmten Grund gegangen. Ich war wegen Dad zurückgekommen. Ich war hier um ihm zu helfen, mich um ihn zu kümmern. Konnte ich jetzt einfach wieder gehen? Jetzt wo es gerade so gut zwischen uns lief? Und wenn sie mich schon in dieser Saison haben wollte, hieße das nicht, dass ich sofort umziehen müsste? Ich würde zu Lillys Hochzeit zurückkommen. Ich... Ich wollte diesen Job. Ich wollte zurück nach New York und ich war mir absolut sicher, dass ich es mein Leben langt bereuen würde, sollte ich ihn nicht annehmen. Warum konnte das Leben nicht einfach mal, einfach sein? Das wärs doch mal, zur Abwechslung.

ICECOLD - 1 - Scott KnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt