Kapitel 35

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„Ach du meine Güte, Astoria. Das ist wirklich zauberhaft.", lobte ihre Tante sie als sie aus der Umkleide trat, um auf das dämliche Podest zuzugehen.
Warum dieser verdammte Aufwand? Wäre es nicht einfacher, einfach ins Ministerium zu gehen und zu heiraten? Nein, sie mussten in diesem dämlichen Brautladen gehen und statt das nur Narzissa mitkam, war auch Octavia dabei. Octavia wohl mehr aus dem Grund, dass sie es als ihre Aufgabe ansah. Vor Wochen hatte sie noch über Draco geschimpft und jetzt schien sie einfach nur überglücklich zu sein, dass Malfoy sie heiraten würde und seine Eltern vermutlich die teuerste Hochzeit überhaupt organisierten. Was für ein lächerlicher Aufwand und vor allem was für eine Verschwendung.

„Du siehst so hübsch aus.", schwärmte ihre Tante sie als sie den Rock des Kleides raffte und auf das dumme Podest stieg.
Sie hob nur zögernd den Kopf, um sich in der Spiegelfront zu sehen. Sie hatte das Gefühl, dass die weißen Kleider sie alle einfach nur verspotteten. Die Kleider waren meistens weiß oder zumindest Cremefarben, weil sie als Symbol für Jungfräulichkeit, Unschuld und Reinheit standen. Sie schnaubte innerlich. Sie war keine Jungfrau mehr und geschweige rein oder unschuldig. Sie wünschte sich, sie könnte sagen, dass Malfoy sie verdorben hatte, aber Tatsache war auch, dass sie das mit sich machen lassen hatte und was war das Ergebnis davon? Sie stimmte einer Ehe zu.

Es sollte ihr scheiß egal sein, was mit Draco wurde und sie wünschte sich, sie könne das wahrhaftig sagen, konnte sie aber nicht. Und sie würde es nie vor ihm zugeben, aber er hatte recht. Es ging hierbei nicht mehr nur um ihn und sie, sondern auch um das Baby, dass in ihr wuchs. Das Baby, das sie beseitigen sollte, weil es sein Leben zerstörte und jetzt auf einmal machte er sich Sorgen um dessen Zukunft. Sorgen darüber, was es heißen würde für sie oder ihn, wenn er als Bastard zur Welt kam und sein Vater sich einen Dreck um ihn scherte.
„Es steht ihnen wirklich ausgezeichnet.", meine die Schneiderin und steckte etwas an ihrer Taille ab.
Astoria schenkte ihr ein mildes Lächeln, bevor sie sich wieder musterte.

Sie wirkte seltsam fremdartig. Sicher, sie hatte schon viele umwerfende Ballkleider getragen, aber noch nie... ein Hochzeitskleid. Sie senkte den Blick wieder. Sie hätte auch nie gedacht, dass sie so heiraten würde. Vielleicht war sie in dieser Hinsicht, wirklich einfach nur naiv, aber sie hatte immer gedacht aus irgendwelchen romantischen Gründen zu heiraten und sicher nicht, weil bereits ein Kind unterwegs war. Ein Kind von dem kaum jemand wusste. Weswegen die Hochzeit so schnell wie möglich über die Bühne gehen sollte. Octavia stand von der Chaiselongue auf und trat neben sie. Sie strahlte vor stolz. Ob sie auch so strahlen würde, wenn sie wüsste, dass bereits ein kleines Herz unter Astorias Herz schlug? Vermutlich nicht.

„Weißt du was gut passen würde?", fragte Octavia und Astoria schüttelte den Kopf. „Ein Schleier."
Sie begeisterte sofort die Schneiderin und wuselte davon, während Astoria schwer ein und ausatmete. Sie waren seit Stunden hier.
„Ist alles in Ordnung, Liebes?", fragte Narzissa sachte und ihre Blicke begegnete sich im Spiegel.
„Sicher.", erwiderte Astoria kühl. „Wir planen ja nur eine aufgesetzte, überteuerte Hochzeit für nichts und wieder nichts."
„Tori.", murmelte sie. „Glaub mir, Draco kommt zur Vernunft. Du siehst doch, dass es ihm wichtig ist, dass kein Gerede entsteht."
Sie schnaubte.
„Ja, für seinen Ruf. Und damit Lucius ihn nicht enterbt." Nur darum. Die Blondine wirkte leicht gequält. „Er war sehr deutlich, bevor er angeblich zur Vernunft gekommen ist."

„Ihr werdet euch arrangieren. Du wirst sehen.", versuchte sie Mut zu machen und Astoria presste ihre Lippen zusammen.
Wie genau das aussehen würde, wusste sie noch nicht. Sie hatte nur zugestimmt wegen des Babys. Nur darum. Das Draco nicht die erste Zeit in ihrem Anwesen bleiben würde, kam nicht infrage. Zumindest hatte das Lucius ihnen beiden gestern gesagt.
„Was glaubt ihr, wie das aussieht, wenn jemand davon erfährt. Getrennt wohnen nach der Hochzeit kommt gar nicht infrage."
Was glaubte Lucius, wie es aussehen würde, wenn jemand erfährt, dass sie keine Ehe führen würden und sie nur heirateten, weil ein Kind bereits auf dem Weg war?

„Er liebt dich, und das weißt du doch.", redete Narzissa weiter. Wusste sie das? Er hatte diese Worte nie in den Mund genommen. Niemals. „Und er wird auch das Baby lieben. Du wirst sehen."
Vermutlich würde er einer dieser Reinblüter werden, die zu Beginn mit dem Kind nichts anfangen konnte, dann irgendwann wegen schulischen Leistungen schauen und loben würde, nur um dann das Kind in eine berufliche Zukunft zu lenken. Es war ihr egal. Sie würde für das Kind da sein. Sie würde es liebhaben, behüten und beschützen. Auch vor ihm und seiner Kälte, wenn es sein musste.

Astoria schüttelte kaum sichtbar den Kopf.
„Er liebt mich nicht.", sprach sie erstickt und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, nur damit Narzissa zu ihr stieg und ihre Hände auf Astorias Schultern legte.
„Was redest du denn da? Natürlich liebt er dich, Astoria." Tat er das? Behandelte man so jemanden, wenn man ihn angeblich liebte? „Er hat nur wahnsinnige Angst. Auch wenn das keine Entschuldigung ist oder sein Verhalten rechtfertigt, aber er scheint mir einfach komplett überfordert gewesen zu sein."
Er hatte es nie ausgesprochen. Nie diese drei magischen Worte ausgesprochen. Sie hatte sich damit abgefunden, dass er es nicht konnte und es durch andere Dinge zeigte. Doch jetzt war sie sich nicht mehr sicher, ob das alles nur Taktik von ihm war, um sie zu halten.

Sie sagte immer noch nichts und Narzissa strich ihr kurz über die Wange, küsste sie mütterlich auf die Wange und drehte sie dann wieder zum Spiegel.
„Und jetzt sag mir, ob dir das Kleid gefällt, oder ob wir lieber noch ein anderes Anprobieren sollten?"
Sie sah sich an. Astoria mochte es sehr. Es hatte eine enge Korsage und einen Rock, der in mehreren Schichten wie eine umgedrehte Tulpe fiel. Die Ärmel, die kurz vor dem Ellbogen aufhörten, waren aus so feinem Stoff, dass man nur die gestickten Muster darauf sah. Es wirkte fast so als hätte man direkt auf Astorias Haut die Ranken angebracht.
„Es ist wirklich sehr schön.", sprach Astoria erstickt und Narziss strich ihr tröstend über den Rücken, während sich Astoria einige Tränen wegwischte und tief durchatmete.

„Aber ich will keinen Schleier tragen. Ich dachte an Haarschmuck oder Blumen. Nichts Protziges oder Auffälliges."
Wenn sie schon diese Ehe eingehen sollte, dann mit den Sachen, die sie mochte.
„Natürlich. Das können wir gerne so machen." Sie nickten sich im Spiegle zu und Narzissa legte ihr wieder einen Arm um und drückte sie leicht. „Es wird alles gut werden. Du wirst sehen, Liebes."
Und selbst wenn nicht würde sie das allein hinbekommen. Sie brauchte keinen Mann dazu und schon gar nicht einen Draco Malfoy.






Sie sah umwerfend aus. Wie entsprungen aus einem Märchenbuch. Sie schien zu strahlen und das trotz der Tatsache, dass sie das hier eigentlich nicht gewollt hatte. Sie trug ein umwerfendes Kleid. Ihre Haare waren nach hinten geflochten und waren aber hinten offen. Die Strähnen lockten sich und am Hinterkopf waren in den Haaren kleine Rosen hineingesteckt worden und scheinbar Schleierkraut. Er atmete schwer aus und hob sein Glas an seine Lippen, um daran zu nippen. Er sah den Schleimbeutel Liam mit Astoria sprechen und innerlich fühlte er, trotz der Umstände, Zufriedenheit in sich aufsteigen. Sie war seine Frau, nicht die von Liam Redvers.

Er wandte den Kopf als ihm jemand auf die Schulter klopfte.
„Solltest du nicht langsam aufhören diverse Gäste zu begrüßen und lieber mit Astoria tanzen? Alle warten darauf, weißt du?"
Draco schnaubte. Die Gäste schienen sich auch ohne ein tanzendes Brautpaar gut zu amüsieren.
„Ich denke nicht, dass Astoria große Lust dazu hat."
Blaise rollte mit den Augen.
„Sie ist deine Frau. Sie hat vor knapp zwei Stunden ja zu dir gesagt."
Ganz feierlich bei einer Zeremonie im geschmückten Manor. Und die Gäste würden sicherlich von der teuren Hochzeit schwärmen und erzählen. So wie sie auch darüber tagelang getratscht hatten, warum die Hochzeit so überstürzt stattfand.

Da gab es das erste Gerücht, dass im Grunde die Wahrheit war. Das etwas Kleines unterwegs war. Die meisten würden das Gerücht vermutlich nicht mehr glauben, denn man sah Astoria einfach gar nichts an. Das zweite Gerücht war, dass Astoria und seine Familie diesen Zustand so nicht weiterzusehen wollten und sie beide vor die Wahl gestellt hatten. Entweder Trennung oder Heirat. So etwas Idiotisches. Gerücht Nummer drei und das glaubten wohl vor allem die Hexen: Der Liebestrunkene Draco Malfoy. Er wünschte sich, es wäre Nummer drei. Er wünschte sich, alles wäre anders gelaufen als so.

„Willst du dich auf ewig mit ihr streiten?", fragte sein bester Freund.
Nun, wenn es nach Astoria ging, könnte er auf ewig in Manor hocken bleiben, während sie auf ihrem Anwesen weiterlebte. Aber sein Vater hatte klare Vorstellungen, um keinen Schaden auf den Ruf von Astoria, Draco oder dem Baby zuzulassen. Das Baby, das noch gar nicht auf der Welt war und das Schuld an diesem ganzen Durcheinander war. Er kniff kurz die Augen zu. Unsinn. Er war schuld. Er war schuld mit seinem dämlichen, unreifen Verhalten. Hätte er anders reagiert... Erwachsener, geduldig und durchdacht, hätten sie nicht gestritten. Wäre sie nicht wütend auf ihn.

Er hob den Kopf erneut als ein Lied endete und die Band ein neues Lied anspielte und er sah, wie die Sängerin auf die Bühne ging. Die Sängerin die Chloé organisiert hatte und schon einige französische Lieder angestimmt hatte. Er leerte sein Glas mit Wasser in einem Zug, bevor er es zur Seite stellte und sich durch die Menge schlängelte. Er hätte jetzt wahrhaftig Lust auf Whisky oder Schnaps. Schnaps wäre besser. Er räusperte sich und Liams Augen trafen zuerst seine, bevor sich Astoria verwundert umwandte. Draco schluckte hart. Sie sah nur... bezaubernd aus.
„Ich dachte mir...", fing er an und schüttelte sich innerlich. „Ich würde gerne mit dir tanzen.", endete er und hielt ihr die Hand hin.
Sie sah einen Moment darauf und er befürchtete schon, dass sie ablehnen würde als ihre viel kleinere Hand sich in seine legte.

Sie entschuldigte dich bei Liam, der nur mit der Hand abwinkte. Als Draco mit Astoria an der Hand zur Tanzfläche gingen, klatschten einige der Gäste und andere machten etwas Platz auf der aufgebauten Fläche im Garten. Es fühlte sich vertraut an, ihre Hand in seiner zu halten und die anderen in ihren Rücken zulegen. Merlin, er war verheiratet. Er schien das erst jetzt richtig zu realisieren.
„Ich habe dir das heute noch nicht gesagt, aber du siehst umwerfend aus, Tori.", sprach er leise, während er sie langsam zu dem Lied führte.
„Danke.", sprach sie knapp.
„Wir das jetzt immer so sein?", hakte er nach. „Das du mich nicht einmal mehr richtig ansehen willst?"

Sie blickte auf mit diesen schönen, aber seltenen blauen Augen.
„Das will ich nämlich nicht."
In ihren Augen regte sich etwas, aber er konnte nicht genau sagen, was es war.
„Ich bin... einfach noch stocksauer auf dich."
Er drehte sie aus und wieder ein.
„Ich weiß. Aber ich kann nicht mehr machen als mich zu entschuldigen, Astoria."
Und wie oft sollte er das noch tun, bevor sie ihm glaubte? Ihm endlich verzieh?
„Und ich kann nicht einfach vergessen, was an diesem einen Morgen passiert ist."
Er wisperte ihren Namen schwer und sie senkte den Blick und er zog sie etwas enger an sich. Niemanden ging das etwas an. Niemand brauchte zu sehen, dass sie gerade verletzt wirkte.
„Es tut mir leid, Tori.", flüsterte er und küsste dann sanft ihr Ohr. „Wirklich leid.", wisperte er.
„Ich weiß. Ich bin trotzdem von dir enttäuscht."
Und das konnte er ihr gar nicht verübeln. Sie hatte ihm geglaubt und vertraut. Sie hatte ihn verteidigt. Ständig und immer. Und er hatte sie bei erster Gelegenheit fallen lassen und war davon wie ein Feigling.






Astoria spürte fast so was wie Erleichterung als Hanna ihr das Kleid öffnete. So schön wie das Kleid war, sie hatte sich nach einiger Zeit einfach nur eingeschnürt gefühlt.
„Danke Hanna.", sprach sie und Hanna lächelte sie an, bevor das Dienstmädchen das Kleid an sich nahm.
„Kann ich noch etwas für euch tun, Miss..." Sie hielt mitten im Satz inne. „Entschuldigung. Ich sollte lieber sagen..."
Astoria schüttelte den Kopf.
„Schon in Ordnung. Und nein, das war alles. Danke."
Hanna nickte kaum sichtbar, bevor sie das Zimmer verließ und Astoria tief ein und ausatmete. Sie war regelrecht Narzissa dankbar, die vorhin bemerkt hatte, dass Astoria an ihre Grenzen kam und den Gästen erläuterte, dass sie jetzt das Brautpaar verabschieden würden, damit es aufbrach. Aufbrach, als würde es zu irgendeiner großen Reise gehen. Sie waren in ihrem Anwesen.

Sie öffnete eines der Fenster und hörte noch einige Vögel zwitschern. Die ersten Sterne blitzen hervor und die Luft war angenehm für den Sommer. Sie sah auf den silbernen Ring, denn sie erst seit einigen Stunden trug. Sie hatte ihn vor der Zeremonie noch nie zuvor gesehen. Ihr Ehering. Er war sehr fein und trug das gleiche Muster, wie Dracos Ring. Er wirkte als wäre er aus Rinde gemacht, die versilbert war. Wie ein Teil eines Baumes. Drei kleine Diamanten waren in einer Reihe im Hochformat angeordnet. Dracos Ring war einfach nur Silber. Scheiße, sie war verheiratet. Sie glaubte immer noch nicht, diesem Unsinn wirklich zugestimmt zuhaben.

Sie war sich wie eine Maschine vorgekommen, die einfach funktionierte. Hatte sich Beglückwünschungen angehört und Fragen zu ihrem Kleid, sowie Lobesbekundungen für das wunderbare Fest. Sie hatte mit dem Fest beinahe nichts zu tun gehabt. Sie hatte Narzissa freie Hand gelassen und ja, es war eine schöne Feier gewesen. Nur war sie sich meistens kaum anwesend vorgekommen. Vielleicht hätte sie das ganze mehr genießen können, wenn es sich nicht so aufgesetzt angefühlt hätte. Sie atmete schwer aus, bevor sie sich vom Fenster abwandte und zu ihrem Schrank ging, um sich eines der Nachthemden überzuziehen.

Sie hatte es gerade über die teure, unnötige weiße Spitzenunterwäsche gezogen als es klopfte und Draco den Kopf hereinstreckte. Er trug sein Sakko nicht mehr, fiel ihm auf. Nur noch sein Hemd und seine Hose. Die ersten Knöpfe seines Hemdes waren geöffnet.
„Ich dachte...", fing er an. „Ich dachte, du brauchst vielleicht Hilfe?"
Sie wandte sich von ihm ab.
„Hanna war bei mir. Sie hat mir geholfen." Er nickte stumm und schien gehen zu wollen. „Wird das jetzt immer so sein?", fragte sie und er hielt verwirrt inne, als sie praktisch seine Frage vom Tanzen wiederholte. „Das wir uns nichts mehr zusagen haben? Uns meiden? Nur bei öffentlichen Auftritten reden werden?"

Es hörte sich grausam an, es jetzt auszusprechen. Sie hatte gedacht, es wäre leicht ihn zu meiden. Ihn zu ignorieren. Aber als er heute dann einige Tänze mit ihr getanzt hatte... Er ihr wieder so nah war... so vertraut... Er murmelte ihren Namen, während er die Tür schloss und auf sie zuging. Sie sah auf als er ihr eine der offenen Strähnen hinter eines ihrer Ohren strich.
„Das muss nicht so sein. Wenn du das nicht willst."
Sie wollte ihn. Aber nicht so. Sie wollte, dass er sie wollte, so wie sie ihn. Dass er sie liebte, so wie sie ihn liebte. Sie schluckte hart als er erneut ihren Namen sagte, aber sie brachte kein Wort hervor. Er griff ihr unters Kinn und sie blickten sich wieder an. Sie schloss die Augen als er sich vorbeugte und sie sanft küsste.









Heute nur Nachwort ^^ Hasst mich ruhig, dass es keine kitschige Hochtzeit gab. Aber ehrlich, es hätte einfach nicht gepasst ;) Ich danke euch trotzdem

Kaltes HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt