Kapitel 11 - Eifersucht

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Wenige Tage später fuhren die Tilbury's in die Stadt. Die Ballsaison rückte unaufhörlich näher und Lucy Tilbury konnte Lord Henry und Lady Helen Tilbury überreden, neue Tanzkleider nähen zu lassen. Louisa verspürte ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend bei dem Gedanken, Zeit mit ihrer älteren Schwester zu verbringen. Ihre boshaften Worte hallten noch immer in ihren Ohren wieder. Lucy hingegen schien keinerlei Erinnerungen an den Nachmittagstee bei Mr. Arthur Egerton auf Heathermoore Abbey zu hegen.

Freudestrahlend schwärmte sie während der Kutschfahrt über die Londoner Gesellschaft, die Aristokraten und die abendlichen Bankette. Louisa hatte sie selten glücklicher gesehen. Auch wenn ihre gute Laune der jungen Mrs. Tilbury ein Lächeln ins Gesicht zauberte, kam sie nicht umhin darüber nachzudenken, was Lucy's Sinneswandel bewirkte. Sie konnte in Windeseile ihre Emotionen wechseln, von Freude zu Wehmut, von Wut zu Reue. Edward Pembroke schien ebenfalls mit seinen Gedanken abzuschweifen. Zwar lauschte er ihren Worten, andererseits bemerkte Louisa, dass sein Blick über die vorbeiziehende Landschaft schweifte. Die junge Mrs. Tilbury hätte zu gern gewusst, was in seinem Kopf vorging.

„Oh Louisa, hast du dir schon eine Farbe für dein Kleid überlegt?" Lucy richtete ihre großen, hellblauen Augen auf ihre jüngere Schwester. „Vielleicht ein saphirblauer oder ein rubinroter Satin."sprach Louisa ihre Gedanken aus. „Aber diese Farben sind von der letzten Saison Lou! Dieses Jahr werden die Londoner Herrschaften sicherlich Sonnengelb oder Pastellorange tragen." Louisa unterdrückte ein Seufzen. Ihre Schwester schaffte es immer wieder Fehler an ihr zu finden, die sie ihr brühwarm auftischte. „Außerdem bist du doch keine alte Jungfer, deren Ballsaison die letzte Aussicht ist."führte Lucy ihren Gedanken fort. Bevor die junge Mrs. Tilbury die Worte verschlucken konnte, glitten sie bereits über ihre Lippen. „Nun, das hast du vor wenigen Tagen noch anders gesehen." Louisa bemerkt wie Edward eine angespannte Haltung einnahm. Lucy's Lächeln gefror auf ihren Lippen und ein dunkler Schleier legte sich über ihr Gesicht. Doch statt einer weiteren Entschuldigung, wandte sie nur den Blick aus dem Fenster. „Perspektiven können sich verändern." In ihrer Stimme schwang ein kühler Unterton mit. Normalerweise hätte Louisa ihre Worte bereits bereut, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie ihrer Schwester endlich Parolie bieten musste. Sie wollte nicht zulassen, dass ihr die ältere Mrs. Tilbury noch einmal die Tränen in die Augen trieb. Schon garnicht vor Sir Edward Pembroke.

Die restliche Kutschfahrt verlief schweigend. Louisa konnte die Spannung im Inneren des Gehäuses spüren, doch sie wollte keinesfalls ein Gespräch beginnen. Lieber wäre sie im Sitz versunken. Der Trubel im Stadtinneren vertrieb das mulmige Gefühl aus ihrer Magengegend. Anmutig gekleidete Damen mit Spitzenhauben schritten an den Schaufenstern vorbei, tratschten über die neusten Gerüchte, die in Somerset die Runde machten. Auch Lucy vergaß die Situation in der Kutsche vollends, als sie vor der Schneiderei stehen blieben. Ausstellungspuppen im Schaufenster waren in gesteckte Roben gewickelt. Das satte Grün der Stoffe erinnerte Louisa an die weiten Wiesen und Wälder von Waterlilies Park.

Sie betraten das Innere der Schneiderei. Nachdem das Glöckchen über der Tür verstummte, schwebte eine Frau hinter einem Vorhang, der den Laden vom hinteren Teil des Gebäudes abtrennte, hervor. Ihr breiter Hut war mit Blüten und Rüschen verziert und stieß beinahe an jeder Stoffpuppe und jedem Regal an. „Wie schön, Mrs. Lucy und Mrs. Louisa Tilbury." Sie zwang die Schwestern in eine stürmische Umarmung und Louisa wich gekonnt dem monströsen Hutmonster aus. „Es freut uns ebenfalls, Lady Swan." begrüßte Lousia die Schneiderin und alte Freundin der Familie Tilbury. Lady Swan's Blick schweifte zu Edward Pembroke. „Oh, wer ist denn der gut aussehende, junge Mann?"

„Das ist Sir Edward Pembroke, mein Verlobter, er ist aus London zu Besuch hier in Somerset." stellte Lucy ihren zukünftigen Ehemann vor und griff nach seiner Hand. Edward lächelte der Schneiderin freundlich zu. „Davon wusste ich ja noch gar nicht. Das freut mich zu hören Lucy, so ein stattlicher, junger Aristokrat. Er kann sich glücklich schätzen dein zukünftiger Mann zu werden." Louisa wendete den Blick ab. Sie fühlte sich überflüssig. Stattdessen widmete sie ihre Aufmerksamkeit den samtenen Handschuhen und mit Spitze besetzten Hauben.

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