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"Ähm Leute, guckt mal."
Diese Aufforderung war mehr als überflüssig, denn Phoebe und ich beobachteten sie schon eingehend mit Argusaugen. Irgendwas stimmte hier nicht.

Zunächst entsperrt sie ihr Handy mit dem ellenlangen 14-teiligen PIN, den sie nur hatte, damit ihr Bruder keine Dummheiten an ihrem Handy veranstaltete.
Dann sah man ihren Hintergrund, ein Bild vom Sonnenuntergang, wobei wir uns für eine Zeit lang jeden Abend mit solchen Bildern duelliert hatten, welcher wohl den dramatischerern Sonnenuntergang fotografiert hatte.
Und jedes Mal hatte sie gewonnen, weil sie das neuere Handy mit der besseren Kamera hatte.
Das waren ja nicht mal faire Wettbewerbsbedingungen gewesen!
Naja, dafür hatte ich ein paar traumhafte Bilder auf meinem Handy abgestaubt, die sie mir geschickt hatte.

Wie auch immer, zuletzt öffnete sie ihr Snapchat und den neusten Snap, den sie bekommen hatte.
Der Bildschirm zeigte den nackten trainierten Oberkörper eines Jungen mit ordentlich ausgeprägtem Sixpack. Das Bild war ein Querschnitt, weshalb das Gesicht war nur halb zu sehen.
Und der Teil, der zusehen war, sah Eymens Gesicht verdammt ähnlich.
Auch dieser olivfarbene Surferteint würde passen. Und eine dunkle Locke, die ihm frech und vorwitzig ins Gesicht hing.

"Leute, ist das..." Ich wollte nur sichergehen, dass ich mir hier nichts abstruses zusammenreimte.

"Eymen.", beendete Mella meinen Satz und bestätigte somit meine Vermutung.

Was zum Henker ging denn mit dem bitte ab?

"Von Mal zu Mal sinkt sein Ansehen in meinen Augen immer mehr.", gestand Phoebe unter Kopfschütteln ein.

"Aber echt."

Sie hatten recht, aber die Enttäuschung darüber ließ sich ebenfalls nicht leugnen. So endete also die Geschichte mit unserem Südländer.

"Hey, Nase.", kam es von der anderen Straßenseite. Einer seiner Jungs klopfte Joshua grüßend auf den Rücken, während er keck zu uns rüber linste.

"Leute, Swenja."

Erst jetzt fiel mir auf, wie lange wir dieses Codewort schon nicht mehr verwendet hatten, weil es einfach überflüssig war. Die Menge der Blicke hatte einfach dermaßen zugenommen, dass man gefühlt den ganzen Tag rumlaufen und Swenja rufen könnte. Irgendwann würde sich am Ende des Tages tatsächlich noch eine Swenja melden, weil es sich nach einer Suchaktion angehört hatte.

Oh Mann, diese Spitznamen.

"Woher kennt Josh seinen Spitznamen?"
Entgeistert blickte Mella in die Runde.
Phoebe tat es ihr gleich.

"Ähähäh.", verlegen lachte ich, was die Intensität ihrer fragenden Blicke nicht milderte.

"Also wir hatten heute DS und dann haben wir ein bisschen miteinander gezankt, wie immer eigentlich, bloß, dass wir dieses Mal auf der Bühne gestanden haben und alle zugehört haben. Was mir erst klar wurde, als applaudiert wurde."

"Okay, das ist nochmal ein Gespräch für sich wert, aber woher weiß er das mit seinem Spitznamen?", beharrte Amella auf ihrer Frage.

"In meiner Wut hab ich ihn ausversehen so genannt."

Beide im Chor.
"Was?"

"Er hat mir den Spitznamen Dornröschen verpasst, und - ich seh ihr doch gar nicht ähnlich! - darüber hab ich mich dann aufgeregt. Darauf meinte er nur, er sehe Yoshi ja auch nicht ähnlich. Und da sind mir seine grünen Augen aufgefallen. Und sein schiefes Lächeln. Und die verwuschelten dunkelbraunen gewelllten bis leicht lockigen Haare. Und-"

"Okay, jetzt krieg dich mal wieder ein, Lilah."

Was sollte das denn jetzt.

"Ich hab mich doch gar nicht aufgeregt! "

"Okay, okay.", beschwichtigend hob Mella ihre Hände.

"Ich hatte in der letzten Zeit schon das Gefühl, dass sich Joshua verändert hat. So, im Vergleich zum Anfang des Schuljahres."

Erst das machte mir so richtig bewusst, dass dieses ganze Hin und Her fast schon ein ganzes Jahr geht, das Schuljahr neigte sich allmählich dem Ende.

"Du hast Recht.", stimmte ihr Mella zu.

Von mir bekamen sie nur ein nachdenkliches Mhm.

Es brachte mich aber wirklich zum Nachdenken.

Und dann klingelte es.
Erst zur fünften Stunde, dann zur sechsten und dann zum Schulaus.

Unter normalen Umständen hätte ich mich gefreut und wär freudestrahlend aus dem Gebäude gerannt. Zumindest wäre ich in dem Mood dafür gewesen. Aber jetzt gerade war ich einfach nur in Gedanken. Ich konnte nicht einmal sagen, woran ich dachte.
Ich war einfach... in Gedanken.

Phoebe war heute nicht an der Haltestelle, sie hatte acht Stunden, weshalb ich nebenbei wieder die Kopfhörer einstöpselte.
Es lief Disconnected von 5SOS.
Und in diesem Moment verband sich mein Blick mit Joshuas.

Das war doch nur Zufall. Um meine abwegigen, unrealistischen, kitschigen Gedanken zu verjagen, sah ich weg und schüttelte ich nur leicht den Kopf.

Nein, Delilah, dieser Gedanke war doch verrückt. Du magst ihn doch nicht mal.

Ich machte das nächste Lied an.
Rude von Magic!.

Why you gotta be so rude?
Don't you know I'm human too?
Why you gotta be so rude?

Genervt ließ ich mich Zuhause auf meinen Schreibtischstuhl fallen, nahm einen Bleistift und mein Sketchbook zur Hand und zeichnete, das einzige, woran ich gerade denken konnte. Und ich musste mir eingestehen, dass es Joshua war.

Perfektes DramaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt