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So baumelten meine Beine weiterhin im Freien und Josh beklagte sich nicht über mein Gewicht, nicht einmal in einem kurzen Satz.

"Weißt du, du hättest nicht auf die Schmerztabletten verzichten müssen, nur um mir zu beweisen, wie stark du bist."

"Und du müsstest mich nicht tragen, um mir zu beweisen, wie stark du bist.", konterte ich und versuchte im regelmäßigen Rhythmus seiner Schritte nicht wegzudänmern.
Das alles hatte mich dann doch ziemlich mitgenommen.

"Naja, wenn du laufen würdest, wären wir noch ein paar Jahrhunderte unterwegs, und das ist mir meine Zeit dann doch nicht wert, kleine Delilah."

Der neckische Unterton war mir nicht entgangen und irgendwie hatte er recht. Zumindest mit dem Part, dass wir eine halbe Ewigkeit brauchen würden, wenn ich vor Erschöpfung zitternd den Weg auf eigenen Beinen laufen sollte.

Also ließ ich das Thema lieber sein und schwieg.

Und dann war ich wieder wach.
Eigentlich wollte ich den abwechslungsreichen
Waffenstillstand nicht gefährden, es war tatsächlich gerade wirklich angenehm, in Joshua's Gegenwart zu sein - aber trotzdem ließ ein Gedanke mich nicht los. Okay, eigentlich waren es zwei.

"Ey, Joshua."

"Mhm?", kam es, von einem entspannten treppensteigenden Jungen zurück. Allein das verstand ich  nicht. Wie konnte man 60 Kilo tragen, als ob es nichts wäre, dabei Treppen laufen und entspannt sein? Ein Mysterium war er definitiv immernoch. Aber nicht mehr von der abstoßenden Sorte. Was wiederum nicht heißen sollte, dass er anziehend war-

"Delilah?"

"Hm?"  Erschrocken blickte ich auf. Wieder war da dieses Schiefe Lächeln in seinem Gesicht.
Dieser Junge mochte es wirklich, sich über mich lustig zu machen.

"Wolltest du nicht was fragen?"

Am besten gleich zur Sache kommen.

"Weshalb habe ich eine Gehirnerschütterung?"

"Du bist in Sport hingefallen und dein Kopf ist heftig auf dem Boden aufgeprallt."

"Bin ich dann bewusstlos geworden? Ich kann mich an nichts mehr erinnern."

"Ja. Du sahst halbtot aus, wie du da so reglos gelegen hast."

Das musste ich erstmal verdauen.
Ich erinnerte mich nur noch an den Aufprall und dass das höllisch weh getan hatte, an sonst aber nichts mehr.

"Warum ist Amella nicht mit mir zum Sanni gegangen?"

"Kann Amella dich durch zwei Schulgebäude tragen?"

"Eins zu Null für sich.", gestand ich meine Niederlage ein.

"Apropos, das Spiel steht unentschieden, sie spielen zwar weiter, aber da du außer Gefecht gesetzt bist, zählt das für mich nicht.
Und weil du verwundet bist, bin ich mal nicht so und gestehe dir ein, dass wir das Spiel nächste Woche nachholen. Dann können wir unsere Wette nachholen."

"Ui, toll." Ich rollte sie Augen. Wie gnädig von ihm. Wenigstens war ich ihn für heute los. Wir kamen in der Sporthalle an und er setzte mich auf die Bank. Es war schon komisch, sich zu bewegen und dabei so passiv zu sein.
Ich war froh, als ich Amella sah und sie zu mir auf die Bank kam.

"Wie geht's dir?"

"Joa, könnte besser aber auch schlechter sein."

"Du hast keine Schmerzmittel genommen, obwohl du gekonnt hättest, oder?"

"Nö, wie kommst du darauf?"

"Du bist so blass wie Schneewittchen, nur ohne das schöne Augengeklimper."

"Vielen Dank auch."
Ein keines Grinsen konnte ich mir dann doch nicht verkneifen.

"Warum kann ich nicht einfach sauer sein, wenn ich will?"

"Das konntest du noch nie.", kommentierte Mella wahrheitsgemäß.

"Und vorallem kann ich nicht mal sauer auf Josh sein!"

"Josh also? Nicht mehr Nase und nicht mal Joshua? Josh?"

Hatte ich Josh gesagt? Nein!

"Ich hab Josh gesagt, nicht Joshua!", wehrte ich mich vehement gegen die Anschuldigungen meiner Freundin.

Die jetzt nur grinsend den Kopf schüttelte und nichts weiter dazu sagte. Warum war ich heute zum Objekt der Unterhaltung geworden?

"Delilah, ich versteh, dass du absolut K. O. bist. Wie wärs: Warum rufen wir nicht einfach deine Mutter dann, dass sie dich abholt. Ich glaube, Bettruhe könntest du jetzt gut vertragen."

"Und sie muss noch zum Arzt und sich ein Attest für Schmerzmittel geben lassen. Auch, wenn sie es abstreitet, braucht Lilah sie.", blökte es von hinten.

Erstaunt sah mich Mella an.

"Lilah also?", grinsend sah sie mich an.

"Das ist mir neu!", versicherte ich ihr.

"Ich hab ihm gar nicht erlaubt, mich Lilah zu nennen!"

"Du meinst, so wenig, wie er dir erlaubt hat, ihn Josh zu nennen."

"Ich hab Kopfweh.", das war keine Lüge und außerdem sollte mir diese Tatsache doch auch mal mindestens einen Vorteil verschaffen, um dem Verhör meiner Freundin zu entkommen.

"Und woher weiß er davon, dass du die Schmerzmittel wirklich brauchst?"

"Wahrscheinlich von den Heinzelmännchen, die ihm erlaubt haben, mich Lilah zu nennen. Keine Ahnung."
Aufgeregt warf ich meine Hände in die Luft.

"Amella, ich glaub sie muss nach Hause, ansonsten wird sie noch ganz ausfallend.", kam es von der anderen Seite der Halle.

Was fällt ihm ein!
Bevormunden lasse ich mich sicher nicht.

Da hielt mir Mella ihr Handy ans Ohr.
"Keine Sorge Delilah, ich komme dich gleich abholen."
Das war meine Mutter. So viel zum Thema Selbstbestimmung.

Perfektes DramaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt