"Ich kann das nicht mehr. Wir sitzen nur zuhause rum. Er redet nicht mir mir und wenn ist er wütend auf mich. Ich kann doch nichts dafür, dass ich noch laufen kann. Soll ich deswegen immer nur zuhause sitzen?" Etwas fassungslos starrte ich Lilly an, die sich gerade eine Hand von meinem Popcorn nahm und es sich in den Mund schaufelte. "Und dann ist da noch seine Mutter. Urgh! Die Frau macht mich wahnsinnig. Sie verlangt von mir, dass ich alles für ihn mache. Dabei haben wir doch Personal dafür." Sie schüttelte den Kopf und ich starrte sie an.
Der Unfall war mittlerweile sechs Wochen her und Scott hatte die Nacheichten nicht gut aufgenommen.
Es gab hunderte Arten wie ein Patient reagierte, doch sie alle ließen sich in zwei Kategorien einordnen. Entweder die Patienten begegneten mit Optimismus und Motivation einer Situation mit der sie nicht umgehen konnten, nicht das es auch bei ihnen mal dunkle Tage gab, oder aber sie reagierten mit Verbitterung und Wut. Scott gehörte zur zweiten Sorte.
Ich hatte mich selbst dafür eingesetzt jemanden für sein häusliches Training zu finden, den ich für gut hielt. Marc DeFilipo war jung und motiviert. Seine Ausbildung tadellos. Er ließ es sogar zu, dass ich jeden Trainingsplan, jede Kleinigkeit kontrollierte und korrigierte. Doch Scott sprang auf nichts an. Er nahm ihn nicht ernst und begegnete jedem der ihm helfen wollte mit Verachtung.
Mir war klar, dass es schwer werden würde und das Scott für eine gewisse Zeit allem und jedem die Schuld geben würde. So waren die meisten Menschen. Sie verstanden das Unrecht einfach nicht.
Ich konnte Lillys Wur sogar irgendwo verstehen. Es war nicht einfach sich um jemanden zu kümmern, der eben genau so war, wie Scott es im Moment war. Und Lilly war nie jemand gewesen, der sich besonders fürsorglich kümmerte. Das war sie einfach nicht. Doch es überraschte mich, mit wie viel Gleichgültigkeit sie die Situation mittlerweile sah.
Dazu kam, dass Abi und Lilly nicht gerade die besten Freunde waren und es vermutlich nie sein würden. Dadurch das Abi aber bei ihnen eingezogen war, hatte sich die Situation hochgespitzt.
"Kannst du nicht etwas machen?" Fragte Lilly mich und ich starrte sie an. "Und was genau soll ich tun? Außer das, was ich schon für ihn tue?" Fragte ich verwirrt. Ich war zweimal die Woche in dem großen Haus und besprach die Fortschritte mit Marc. Nun nur das es in den letzten zwei Wochen keinerlei Fortschritte gab. Eher im Gegenteil.
Die Hüfte war zwar gut am heilen, doch war Scott durch die Verwachsung etwas steif. Wir versuchten seine Bänder dahingehend anzupassen. Wollten aber auch keine Überweisung auslösen, denn das würde nur eine weitere Pause einfordern. Die Hämatome waren gerade mal alle verheilt und sich akut zu stressen, würde niemandem helfen.
Die Penguins hatten die Meisterschaft verloren, was kaum eine Überraschung sein durfte, denn beim Spiel waren alle irgendwie bei Scott.
Und bis zur neuen Saison waren es keine fünf Monate mehr. Nicht genug Zeit um ihn wieder ins Spiel zu bringen. Doch wenn wir uns anstrengten, würden wir vielleicht bis zur Mitte der Saison mit leichten Training beginnen können.
Der einzige der sich quer stellte war Scott.
"Rede mit ihm. Du machst das doch jeden Tag." Ich schnaubte. In den letzten Wochen war ich Scott kaum unter die Augen getreten und ganz ehrlich, mir ging es besser. Denn mittlerweile konnte ich ein professionelles Verhältnis mit ihm bilden und meine Gefühle beinahe vollständig unterdrücken. Würde ich ihn allerdings jeden Tag sehen... ich glaubte nicht, dass ich meine Gefühle noch im Zaum halten konnte. Und es würde mir das Herz brechen. Also musste ich mich beschützen.
Vielleicht würde er mir aber auch auf den Wecker gehen und vielleicht würde er mich damit heilen? Ich wollte ihm nicht unterstellen, dass es ihm nicht schlimm ging, weil es anderen schlechter ging. Das konnte ich nicht sagen. Denn ganz ehrlich, seine Gefühle waren eben nun mal da. Er fühlte was er fühlte und dafür konnte er auch nichts. Sie waren genau so viel Wert, wie die anderer Leute. Doch sein Tunnelblick, nur auf sein Elend konzertiert, würde ihn nicht weiter bringen. Im Gegenteil. Er würde sich nur weiter in seine Misere hineinsteigern und das Loch in dem er saß nur noch tiefer graben.
"Sag ihm dass er bald wieder auf die Beine kommt, wenn er ein bisschen raus geht." Schlug Lilly vor und ich schnaubte. "So funktioniert das aber nicht." Erklärte ich ihr. "Und ich werde ihn garantiert nicht für dich anlügen." Das verlangte schon die Berufsehre. Niemals würde ich meine realistische, professionelle Meinung für Lilly zurückhalten und schon gar nicht beschönigen. Nicht wenn es nicht das beste für den Patienten ging. Denn hier ging es nicht um Lillian Rudolph, sondern um Scott King. Allerdings schien Lilly das noch nicht begriffen zu haben.
"Ich will ja nicht, dass du ihn anlügst. Aber das du ihn ein wenig aufbaust. Über Eishockey redest oder so..." Blinzelnd sah ich sie an. Ich sollte ihn also aufmuntern, während ich darüber sprach, was er liebte, aber nicht mehr tun konnte? Für eine ziemliche Weile? Nun das klang nach Spaß.
"Ich denke nicht, dass ihn das aufmuntern würde. Außerdem bist du doch dafür da. Ich weiß nicht, guckt Filme die er mag. Kocht zusammen, hört Musik, spielt Spiele." Lilly blickte mich skeptisch an. Als hätte ich den Verstand verloren. Doch man konnte eine Menge tun ohne das Haus zu verlassen. Und da Scotts Mutter das gesamte untere Geschoss rollstuhlgerecht umgebaut hatte, sollte es keinerlei Probleme für ihn geben, sich zu bewegen.
"Ich weiß nicht was er für Filme mag und kochen...?" Sie lachte ungläubig. "Du weißt, dass ich nicht kochen kann." Die restlichen Ideen fing sie nicht einmal auf. Als wäre das idiotisch.
"Bitte, Harp. Rede mit ihm. Auf dich wird er vielleicht hören." Wieder schnaubte ich. Warum sollte er? Ich konnte ihm doch nichts anderes sagen, als alle anderen auch. "Ich fände es sowieso besser, wenn du die Übungen mit ihm machen würdest. Marc ist einfach..." Schnell hob ich die Brauen? "Marc ist was?" Wollte ich wissen. Er war gut in seinem Job. Das wusste ich. "Er ist einfach nicht du."
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ICECOLD - 1 - Scott Knight
RomanceUnsere Blicke verschränkt sich ebenso fest miteinander. "Harper." Flüsterte er, als könnte er kaum glauben, dass ich hier war. Vor ihm stand. Langsam hob ich meine andere Hand und legte sie an seine Wange. Die Wärme seiner Haut zog direkt in mich e...