Kapitel 2

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Das zweite Glas, dass er in seine Kehle schüttete, brannte weniger als das erste. Aber es half beinahe gar nichts, um ihn ruhiger werden zulassen.
„Denkst du nicht, dass du es ein wenig langsamer angehen lassen solltest?", fragte sein bester Freund und schenkte ihm trotzdem nach, bevor er sich selbst gegenüber Draco setzte und an seinem ersten Glas nippte.
Er spürte wie Blaise ihn musterte und blaffte ihn deshalb an.
„Was ist?"
Er hasste es angeglotzt zu werden. Schon bei seiner damaligen Verhandlung hatte ihn das fast alle Nerven gekostet. Die Wut zu unterdrücken diese ganzen Gaffer anzuschreien.
„Astoria Greengrass und du... was ist da los zwischen euch?"

Er schnaubte und nippte an dem dritten Glas.
„Was sollte da schon sein?"
„Es ist eine seltsame Spannung zwischen euch spürbar gewesen." Blaise grinste schief. „Alter, du hast ausgesehen als hättest du einen verdammten Geist gesehen", fügte er hinzu und Draco stand genervt auf. Stellte mit einem dumpfen Geräusch sein Glas am Karmin ab und lehnte mit seinen Händen sich selbst dagegen, während er in die Flammen starrte. „Also, willst du mir nicht erzählen, was los ist?"
Nein, eigentlich nicht. Er hatte gar keine Lust über Astoria Greengrass zureden.

„Sie ist... nein war, dass Mündel meines Vaters.", fing er an.
Sie war schon eine Weile volljährig und brauchte keinen verdammten Vormund mehr. Schon lange nicht mehr, wie es aussah.
„Alter, dass weiß ich. Jeder in England weiß, dass Hyperion Greengrass deinen Vater diese Bürde aufgehalst hat. Und dein Vater hat die ganze Sache doch gut gelöst, oder nicht?", sprach Blaise.
Ja, das war, was ganz England dachte. Das sich Lucius diesem kleinen Problem erfolgreich entzogen hatte. Sein Versprechen gegenüber seinem Freund... nun es anders eingehalten hatte.

Draco schüttelte den Kopf und starrte weiterhin in die Flammen. Das war das, was alle dachten. Aber es entsprach nicht der Wahrheit.
„Das war nicht der ursprüngliche Plan gewesen."
Sein Vater war nicht so ehrlos wie viele dachten. Im Gegenteil.
„Was soll das bedeuten?", fragte Blaise und Draco zögerte.
Wie lange trug er jetzt dieses Geheimnis mit sich rum? Wie lange war es her?
„Geplant war, dass Astoria nach dem Tod ihres Vaters in unsren Haushalt zieht. Dort aufgezogen, später nach Hogwarts geschickt wird und nun ja, ausgebildet wird und eben in der Obhut meiner Familie steht."

„Mir ist durchaus bewusst, was eigentlich mit einem Mündel passiert. Die bessere Frage ist doch, warum dein Vater diesen Plan nicht umgesetzt hat. Oder nicht?", meinte Blaise und Draco schloss die Augen.
Sein Kopf schmerzte unangenehm. Er hatte wieder Astorias kindliche Stimme im Kopf. Die Stimme, die ihm sagte, dass sie ihn hasste. Dass er ein Monster war. Dass sie sich wünschte, dass er tot wäre. Für ein damaliges kleines Mädchen harte Worte, die sogar ihn erschreckt hatten.
„Sie war bei uns.", erwiderte er. „Vor Weihnachten in unserem dritten Jahr in Hogwarts und bis kurz vor Beginn des vierten Schuljahres. Erst dann hat mein Vater sie weggeschickt."
Sie verfrachtet. Sogar ins Ausland. Weit genug weg. Weit genug weg vor ihm.

Er hatte wieder das Gefühl, Panik zu verspüren. Bis auf das Knistern des Kamins war nichts zuhören.
„War es wegen Voldemort?", fragte Blaise nach einer Weile und Draco zuckte bei dem Namen merklich zusammen. Die Frage wirkte so kindlich, wie sie damals. „Haben deine Eltern sie deshalb weggeschickt?"
„Nein.", antwortete Draco rau und schluckte sichtlich.
Wieso fühlte er diesen Druck auf der Brust.
„Ich verstehe nicht...", murmelte sein Freund. „Welchen Grund gab es dann, sie wegzuschicken?"
Da war es wieder. Diese Antwort, vor der er sich seit Jahren drückte.
„Meinetwegen", antwortete er und als Blaise nichts sagte, wandte Draco sich ihm um. Bemerkte wie Blaise ihn aufmerksam musterte. „Sie wurde meinetwegen weggeschickt."






Schon bevor sie die Eingangshalle betrat, hörte sie die herrische Stimme der Hausdame durch das Anwesen hallen.
„Und dass ihr mir gründlich abstaubt. Und vergesst bloß nicht die Ecken. Ich möchte, dass alles perfekt ist."
Astoria lächelte in sich hinein. So kannte sie Mrs. Edwards. Als Astoria eintrat, nahm die alte Frau sie sofort wahr und sie schien noch älter geworden zu sein. Astoria hatte sie noch wesentlich jünger in Erinnerung, aber das war immerhin schon Jahre her. Das letzte Mal hatte sie die Frau gesehen als man sie von hier weggebracht hatte in die Obhut der Familie Malfoy.

„Meine Güte, Miss Astoria.", fing sie an und knickste leicht. „Ich hätte sie kaum wiedererkannt. Verzeihen Sie, wie schön sie aussehen. Sie sind eine richtige Dame geworden."
Astoria lächelte milde.
„Danke, Mrs. Edwards."
„Wir sind alles sehr froh, dass sie wieder hier sind."
Das bezweifelte Astoria.
„Ich bin froh, wieder hier zu sein." Das war die Wahrheit. Sie hatte es genossen die große weite Welt gesehen zu haben, aber sie war auch wieder froh, heimischen Boden unter den Füßen zu haben. „Sie sind fleißig beim Aufräumen, wie ich sehe."
„Oh Miss, wenn ich gewusst hätte, dass sie jetzt schon kommen, hätte ich gestern alles fertiggestellt. Aber mir wurde mitgeteilt, dass sie erst heute Abend kommen wollten."

„Nun das war der Plan gewesen.", erwiderte Astoria gelassen und wandte sich um. „Ich bin im Arbeitszimmer."
Sie hatte großes vor. Die ältere Hexe folgte ihr hastig.
„Aber Miss, dass Arbeitszimmer eures Vaters ist noch nicht fertig."
„Es ist jetzt mein Arbeitszimmer.", erwiderte Astoria gelassen und öffnete die Tür in das führende Zimmer. „Mein Vater ist tot.", fügte sie hinzu und trat ein. Die meisten Möbel waren mit weißen Laken abgedeckt worden. „Und es ist viel zu tun.", meinte sie und wandte sich Mrs. Edwards zu. „Lassen Sie einfach von eines der Mädchen das gröbste tun." Sie lächelte die Frau freundlich an, die schon seit Jahrzehnten für ihre Familie arbeitete. „Sie halten das Anwesen so gut in Schuss, mehr ist wirklich nicht nötig."

„Sicher, Miss.", meinte die Angestellte und wollte gehen als Astoria erneut ihren Namen sagte.
„Würden Sie nach Smith schicken lassen?"
„Smith?", wiederholte Mrs. Edwards verwirrt. „Den Verwalter? Wozu?"
„Ich möchte mit ihm heute das Grundstück ansehen. Die Felder. Den Wald und die Gewächshäuser. Alles eben. Ich habe zwar von meinem Anwalt regelmäßige Berichte erhalten, würde aber gerne mir selbst einen Überblick verschaffen."
„Aber Miss.", sagte die Haushälterin spitz. „Das ist wirklich keine Aufgabe für eine junge Lady."

Astoria blieb gelassen.
„Mrs. Edwards, ich bin das einzige Kind meines Vaters, soviel ich weiß."
„Ja, ich weiß, aber..."
Astoria unterbrach sie.
„Und ich bin keine Erbin, die tatenlos herumsitzen wird. Ich werde mein Anwesen selbst verwalten. Ich werde es keinem hoch bezahlten Kerl überlassen oder warten bis ich heirate. Und sobald ich heirate, werde ich weiterhin mich um meine Geschäfte selbst kümmern, Mrs. Edwards. Es wurde viel Gold investiert, dass ich dieser Aufgabe gewachsen bin."
„Natürlich, Miss.", erwiderte Edwards knapp und verschwand.
Die alte Dame würde hoffentlich keinen Schwächeanfall erleiden mit so vielen Neuigkeiten auf einmal.

Astoria wandte sich dem Schreibtisch zu und zog an dem Laken, dass zu einem Haufen auf den polierten Holzboden fiel. Der dunkle Mahagoni Schreibtisch hatte sich kein bisschen verändert. Sie legte ihre Hand darauf, während sie den Tisch umrundete und vor den Stuhl stehen blieb.
„Ich bin wieder da, Dad.", wisperte sie leise.
Wie oft hatte hier ihr Vater gesessen. Stundenlang. Sie hob ihren Blick und sah gegenüber den großen Kamin, umrundete von den Sitzmöbeln. Wie oft war sie dort am Teppich gesessen, hatte gemalt, gespielt oder gelesen. Sie ging hinüber zu der Feuerstelle und berührte, dass Wappen ihrer Familie.

„Tori.", sprach eine vertraute Stimme und sie wandte sich dem Schreibtisch zu als eine Erinnerung sich in ihrem Kopf abspielte. „Tori.", sprach ihr Vater und blaue Augen, nicht ihre Augen, sondern die klaren hellblaue Augen ihres Vaters sahen sie an. Sie als Kind von vielleicht fünf Jahren. „Komm her. Ich möchte dir etwas zeigen.", sprach er sanft und ihr Kinder-Ich ließ die Puppe, Puppe sein und stand auf, um zu ihm zu gehen.
Ihre braunen Locken wirkten dabei wild. Er nahm sie auf den Schoss, während er vor dem Schreibtisch saß und zog ein aufgeschlagenes Buch zu ihr.


Die Erinnerung verblasste. Wie oft hatte ihr Vater ihr Sachen hier erklärt. Selbst als sie noch so klein war. Er hatte schon immer deutlich gemacht, dass Wissen Macht war. Und besonders für die Verwaltung so eines Anwesens. Ihre Art, dass Leben in alte große Herrenhäuser mit riesigen Grundstücken, war eine aussterbende Art. Die meisten konnten sich das einfach nicht mehr leisten. So ein Anwesen zuhalten kostete Gold und sicher, wenn man reich war, konnte man es bewohnen, aber wenn man es nicht richtig machte, erwirtschaftete man nichts für sich, sondern nur für die Instandhaltung der großen Herrenhäuser, Schlösser oder Burgen.

Sie ging wieder zum Schreibtisch und fuhr darüber. Aber sie würde das Anwesen weiterhin halten. So wie es ihr Vater getan hatte und viele Generationen vor ihnen. Das war sie nicht nur ihrem Vater schuldig, sondern ihrer Familie. Sie sah auf als es an der geöffneten Tür klopfte und lächelte den älteren, etwas beleibten Herren freundlich an als dieser eintrat. Sein Haar war grau und ging teils bereits ins weiße, so wie sein kurzer Vollbart. Er wirkte leicht wild und gefährlich. Aber das war er nicht, das wusste Astoria genau.
„Miss..."
Sie ging auf ihn zu und griff nach seinen Händen.
„Ich bin froh, sie zu sehen Mr. Smith. Ich hoffe, ich habe sie nicht von der Arbeit weggesprengt."
Er schüttelte den Kopf.
„Nein, Nein, Miss. Ich meine, es gibt immer viel zu tun, aber als ich gehört habe, dass sie da sind..." Er schien ihr Gesicht abzusuchen. „Und dass sie mich sehen wollen, musste ich sofort kommen."

Sie sah ihn dankend an.
„Ich würde mir gerne alles ansehen. Und wissen, wie es aussieht. Was muss gemacht werden? Wie sieht es generell aus? Dass sie mir die Mitarbeiter vorstellen, die mit ihnen draußen tätig sind. Und natürlich die Pächter."
Er grinste breit.
„Das würde ich gerne tun, Miss."
„Nun ich habe viel vor. Wir müssen das Anwesen doch weiterhin gut erhalten können. Oder nicht?"
„Sie sind wie ihr Vater. Er war auch immer voller Tatendrang."
Ja, das war er wirklich gewesen.
„Haben Sie den jetzt Zeit für mich?"
Er nickte erneut.
„Aber natürlich, Miss. Jederzeit."


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