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Ich bemerkte das Bild in meiner Hand.
"Ach Phoebe, hier ist noch dein versprochenes Portrait von ihm und um deine Projektarbeit kümmer ich mich noch."

"Alles klar, aber bitte mach dir keinen Stress damit, es eilt nicht."

"Alles klar, dann bis später."

Wie aufs Stichwort klingelte es und Mella und ich verabschiedeten uns von Phoebe.

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Amella räusperte sich, um mir was zu sagen. Was genau, wusste ich leider nicht. In dieser Art von Mitteilung war ich immernoch genauso schlecht wie vor Wochen. Als Eymen vor uns gelaufen war und ich Amella von ihm vorgeschwärmt hatte, hatte sie versucht, mich auf eben diese Tatsache aufmerksam zu machen. Was mehr oder weniger funktioniert hatte. Eher weniger.
Deshalb konnte ich sie jetzt wider nur verwirrt ansehen.

"Was war das denn für eine witzige Aktion in Deutsch letzte Woche?"

Wir waren uns gerade am Aufwärmen in Sport, als ich eine ungeliebte tiefe Stimme hinter mir hörte. Nicht Joshua auch noch. Die Sache mit den Spitznamen war eine idiotisch Idee gewesen, damit hatte ich die Jungs offenbar unbewusst auf mich angesetzt. Und Mella hatte mich noch gewarnt.
Steiger dich da nicht zu sehr rein. Nein, überhaupt nicht.
Ich sollte mich am besten von den Jungs distanzieren.

"Was willst du?", versuchte ich es so abweisend wie möglich.

"Wenn ich dir in Deutsch Nachhilfe geben soll, wäre es vielleicht eine Grundlage, wenn du in den Unterricht kommst, anstatt deiner Freundin, die dir zugegebenermaßen ziemlich ähnlich sieht."

Ich schnaubte genervt und dehnte den anderen Arm.

"Warum warst du eigentlich da, anstatt mit deinen Kumpels Hühner zu jagen?"

Amella neben mir lachte leise bei meinem ironischen Kommentar.
Dabei sollte es ein Spitzenhieb sein. Offenbar war ich nicht nur in Sport eine Niete, sondern auch in Deutsch und Rethorik.

"Ich will mich eben weiterbilden.", verlegen kratzte er sich im Nacken.

"Das hast du auch dringend nötig."
Trotzig verschränkt ich die Arme vor meiner Brust.

"Und du auch, besonders in Deutsch. Deshalb will ich dir doch Nachhilfe geben." Er klang irgendwie fast verzweifelt, aber das interessierte mich nicht die Bohne. War ich seine Gute-Tat?

"Deshalb willst du mir Nachhilfe geben? Aus Mitleid? Das ist erbärmlich."

Ich drehte mich demonstrativ um und  ließ die Hüfte kreisen, als weitere Aufwärmübung.

"Weißt du, was erbärmlich ist?"

Er stellte sich vor mich. Ich sah auf seine Füße. Ich hatte mal gehört, wenn man das lang genug bei einer Person macht, schaut sie woanders hin. So ein psychologisches Ding.
Aber er ließ nicht von mir ab, vielleicht war er ja psychisch gestört?

"Wenn man ein Talent zum schreiben hat wie du, es aber nicht ausschöpft, anstatt einen Zugang zu diesem Talent zu suchen und Hilfe anzunehmen."

Abgesehen von dem Teil, in dem er mich erbärmlich nannte, hatte das ja fast schon nett geklungen.
Ich hob meinen Blick.
Sauer machte er einen Abgang.

"Hast du das alles mitbekommen, Mella? Ist das nicht ein richtig richtig komischer Traum?"

"Nope, Joshua ist grad wirklich volle Kanne an die Decke gegangen, weil du nicht sein Nachhilfeangebot annimmst, das er dir beim Spiel aufgedrückt hat."

"Irgendwie komm ich nicht mehr ganz hinterher."

"Ich auch nicht."

Herr Gebhardts schrille Pfeife Schnitt die Luft. Wir versammelten uns um ihn.

"Also, heute ist nochmal Training mit den Jungs angesagt, wie ihr unschwer erkennen könnt. Das passt eigentlich sogar ganz gut, so habt ihr einen ehrwürdigen Gegner. Wie wir es schonmal gemacht haben, werdet ihr heute wieder gegeneinander spielen. Mit dem Unterschied, dass es heute benotet wird. Genug geübt haben wir dafür ja schon. Wir machen noch vier gleich große Teams, zwei werden immer spielen, die anderen sitzen auf der Wartebank. Dann kann's ja auch schon losgehen."

Wieder stieß er einen ohrenbetäuben Pfiff aus. Es wurde durchgezählt, Mella und ich waren zum Glück in einem Team und Joshau im gegnerischen. Somit konnte ich meine Wut, die ich irgendwie hatte, an ihm auslassen und sinnvoll für unser Team einsetzen.

Die erste Runde waren die anderen dran und wir hielten ein Nickerchen auf der unbequemsten Bank der Welt.
Dann weckte uns wieder der ekelhafteste Ton, und es war nicht mal Joshs Stimme.

Wieder hellwach nahmen wir unsere Positionen ein.

"Wir werden gegen diesen erbärmlichen Deutschklugscheißer gewinnen.", sagte ich viel mehr zu mir als zu Mella.

Ich wollte nicht gegen ihn verlieren. Genau wie beim ersten Mal würden wir ihn platt machen. Eiskalt und rücksichtslos.

Vollkommen überzeugt stampfte ich in Richtung Joshua.
"Lilah, was machst du?", hörte ich noch Mella hinter mir. Wahrscheinlich hätte sie mich aufgehalten, wenn sie gewusst hätte, was ich vorhatte. Im Nachhinein wäre das auch gar nicht so schlecht gewesen.

Vor Joshua tippte ich ihm fest an den Rücken. Und musste feststellen, dass da kein Speck war, wie erwartet. Die Rückenpartie war fest und muskulös. Eine weitere Falscheinschätzung.
Er drehte sich um. Und ich räusperte mich.

"Wenn wir gewinnen, und wir werden gewinnen, lässt du mich mit deinem Nachhilfegefasel in Ruhe. Und für den unrealistischen Fall, dass dein Team gewinnt, fangen wir heute noch mit der ersten Nachhilfestunde an."

Zunächst verwirrt, dann entschlossen nickte er.

"Deal."

Perfektes DramaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt