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Ich liebte diese Atmosphäre. Dieses energetische Kribbeln im Raum. Diese Spannung des Spiels und das Gefühl in meinem Magen, wenn es so richtig heiß her ging.
Ich hätte eigentlich, bei meinem Job, alle Sportarten verabscheue sollen, die schwere Verletzungen hervorriefen. Aber das tat ich nicht.
Immerhin liebte ich ja an meinem Job, dass wir Dinge reparieren konnten, die kaum zu reparieren waren.
Das Spiel lief auf Hochtouren. Predators gegen Penguins. Harte Gegner.
Kaum jemand saß noch auf seinem Platz, selbst Scott stand an den zusammengeklappten Sitz gelehnt da.
Als ich nach einer Weile zu ihm hinüber sah und meinen Blick vom Eis löste, sah ich, wie er mich ansah. Irgendwie intensiv musterte.
"Was ist?" Rief ich ihm zu. Doch er sagte nichts. Wandte den Blick ab und starrte aufs Eis, doch er sah nicht so aus, als wäre er bei der Sache.
Das Spiel ging in zwei Verlängerungen und war roh und dreckig. Die Schiedsrichter hatten einiges zu tun. Doch am Ende konnten die Penguins nichts gegen das 2:0 tun. Dementsprechend waren sie alle Uch drauf. Dex versuchte sich an einem Lächeln, doch er schien jedes Tor so persönlich zu nehmen. Immerhin war er nicht allein auf dem Eis und nur die letzte Instanz. Bei einer guten Verteidigungen kam der Puk nie beim Tor an. Sie hatten alle verloren. Selbst Scott.
Es dauerte keine Minute bis das gesamte Team neben ihm stand und ihn begrüßte. Man sah, wie gerne er gemocht wurde.
Und ich sah, wie aus Scott ein anderer wurde. Ein offizieller Scott Knight.
Ich ließ ihm ein paar Minuten Zeit und beobachtete ihn. Erlaubte mir ein paar Minuten in meinen Träumereien zu versinken.
Er war gutaussehend. Ich war nicht ansatzweise in seiner Liga. Aber in den letzten Wochen war mir vieles an ihm aufgefallen, dass ich nicht wusste.
Zum Beispiel dieses Stirnrunzeln wenn er mit den Gedanken abschweifte. Oder die Art wie er lächelte, wenn er einen dreckigen Witz machte.
Wie viel er über Musik wusste und wie vielseitig das war.
Wie gerne er Teil eines Teams war, ob es nur er und ich, oder die ganzen Jungs waren. Wie wenig er über seinen Vater sprach, obwohl seine Mutter das Thema ständig anschnitt.
Wie er mich ansah, wenn er glaubte ich sah ihn nicht an. Naiverweise glaubte ich tatsächlich daran das es was zu bedeuten hatte. Aber mir war klar, dass das albern war. Immerhin hatte ihn meine Schwester gerade verlassen. Er stand auf ultraschlanke, wunderschöne Frauen. Wie Lilly.
Ich war felsenfest davon überzeugt, dass er mich mochte. Als Freund.
"Na in welchem Traumland drückst du dich rum?" Riss mich Dex aus meinen Gedanken und erschreckte mich ein wenig.
"Oh nur hier und da." Wich ich aus, als wäre ich nicht gerade ertappt worden. Er folgte meinem Blick. "Wie geht es ihm? Machst du dir Sorgen?" Wollte er wissen und ich schüttelte den Kopf. "Scott macht sich großartig. Ich glaube es ist gut für ihn mal wieder rauszukommen." Dex nickte. Überlegte aber. "Und für dich wäre es auch mal gut rauszukommen. Lass uns wieder mal ausgehen!" Sagte er und ich lachte auf. "Geschmeidige Überleitung!" Auch er lachte.
Dann spürte ich Scotts Hand in meinem Rücken. Er blieb neben mir stehen. Nah. Mein Herz machte einen Satz und begann dann in meiner Brust zu galoppieren. Reiß dich gefälligst zusammen!
"Können wir nach Hause, Harper?" Fragte er und sah mich an, schenkte Dex nicht einen Blick. Ich lächelte. "Klar, wenn du möchtest können wir sofort los." Erklärte ich ihm freundlich. Noch im Auto hatte ich gesagt, dass wir sofort fahren würden, wenn er los wollte.
"Dex ich komme auf dein Angebot zurück." Erklärte ich und zwinkerte ihm zu, doch Scott griff nach meiner Hand und zog mich, mit zwei umständlichen Schritten, weg.
"Ist alles in Ordnung?" Fragte ich ihn, als die Autotür hinter uns geschlossen war. "Alles bestens. Was soll sein?" Ich hörte, dass er wütend oder zu mindest genervt war, sagte aber nichts weiter, sondern beschloss das Thema zu wechseln.
"Ist es okay, wenn wir meinem Dad noch schnell was zu essen vorbei bringen?" Fragte ich ihn, doch er zuckte nur mit den Schultern. Er benahm sich wie ein bockiges Kind.
Also fuhr ich zum nächsten Burgerladen und stieg aus. Vielleicht würde ihn, das strikt verbotene Zeug, aufmuntern? Ich bestellte genügen Essen für fünf Leute und wartete.
Was war passiert, dass seine Laune so schnell wieder umgeschlagen war? So hatte er auch ausgesehen an dem Abend, als er so betrunken gewesen war.  Hatte er an der Trennung von Lilly zu knabbern? Oder ging es um Eishockey? Ich hatte ihm erklärt, dass er bald wieder aus Eis konnte. Das sie verloren hatten, würde ihn doch nicht so aufregen, oder?
Schweigend packte ich das Essen auf die Rückbank und stieg ein. Reichte ihm aber den Becher mit dem Vanilleshake.
Perplex blinzelte er. "Ist das ein Test?" Wollte er wissen und sah mich fragend an. Ich lachte auf. "Nein, das ist ein Vanille-Milchshake." Er nahm ihn zögernd. "Früher hast du ständig einen in den Fingern gehabt." Sagte ich und dachte daran, dass er als Kind immer Vanille- Milchshakes getrunken hatte. Manchmal vielleicht auch einen blauen Slushi.
"Ich hab schon ewig keinen mehr gehabt." Erklärte er leise und ich nickte. Immerhin war das nicht gerade eine Vitaminbombe.
"Du erinnerst dich daran, dass ich früher immer Milchshakes getrunken hab?" Hakte er ungläubig nach ich nickte. "Ich erinnere mich an eine ganze Menge von früher." Sagte ich ehrlich. Ich hatte mir alles von ihm eingeprägt. Jedenfalls das was mir wichtig erschien. Die Milchshakes waren wichtig.
Wir fuhren in unsere Straße und es bildeten sich Steine in meinem Magen dieses Gefühl  hatte ich seit dem letzten Rückfall immer wenn ich herkam.
"Wieso merkst du dir solche Dinge immer?" Fragte er gerade, als ich vor dem Haus hielt. Er wirkte überrascht. Die Frage war auch vermutlich rhetorisch.
Trotzdem sagte ich belustigt: "Na weil ich total in dich verliebt war."

ICECOLD - 1 - Scott KnightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt