Kapitel 10 - Willkommen in Heathermoore Abbey

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Mit dem Gebäck und dem Kuchen hatte sich Mr. Egerton selbst übertroffen. Biskuits türmten sich neben Petit Fours und Macarons auf silbernen und gold verzierten Etageren. Auch die Teeauswahl lies nicht zu wünschen übrig. Bei dem Anblick der Köstlichkeiten lief Louisa das Wasser im Mund zusammen. Natürlich wusste sie, dass sie von den Häppchen nicht allzu viel essen durfte, schließlich waren ihre Mutter sowie auch Lady Barton stets darauf bedacht, dass sie ihre schlanke Figur bewahrte. Trotzdem kam es ihr unverschämt vor, würde sie die Küchlein unangerührt lassen. Gespräche über das Wetter, den Klatsch und Tratsch der Grafschaft sowie die nächste Ballsaison füllten den ausladenden Salon mit Heiterkeit. Louisa war von dem Einrichtungsstil des Anwesens überwältigt. Sie war sich sicher, dass die Möbel aus der aktuellen französischen Kollektion stammen musste. Arthur hatte anscheinend reichlich Geld von seinem verstorbenen Vetter Sir William geerbt, der ihm Heathermoore Abbey vermacht hatte.

„Oh Mr. Egerton, es ist uns eine Freude sie endlich kennenzulernen. Haben sie denn vor das Anwesen zu verpachten oder werden sie in Somerset bleiben?"Lucy musste ihre Neugier zügeln, schließlich schickte sich diese für eine junge Dame ihres Standes nicht, doch Louisa entdeckte das aufregende Blitzen in ihren hellblauen Augen. Arthur lächelte nachdenklich. „Nun, ich bin noch nicht ganz sicher. Zur Zeit habe ich noch einige Dinge in London zu erledigen, weshalb ich vorerst nicht viel Zeit in Somerset verbringen werde. Doch spätestens ab nächstem Frühling möchte ich mich hier zu Ruhe setzen, vorausgesetzt meine Geschäfte erlauben es mir." Die junge Mrs. Tilbury bewunderte das Verantwortungsbewusstsein des jungen Gentleman. Er war kaum 24 Jahre alt und sorgte bereits für seine Zukunft so wie die von Heathermoore Abbey.

Neben dem Gefühl der Ehrfurcht verursachten die kleinen, tanzenden Schmetterlinge in ihrem Bauch eine unglaubliche Wärme in ihrem Herzen, beim Anblick von Arthur. Mit den Augen zeichnete sie die Konturen seines markanten Gesichts nach. Die feinen Linien seines Kinn's, die sich über seine Wangen bis zur Stirn hinauf schlängelten. Trotz seiner Attraktivität konnte er mit Edward Pembroke nicht konkurrieren. Ihr Blick schweifte zur anderen Seite des Raums, wo Edward am Kamin lehnte, neben ihm stand die dampfende Tasse Tee. Lucy saß schräg vor ihm in einem Sessel, dessen Stoff ein Meer aus Rosen zierte. Die Beiden wirkten wie ein Gemälde, welches ein begabter Maler nach ihrer Hochzeit angefertigt hatte. Der Gedanke verursachte ein mulmiges Gefühl in Louisa's Magen. Sie konnte sich ihre ältere Schwester nur schwerlich als Edward's Frau vorstellen. Bis jetzt war ihr noch keine Gemeinsamkeit zwischen ihnen aufgefallen. Edward war ein Freigeist, der die Natur liebte, gern literarische Schriften las und Spaziergänge aufregenden Erlebnissen vorzog. Lucy hingegen liebte Musik, Tänze und das aufregende, gesellschaftliche Leben in London. Ihr war anzumerken, dass sie die nachmittäglichen Einladungen und ereignislosen Abende in Waterilies Park ermüdeten. Oftmals hörte Louisa ihre ältere Schwester flüstern, dass sie sich in die aufregende Metropole England's zurückwünschte. Zurecht, auch die junge Mrs. Tilbury fand den Gedanken erheiternd, irgendwann selbst an der Ballsaison teilnehmen zu können und junge heiratswillige Gentleman kennenzulernen, auch wenn sie ihr Herz insgeheim bereits verschenkt hatte.

Wieder galt ihre vollste Aufmerksamkeit Edward, der sich nun auf einem Sofa neben Lucy niedergelassen hatte. Den Blick, den er Arthur zuwarf, während dieser eine weitere Anekdote aus seinem Leben erzählte, war schwer einzuordnen, doch das Misstrauen schien ihn gepackt zu haben. Louisa nahm sich vor, ihn bei der nächsten Gelegenheit darauf anzusprechen. Eine Hand legte sich auf ihre und die junge Mrs. Tilbury fuhr herum. Lady Diana Stanhope sah sie eindringlich an. „Wenn du Edward noch offensichtlicher mit deinen Blicken verschlingst, bemerkt er es sofort." flüsterte sie mit einem bestimmenden Unterton in der Stimme. Louisa nickte nachdenklich. Bemerkte Edward Pembroke ihre Schwärmereien, würde dies die Situation nur noch unangenehmer machen.

Lady Barton erzählte Arthur inzwischen von ihrer Gottestat, die Wahl der potenziellen Ehemänner für Louisa übernommen zu haben. Der jungen Mrs. Tilbury war dies sichtlich unangenehm, schließlich wollte sie vor Arthur keineswegs das Bild abgeben, sie wüsste nicht wer gut für sie sei. „Louisa ist ja wirklich ein wundervolles Mädchen, aber bei den Männern eben sehr wählerisch, müssen sie wissen. Dabei hatte ich wirklich eine wunderbare Auswahl getroffen. Allesamt vermögende Gentleman mit riesigen Besitztümern. Aber sie waren der jungen Mrs. Tilbury eben nicht recht. Sehr schade." seufzte Lady Barton. Louisa's Gesicht lief puderrot an und sie senkte beschämt den Blick. Wie konnte eine Dame nur so ungeniert handeln? Sie hatten Mr. Arthur Egerton gerade erst kennengelernt und schon musste er ihre Attitüden und Leidensgeschichten ertragen. Es würde die junge Mrs. Tilbury nicht wundern, wenn er nach dieser Teegesellschaft keinen Fuß nach Waterlilies Park setzen würde.

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