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"Also Scott, hme?" Sagte Casey, als wir in der Cafeteria saßen. Ich nickte. "Er ist der Scott." Ich nickte und nippte an meinem Kaffee. "Und er ist mit deiner Schwester verlobt?" Wieder nickte ich und senkte den Blick auf meine Finger. "Die, nebenbei, ziemlich..." Er suchte nach einem passenden Wort. "...gemein?" Warf ich als Vorschlag ein. Er nickte zerknautscht.
"Sie war gestresst. Sonst ist sie nicht so." Erklärte ich und er nickte wieder. Doch ich sah ihm an, wie skeptisch er war.
"Nun sie wird noch eine Weile gestresst sein. Mit einer derartigen Verletzung, wird er mindestens, wenn wir von einem optimalen Verlauf sprechen, Sechs Monate fixiert sein. Erst dann kann mit dem Muskelaufbau angefangen werden. Mit dem Training kann er frühestens in Zehn Monaten, vielleicht einem Jahr wieder anfangen." 
Sowas hatte ich mir auch gedacht. Es war eine schwere Verletzung. Sie war fixiert. Doch es konnte immer passieren, dass Knochenteile absplitterten oder nicht richtig zusammenwuchsen. Es konnte auch sein, dass die Knochen nie wieder richtig verwuchsen und eine Fehlstellung zurückblieb. Vielleicht würde er nie wieder gewohnt beweglich auf dem Eis sein. Vielleicht war seine Karriere vorbei. Vielleicht...
Vielleicht aber auch nicht. Es bestand eine Chance, nicht mal eine Kleine, dass die Heilung aber auch gut verlief. Das er ein paar Monate Pause machte und dann aufs Eis zurückkehren konnte. Es waren schon verrücktere Dinge passiert. Ich hatte viele Menschen gesehen, die nie wieder laufen sollten und es trotzdem taten. Und das wegen guter Medizinischer Versorgung und dem Willen niemals aufzugeben.  "Ich weiß das." Sagte ich müde. Es war ein langer Tag. "Aber wie soll ich das Lilly sagen?" Er atmete geräuschvoll aus. "Ich habe das Gefühl, als würdest du dir zu viele Sorgen machen. Er ist immerhin dein Schwager." Sagte er und ich nickte. Er hatte Recht. Und er wusste auch, dass es so einfach nicht war.
"Das Spiel ist sein Leben." Sagte ich nur und wieder atmete er laut. "Und deswegen kennt er das Spiel. Er weiß welche Risiken es gibt und wenn er das Spiel liebt, wird er einen Weg finden damit zu leben. Er kann noch immer Trainer werden." Ich schnaubte. So einfach war das nicht. Nicht jeder gute Spieler war ein guter Trainer. 
"Was wenn er es nicht schafft? Lilly liebt dieses Leben. Jeden Tag eine neue Veranstaltung die noch glamouröser ist als die gestern. Sie liebt den Luxus und das Glitzern. Ich weiß nicht, ob sie es schaffen wird. Er..." Ich biss mir auf die Zunge, weil ich merkte was ich eigentlich gerade sagte. "Klingt so als würde sie nicht Scott lieben." Erklärte Casey, doch ich schüttelte energisch den Kopf. "Sie liebt ihn. Sie passen wunderbar zusammen." Warf ich ein. Das taten sie. Jede Schlagzeile die ein Bild von ihnen beiden zierte sah so perfekt aus. Sie passten perfekt zusammen. Sie waren beide perfekt. 
"Harper..." Begann Casey und legte seine Finger auf meine, die auf dem Tisch verschränkt waren. Sanft drückte er meine Hände. "Ich will mich nicht einmischen. Das geht mich nichts an. Doch du solltest aufhören dir Sorgen um ihn zu machen. Denn sonst wird dir das alles gehörig um die Ohren fliegen." Er hatte recht. Ich wusste er hatte Recht. Aber... "Leichter gesagt, als getan." 
Das schrille piepen seines Pagers ließ mich zusammenfahren und unterbrach uns. "Tja, die Pflicht ruft." Sagte er und erhob sich. Ich folgte ihm. Doch bevor er ging, griff er in seine Tasche und legte lächelnd etwas auf den Tisch. 
"Fahr in meine Wohnung und leg dich etwas hin. Wenn du geschlafen und geduscht hast, dann sieht die Welt wieder viel besser aus." Dann ging er und ließ mich zurück und starrte auf den Schlüssel. Doch ich musste wieder hochgehen. 
Scott war heute Morgen in ein Zimmer verlegt worden. Er war wach, ansprechbar und außer Gefahr. Doch ich hatte ihn noch nicht gesehen. Ich hielt es irgendwie nicht für angemessen. Ich wollte mich nicht einmischen und sowohl seine Familie als auch Lilly hatten ein Vorrecht. Ich war immerhin nur die Schwester seiner Verlobten. 
"Harper!" Überrascht blickte ich auf, als ich gerade den Fahrstuhl verließ. Jake stand vor einem Zimmer und winkte mir zu. Neben ihm standen, unverkennbar, seine Eltern. Lilly war nirgends zu sehen. 
"Hey, Jake." Begrüßte ich ihn müde und lächelte seinen Eltern zu. Sie lächelten mich freundlich an. Sie wirkten beide erschöpft. "Das sind meine Eltern. Darf ich vorstellen? Meine Mutter Abeena." Ich reichte ihr die Hand und sie lächelte warm. "Nenn mich, Abi." Ich nickte dankbar. "Und das ist mein Vater Michael." Ich reichte auch ihm die Hand und lächelte freundlich. 
"Ich erinnere mich an dich." Sagte Abi plötzlich und ich spürte wie ich errötete. "Du bist doch das Mädchen aus der Schule." Sagte sie nachdenklich und ich lachte auf. Ein eigenartiges Geräusch. "Stimmt. Ist schon eine Weile her. Ich freue mich sehr Sie kennen zu lernen. Auch wenn die Umstände nicht optimal sind."  
Sie beide lächelten. Ich sah, wie Abi die Hand ihres Mannes nahm und sie beide ihre Finger verschränkten. Es musste schlimm sein, sein eigenes Kind so zu sehen. Es musste wirklich hart sein.
"Wie geht es ihm?" Fragte ich neugierig und blickte zur geschlossenen Tür. Jake Seufzte. "Er ist ein wenig irritiert. Aber ansonsten wach. Er schläft immer wieder ein." Ich sah, wie Abi bebend Luft holt. Das hier war nicht leicht für sie und ich wünschte mir ich könnte sie einfach in den Arm nehmen. Doch ich hielt mich zurück. "Das ist ganz normal. Das liegt an den Medikamenten. Ich weiß nicht was er bekommt, doch es wird ihn ein paar Tage noch verwirren." Jake nickte lächelnd. "In ein paar Tagen wird er schon wieder klar sein. Dann können auch die ersten Schlüsse über Gewebeschäden getroffen werden." Fügte ich geschäftsmäßig hinzu. Es war am einfachsten irgendwie in den Arbeitsmodus zu schalten. So konnte ich eine gewissen Distanz halten. 
"Sie arbeiten als Medizinerin?" Fragte Abi freundlich, doch ich schüttelte den Kopf. "Ich bin keine Ärztin, falls sie das denken. Ich bin Physiotherapeutin, spezialisiert auf Traumapatienten." Überrascht sah sie mich an. "Sie kennen sich also mit solchen Verletzungen aus?" Leise räusperte ich mich. "Nun ich habe schon einige solcher Verletzungen gesehen." Wieder lächelte sie sanft. "Dann bin ich froh, dass sie hier sind. Er wird jede Hilfe gebrauchen können, die er kriegen kann." Ich nickte. Wo sie recht hatte, hatte sie recht.

ICECOLD - 1 - Scott KnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt