Lilly starrte mich an. Doch in ihrem Blick war keine Trauer, keine Enttäuschung, keine Einsamkeit. Es war Wut. Einfach nur Wut und... Unglauben.
Und während sie mich anstarrte, mich anschrie, mir meine Fehler vorwarf, stand ich einfach nur da und starrte sie an.
Ich hatte die Umzugsfirma in die kleine Wohnung geschickt und ein halbes Vermögen dafür bezahlt die Sachen alle zu packen und zu räumen. Dann hatte ich ihnen die Anweisung gegeben ihre Sachen bei Scott vor die Tür zu stellen. Den ganzen Tag war ich nervös und diskutierte mit meinem schlechten Gewissen, doch ich hatte ihr lange genug Zeit gegeben und ich war einfach nicht bereit noch länger mit diesen Altlasten herumzulaufen.
"Ich habe dir gesagt, dass du die Wohnung räumen musst. Es ist nichts passiert. Ich habe dir einen Haufen Arbeit abgenommen." Sie schnaubte.
"Und wo soll ich das ganze Zeug lassen?" Fragte sie genervt, als wäre das in irgendeiner Form mein Problem. Vermutlich war es das. Jedenfalls früher. Ich hatte ihre Probleme immer zu meinen Problemen gemacht.
"Du lebst in einer Villa. Ich glaube Scott wird dir schon ein wenig Platz machen." Es war als hätte sein Name ihre Wut nur befeuert. "Das kannst du nicht machen." Schrie sie und ich holte tief Luft. Wir standen vor Dads Haus und sie schrie mich an, als hätte ich ihr den Schädel rasiert. Dabei war sie ja wohl alt genug, um sich zur Abwechslung mal um sich zu kümmern. "Ich kann und ich habe." Meine Entscheidung nach New York zu gehen war beinahe endgültig. Ich hatte das Angebot annehmen wollen, bevor Lilly wie eine Irre angerauscht kam und mir eine Szene machte.
"Lilly du bist alt genug, um dich um dich selbst zu kümmern. Und du hast Scott. Ihr werdet heiraten. Wozu brauchst du diese Wohnung?" Sie sah mich an. Sie wurde plötzlich blass. Und dann sagte sie etwas, ich hätte sie nicht verstanden, wenn es nicht so ruhig auf der Straße gewesen wäre. Wahrscheinlich hielten sogar die Nachbarn die Luft an. "Er will mich nicht." Vier Worte. Einfache kleine Worte und doch rissen sie mir den Boden unter den Füßen weg. "Was?" Wollte ich, nicht sehr geistreich, wissen. Doch in meinem Kopf herrschte plötzliche Stille. "Er will mich nicht. Er hat die Hochzeit abgeblasen." Sagte sie niedergeschlagen. "Wann?" Schob ich hinterher. "Nach dem Spiel am Wochenende." Antwortete sie und ich atmete bebend aus. Vielleicht... "Warum?" Es war nicht geplant, dass ich die große Welt der Wie-Wörter nutzte, doch mir fielen einfach keine ganzen Sätze ein. Zu gespannt war ich auf die Antwort. "Er hat gesagt, dass ich er mich nicht liebt. Dass er die Idee von mir geliebt hat. Und..." Sie brach ab, fuhr sich durchs Haar und seufzte genervt. "Und?" Hakte ich ungeduldig nach.
Ich war mir nicht sicher, was genau ich erwartet. Doch ich war mir nicht sicher, dass ich es von Lilly hören wollte. Egal welche Richtung dieses Gespräch einschlug. "Er meinte, dass ich auch nicht in ihn verliebt sei. Das ich auch nur in die Idee von ihm verliebt sei." Sie sagte es, als wäre es ihr unangenehm es zuzugeben. "Stimmt es denn? Liebst du ihn oder nur die Idee von eurem Leben?" Zerknirscht sah sie mich an. Es war mir Antwort genug und doch musste ich es hören. Musste ich hören, wie sie es sagte. "Ich denke..." Sie brach ab und schien nicht zu merken, was sie damit tat. "Ich..." Ungeduldig starrte ich sie an. "Ich denke das er recht haben könnte." Es war als wäre ein Elefant von meiner Brust gestiegen. Erleichterung durchflutete mich und ich wusste nicht einmal was genau ich damit anfangen sollte.
Nur weil Scott Knight nicht mehr mit meiner Schwester zusammen war, hieß das noch lange nicht, dass er mich wollte. Es könnte ein Grund sein, dem verschloss ich mich nicht, aber ich wollte mir keine allzu großen Hoffnungen machen.
"Er hat gesagt, dass wir uns nicht glücklich machen können. Nicht hier und nicht in New York." Ich erstarrte. "New York?" Sie nickte. "Er hat ein Angebot bekommen und will es annehmen. Erst dachte ich, dass er es für mich getan hat. Weil er weiß wie sehr ich Pittsburgh hasse. Aber dann hat er mich einfach abserviert." Jammerte sie, doch es klang nicht verletzt oder gar traurig, sondern eher so, als würde sie es nicht fassen können.
"Er geht zu den Rangers?" Wollte ich wissen und sie zuckte mit den Schultern. Eigentlich hätte ich wissen müssen, dass sie keine Ahnung hatte, wie das Team von New York hieß. Immerhin hatte sie keine Ahnung von Eishockey im allgemeinen.
"Er meinte er würde noch nachdenken und abwarten, ob sich etwas ergibt. Weil es da etwas gibt, das ihm die Entscheidung abnehmen würde. Keine Ahnung ich habe nur die Hälfte verstanden. Aber ganz ehrlich wenn man die Wahl zwischen Pittsburgh und New York hatte..." Sie lachte bitter. "Ich wüsste sofort für was ich mich entscheide."
Blinzelnd sah ich sie an, als würde ihr Gesicht die eine Frage. oder die tausend, beantworten, wenn ich sie nur lange genug anstarren würde. Also hatte Scott den Rangers von mir erzählt? Wurde mir deswegen dieses Angebot gemacht? Und worauf wartete er? Wartete er darauf das ich mich entscheiden würde? Doch am wichtigsten; Würde er die gleiche Entscheidung treffen wie ich? Wegen mir?
"Lilly..." Begann ich. Sie war meine Schwester und dieses ganze Chaos führte dazu, dass ich mich ihr so fern fühlte. Meine Einsicht, dass sie nicht so perfekt war, wie ich immer angenommen hatte, führte dazu, dass sie in einer anderen Welt war. Doch sie war eben immer noch meine Schwester. Und ich wollte ehrlich sein. Aber wie ich das sollte, dass wusste ich nicht. "Ist schon gut. Mir geht es gut. Danke, Harpy." Wieder blinzelte ich und starrte Lilly an. Seit Jahren hatte ich diesen bescheuerten Spitznamen nicht mehr gehört und er fühlte sich eiskalt in meinen Ohren an. Er fühlte sich gelogen und geheuchelt an. Und doch war es mir egal. Ich wollte ehrlich sein, weil ich glaubte es sein zu müssen. Nicht weil ich wollte das Lilly mich kannte. Wir hatten irgendwann aufgehört beste Freundinnen zu sein. Irgendwann sogar aufgehört nur Freunde zu sein. Sie war zwar meine Schwester. Aber gleichzeitig eine Fremde. Und ich war mir nicht sicher, ob mich das wirklich so sehr störte, wie es sollte.
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ICECOLD - 1 - Scott Knight
RomanceUnsere Blicke verschränkt sich ebenso fest miteinander. "Harper." Flüsterte er, als könnte er kaum glauben, dass ich hier war. Vor ihm stand. Langsam hob ich meine andere Hand und legte sie an seine Wange. Die Wärme seiner Haut zog direkt in mich e...