40

650 29 1
                                    

Ich fuhr schweigend zurück zu Scott. Die Burger waren schon kalt, doch ich hatte eigentlich auch keinen Appetit mehr. Langsam fuhr ich in die Auffahrt, stieg aber nicht aus, als wir gehalten hatten.
"Tur mir leid, dass du das mitbekommen hast." Sagte ich und öffnete die Tür. Für einen kurzen, naiven Moment hoffte ich darauf, dass er etwas sagte, doch er tat es nicht. Also stieg ich aus und schlug die Tür wieder zu.
Ich wusste auch nicht wirklich was ich erwartet hatte. Immerhin war ich einfach nur Harper. Die kleine Schwester der Frau, die er hatte heiraten wollen.
Und ich selbst hätte nicht gewusst, was ich dazu sagen sollte, wenn ich nicht genau wüsste, was ich hören wollte.
Noch vor unserem Haus hatte er mir gesagt, dass er nicht wollte, dass ich verletzt wurde. Und das war mehr als genug. Das bedeutete ja, dass ich ihm wichtig genug war, um mich sicher zu wissen. Das machte eine Freundschaft doch aus, oder nicht?
Als ich um den Wagen herumgegangen war, um Scott hinaus zu helfen doch der stand schon neben dem Wagen und lächelte mich an. Trotzdem ging ich zu ihm, reichte ihm meinen Arm und schloss die Tür, als er aus ihrem Radius getreten war.
Dann löste ich mich von ihm, um zur Haustür zu gehen. Beim Laufen brauchte er immerhin schon seit einiger Zeit keine Hilfe mehr und ich wollte ihm diesen Fortschritt und die Freiheit nicht nehmen.
Doch er griff nach meiner Hand, drückte sie fest und ließ sie nicht los.
Mit gerunzelter Stirn sah ich auf unsere Finger und dann in sein Gesicht.
Lange sah er mich an, lächelte und brachte meinen Magen dazu seltsam zu hüpfen.
"Diese verdammten Krücken..." Sagte er nach einer Weile. Nun das war nicht gerade was ich erwartet hatte. "Äh." Gab ich zurück, weil mir nichts besseres einfiel. Er lachte leise.
"Ich bin es nicht gewohnt nicht einfach tun zu können was ich will." Sagte er dann, um sich zu erklären, doch der Themenwechsel war so abrupt, dass ich mich fragte, ob er damit irgendwohin wollte.
"Es wird nicht mehr lange dauern, dann kannst du wieder alles machen was du willst. Ich verspreche es dir." Sagte ich trotz meiner wilden Gedanken.
"Und wenn ich nicht mehr warten will?" Seine Stimme nahm einen Eigenartigen Ton an. "Nun ich werde dir bei allem helfen so gut ich kann." Gab ich knapp zur Antwort. Dafür war ich immerhin da.
Wieder lachte er, doch es klang kein bisschen belustigt. Eher gepresst.
"Dann solltest du jetzt hierherkommen." Sagte er ernst. Ich stand vielleicht anderthalb Meter von ihm entfernt, genug um mich zu unterhalten. Doch ich ging auf ihn zu und reichte ihm meine Hand. Er blickte auf sie hinunter und lächelte.
"Näher." Sagte er leise. Mit blieb der Atem weg. Ich trat einen Schritt näher. Er grinste breiter. "Näher." Mittlerweile war ich ihm schon näher, als ich es je zuvor war. Ich stand direkt vor ihm, konnte seine Wärme spüren und mein ganzer Körper begann bei seiner Nähe zu kribbeln. Mein Herz begann zu rasen und meine Lungen brannten.
Er ließ eine der Krücken fallen und hob die Hand. Er war leicht zitternd auf den Beinen, doch hielt sich aufrecht, als er sanft mit seinen Fingern über meine Schläfe fuhr und diese eine Strähne, die sich immer löste, aus meinem Gesicht strich. "Das wollte ich schon so lange machen." Erklärte er leise. Dann fuhr er mit seinen Fingern über meine Wange hinunter zu meinem Kiefer, strich mit seinem Daumen über meinen Mundwinkel und dann über meine Lippen.
Ich träumte. Das musste sein. Vielleicht war ich gestolpert und mit dem Kopf aufgeschlagen?
"Ich kann seit dem Kuss an nichts mehr denken, als deine Lippen." Flüsterte er leise, starrte meine Lippen an, als wäre er sich nicht sicher, was er tun sollte. Doch ich war mir so sicher damit, was er verdammt noch mal tun sollte. Sein über zehn Jahren wartete ich darauf.
"Kuss?" Fragte ich atemlos. Er nickte. "Ich war mir nicht sicher, ob du dich nicht erinnerst oder nur so tust." Erklärte er und sah mir, mit verschleiertem Blick, in die Augen. "Du warst betrunken und so schön." Er lächelte als er daran zurückdachte. "Und ich war so eifersüchtig." Gab er zu. "Dabei hatte ich nicht mal das Recht dazu. Hab es auf irgendeine Großer-Bruder-Mentalität geschoben."
Ich hörte seine Worte, doch verstand sie nicht. Schaffte es nicht über ihre Bedeutung nachzudenken.
"Und dann hast du mich geküsst." Er lachte leise. Doch dann wurde er ernst. "Und seitdem kann ich an nichts anderes mehr denken. Als diesen Kuss. Als an dich." Ich schluckte schwer. Aber ich wusste nicht was ich sagen sollte. Ich wusste ja kaum was ich denken sollte.
"Also wenn du nicht willst, dass ich dich küsse, jetzt und hier, musst du etwas sagen. Denn verdammt; ich will es!" Er bebte beinahe vor Anstrengung. Und ich zitterte vor Erwartung. Selbst wenn ich gewollt hätte, was ich definitiv nicht tat, wäre kein Wort über meine Lippen gekommen.
Ich wollte es. Vermutlich mehr als er es wollte.
Mein fünfzehnjähriges Ich hüpfte aufgeregt und klatschte dabei in die Hände. Doch mein erwachsenes Ich zitterte aufgeregt. In dem Moment bevor er mich endlich - Endlich! - küsste, dachte ich an so viele Dinge. Mein Kopf begann beinahe zu qualmen.
Aber als seine Hand sich um meinen Hals legte und seine Lippen meine Berührten, verstummte alles in mir. Nur mein Herz donnerte wild.
Seine Lippen drängend und selbstsicher  schienen alles um mich herum verstummen zu lassen. Sachte strich er mit seiner Zunge über meine Unterlippe und endlich löste ich mich aus meiner Starre.
Ich öffnete meine Lippen, schlang meine Arme um seine Schultern und presste mich an ihn, während ich, vergebens versuchte, ein leises Stöhnen zu unterdrücken.
Seine Hand fuhr meine Arme hinab, schlängelte sich über meinen Rücken und landete auf meinem Hintern, was mir ein heiseres Keuchen entlockte.
Er küsste mich, wie ich noch nie geküsst wurde. Berührte mich, wie ich berührt werden wollte. Und gab mir das Gefühl begehrt zu werden.
Das hier, dieser Kuss, war besser  als alles was ich mir erträumt hatte. Er war wild und rau und doch war Scott sanft. "Oh, Baby." Raunte er bevor er sich von mir löste und begann meinen Hals zu küssen. Jeden freien Fleck meiner Haut zu liebkosen und meinen Namen zu flüstern. Noch nie hat mein Name so schön geklungen.

ICECOLD - 1 - Scott KnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt