Dicke Regentropfen weckten Louisa aus ihrem tiefen Schlaf. Blinzelnd öffnete sie ihre Augen und wischte sich mit der Hand die Nässe von der Wange. Für einen kurzen Moment blickte sie sich suchend um, dann erkannte sie die eindeutig vergilbten Schemen des alten Pavillon's am Waldrand der Grafschaft. Das Schnauben der Pferde drang aus der Ferne an ihr Ohr. Sie versuchte sich aufzusetzen. Als die Schmerzen blitzartig durch ihren Rücken zuckten, biss sie sich stöhnend auf die Unterlippe. Sicherlich hatten sich einige, blaue Flecken unter ihrem Kleid gebildet. Der Stoff war inzwischen angetrocknet, genau wie die Jacke, die um ihre Schultern gelegt war. Nachdenklich betrachtete sie die goldenen Manschettenknöpfe. Dann dämmerte ihr, wem sie gehörte. Mit einem Blick auf die gegenüberliegende Bank, die den Pavillon säumte, entdeckte sie den Besitzer der Jacke.
Edward's blonde Locken hingen ihm feucht in die Stirn, während sich seine Brust unter dem weißen Hemd langsam hob und senkte. Im Schlaf wirkte er friedlich, fast wie ein Kind. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen bei seinem Anblick. Am liebsten hätte sie sich zu ihm gelegt und ihm einen Kuss auf die weichen, rosigen Lippen gedrückt. Er hatte ihr nach dem heftigen Sturz das Leben gerettet und war obendrein bei ihr geblieben, als sie die Ohnmacht ergriff.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht kam Louisa auf die Beine. Das Unwetter hatte nachgelassen. Der Himmel riss auf und die dunklen Wolken, die einst die Sintflut über das Land brachten, hingen nun nur noch in winzigen Fetzen vom Blau des Himmels hinab. Die Fingerspitzen der Sonne brachen strahlend über die Grafschaft ein und überbrachten der Ruhe nach dem Sturm die Hoffnung auf einen schönen Tag. Trotz der Anmut, die sich nun im Tiefnebel über dem weiten Feld ausbreitete, hatte das Unwetter seine Spuren hinterlassen. Dicke Äste lagen über dem taufrischen Gras verstreut, abgeknickte Baumwipfel wanden sich zwischen schief hängenden Stämmen.
Louisa setzte vorsichtig einen Schritt aus dem Inneren des Pavillon's und wurde sofort mit dem Duft von frischer Erde und Regen umgeben, den der sanfte Wind mit sich trug. Die Sonne stand tief über dem Horizont, was die junge Frau vermuten ließ, dass sich der Tag dem Ende neigte und der Abend anbrach. Sie mussten sich mehrere Stunden im Pavillon aufgehalten haben, während der Sturm über das Land hinweg fegte. Sicherlich machten sich ihre Eltern und Freunde bereits große Sorgen. Sie wandte sich um und entdeckte Sir Edward Pembroke am Treppenabsatz des Gehäuses, welches ihnen einen Unterschlupf geboten hatte. Er lehnte gegen den Rahmen des Torbogen's, das Hemd klebte feucht an seinem muskulösen Oberkörper, während ihm die Locken ins Gesicht fielen. In Louisa's Unterleib kribbelte es heftig bei seinem Anblick und die Röte stieg ihr in die Wangen. Sicherlich entpuppte sich ihr Anblick als der eines zerzausten Vogels.
„Seht nur Edward! Dieser wunderschöne Sonnenuntergang. Wie ein Hoffnungsbringer nach dem Toben des Sturms. Ist diese Aussicht nicht herrlich?"
Seine Mundwinkel erhoben sich, während seine ozeanblauen Augen noch immer auf ihr ruhten. „Ich könnte mir keinen schöneren Ausblick vorstellen." Diese Worte raubten Louisa beinahe den Atem, denn Edward hielt den Blick weiterhin auf sie gerichtet, während seine Stimme durch die frische, unverbrauchte Luft drang.
Bevor ihre Knie erneut einknickten, schenkte sie ihre Aufmerksamkeit den grasenden Pferden, in deren Gemüt endlich wieder Ruhe eingekehrt war. „Wir sollten den Heimweg antreten. Meine Eltern, die Stanhope's und meine Schwester machen sich bestimmt schon Sorgen."äußerte Louisa ihre Gedanken, während sie auf die Pferde zuschritt. Der Rappe hob neugierig den Kopf, während sie über seinen Hals strich. Trotz des heftigen Sturzes empfand sie keine Angst vor den majestätischen Tieren, schließlich traf sie an dem Gewitter keinerlei Schuld. Im Gegenteil, Schuld allein trug die junge Frau selbst. Das Unwetter lag bereits in der Luft und auch Edward hatte seinen Zweifel geäußert, trotzdem verhielt sie sich wie ein kleines, unerzogenes Kind und hatte ihr Leben, sowie Edward's riskiert.
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Liebe und Verstand
Historical FictionDem zukünftigen Mann der Schwester zu verfallen, schickt sich nicht für eine Dame ihres Standes. Dessen ist sich Louisa Tilbury bewusst, doch die tiefblauen Augen von Sir Edward Pembroke bringen die junge Frau immer wieder um den Verstand. Dass ausg...