Astoria hatte es sich eindeutig leichter vorgestellt, einfach nur herumzuliegen und ihre Zeit praktisch abzuwarten, aber bereits am dritten Tag war ihr langweilig geworden. Den größten Weg denn sie machen durfte war ins Badezimmer zu gehen. Die Highlights ihres Tages dachte sie bitter und fuhr sich über ihren Bauch. Nicht nur, dass sie praktisch an ihr Zimmer gefesselt war, nur im bildlichen Sinne, sondern sie kam sich auch nutzlos und vor allem fremdartig vor. Sie würde wahnsinnig werden, wenn es so weitergehen würde. Das Einzige, was sie zum Durchhalten animierte, war die Tatsache, dass sie wollte, dass ihr Baby gesund auf die Welt kam. Das war ihre größte Angst, dass sie ihr Baby erneut verlieren könnte. Aber ihrem Sohn ging es gut. Er war gesund und munter und das war alles was zählte. Nur darum drehte sie noch nicht komplett durch.
Draco war mit dem Leiten des Anwesens beschäftigt und besprach sich oft mit ihr, damit sie sich nicht vollkommen nutzlos vorkam. Er versicherte zwar ständig, dass es ohne ihre Hilfe nicht gehen würde, aber sie sah das anders. Draco unterschätzte sich selbst komplett. Sicher, er hatte nicht das ganze Fachwissen über Pflanzenkunde und den Anbau. Aber er war nicht dämlich. Er war gut in Kräuterkunde und er konnte Leute anleiten und gut verhandeln und verkaufen. Sie wäre ohne seine Hilfe komplett aufgeschmissen. Und dann waren da natürlich Lucius und Narzissa. Narzissa die die ersten Tage praktisch hier gewohnt hatte und damit beschäftigt war, Astoria zu unterhalten. Seit einigen Tagen wohnten die Beiden tatsächlich hier im Anwesen, denn der Heiler rechnete damit, dass es jetzt jederzeit losgehen könnte. Astoria war in der Hinsicht zwiegespalten. Einerseits hoffte sie, dass die Schwangerschaft bald vorbei war und sie einfach ihr Kind in den Armen halten konnte. Und anderseits fürchtete sie sich vor der Geburt. Es konnte noch so viel schiefgehen und das würde sie nicht ertragen. Nicht noch einmal.
Sie umfasste ihren Leib, während sie seitlich im Bett lag und ließ dabei das Buch in die Kissen rutschen, das sie gerade noch gelesen hatte. Sie versuchte die Angst wieder abzuschütteln. Der Heiler war erst heute Morgen dagewesen und alles sah gut aus. Die Werte ihres Sohnes waren ausgezeichnet. Es würde gut gehen. Ganz sicher. Sie spürte wie sich die Matratze senkte und im nächsten Moment legten sich auf ihre Hände, die von Draco und er küsste sie auf die Schläfe, bevor er seinen Kopf auf ihrer Schulter ablegte. Sein Haar war noch etwas feucht und er roch nach Minze. Er war beim Duschen gewesen.
„Alles in Ordnung?" Er strich mit seiner Hand selbst über ihren Bauch und Astoria war sich sicher, dass er die Bewegung des Babys spürte. „Er ist unruhig, oder?"
Sie lächelte.
„Ich denke, ihm ist langweilig wie seiner Mutter selbst."
Er gluckste und küsste sie erneut. Bevor er leichte Kreise über ihren Bauch zog.
„Geht es dir wirklich gut?"
Sie seufzte und legte ihren Kopf leicht in den Nacken und damit gegen ihn.
„Ich denke schon. Ich fühle mich nur so riesig. Wie ein gigantischer Ballon."
„Unsinn", nuschelte Draco an ihren Hals.
„Das ist mein Ernst", wehrte sie leicht ab. „Ich fühle mich aufgebläht. Wenn das so weitergeht, werde ich sicher platzen."
Er lachte erneut.
„Dass das rein physikalisch nicht möglich ist, ist dir klar, ja?" Sie boxte ihn, was ihn wieder zum Lachen brachte, bevor er sie fester an sich zog und erneut küsste. „Es wird alles gut werden, Tori. Du wirst sehen."
Das hofften sie zumindest alle.
„Hast du was von Chloé gehört?"
„Blaise sagt, es rührt sich noch nichts", erwiderte er gelassen. „Aber dass, wenn das die Tage so bleibt, die Geburt eingeleitet wird."
Nun, mit diesem Problem hatte Astoria wahrlich nicht zu kämpfen. Sie freute sich darauf, wenn sie Chloé wieder sehen würde. Vermutlich waren sie dann bereits beide schon Mütter. Verrückt sich das wahrhaftig vorzustellen.
Sie rutschte tiefer in die Kissen und wandte sich in Dracos Armen, um ihn anzusehen.
„Wie geht es dir?"
Er runzelte die Stirn.
„Gut. Wieso fragst du?"
Sie zuckte leicht die Schultern.
„Ich mach mir Sorgen um dich."
„Um mich?", fragte er amüsiert nach. „Wieso?"
„Die Firma. Das Anwesen...", begann sie aufzuzählen und brach ab als er milde lächelnd den Kopf schüttelte.
„Hör auf, ja. Ich bin froh hier zu sein. Und ich bin ja nicht allein. Also mach dir keine Gedanken, Tori." Tat sie aber. Er küsste sie sanft, bevor er sie liebevoll musterte. „Versuch zu schlafen. Mmh."
Was gestern Nacht nicht wirklich geklappt hatte. Sie konnte langsam nicht mehr liegen. Jede Position kam ihr unbequem vor und ihr Sohn schien immer recht aktiv in der Nacht zu sein. Trotzdem versuchte sie es.
Als sie wach wurde, wusste sie, dass sie noch nicht lange geschlafen haben konnte. Es war dunkel und sie war einen Moment leicht panisch, weil sie nicht genau wusste, was sie geweckt hatte, als sie einen stechenden Schmerz wahrnahm und ihre Hand auf ihren Leib legte. Sie wusste sofort, was es war und keuchte auf, nur um panisch nach Draco zu tasten.
„Draco", wisperte sie schwer und er schreckte auf.
„Was ist? Geht es dir gut?", fragte er irritiert.
„Ich den... ich habe Wehen", presse sie hervor und blinzelte als das Licht anging.
„Bist du sicher?", fragte ihr Mann aufgeregt und als sie nickte, beugte er sich vor und umfasste ihr Gesicht. „Es wird alles gut gehen. Ich verspreche es." Sie nickte zuversichtlich und verkniff sich ein Lachen als Draco beinahe aus dem Bett fiel, als er aufstand. „Ich sag meiner Mutter Bescheid. Und lass den Heiler und die Hebamme kommen." Sie nickte wieder. „Ich komm gleich wieder."
Nun, sie würde bestimmt nicht weglaufen. Sie atmete gegen den nächsten Schmerz an und umfasste sich selbst.
„Wir kriegen das hin, mein kleiner Schatz. Bald bist du hier bei uns", wisperte sie.
Draco hatte sich auf alles eingestellt. Darauf tagelang neben Astoria zu sitzen und ihr durch die Schmerzen und Wehen zu helfen. Darauf das es Komplikationen geben könnte. Dass er es vielleicht nicht ertragen könnte, Astoria zu sehen. Aber es war viel zu schnell gegangen als dass Draco wahrlich darüber nachdenken hätte können. Kaum hatte er seine Eltern geweckt, war seine Mutter sofort zu Astoria geeilt und kurz nach ihr war schon der Heiler und die Hebamme dagewesen. Er war bei Astoria geblieben, hatte ihre Hand gehalten und ihr gut zugeredet, so wie seine Mutter, die Hebamme und der Heiler. Er wusste nicht, wie lange es gedauert hatte, aber es war schneller gegangen als sie wohl alle angenommen hatten. Draco hatte kein Zeitgefühl mehr gehabt. Er wusste nur, dass irgendwann Astoria das letzte Mal aufgeschrien und sich an ihn geklammert hatte und dann das Schreien eines kleinen Säuglings zuhören war. Und dann war da. Einfach so. Scorpius. Weinend, schreiend und zappelnd.
Und seitdem konnte Draco kaum klar denken. Er war fasziniert von dem winzigen Lebewesen, deren leichter blonder Flaum bereits zuerkennen war. Dieses winzige, zarte Leben, das kaum etwas wog. Zumindest kam er Draco in seinen Armen furchtbar leicht vor. Mit den kleinen Ärmchen und Beinchen, die unkontrolliert sich bewegten. Scorpius, sein Sohn. Er konnte sich nicht sattsehen an ihm. Selbst jetzt, als er friedlich in dem kleinen Kinderbettchen lag, war Draco darüber gebeugt und sah dabei zu, wie der kleine Erdenbürger friedlich schlief, während seine Brust sich hob und senkte, während er atmete. Er war wunderschön. Draco hatte nicht geglaubt, dass es einen Menschen geben könnte, denn er genauso liebte wie Astoria, aber da war er. Sein Fleisch und Blut. Er würde ihn beschützen. Er würde alles für ihn tun, was in seiner Macht stand. Für ihn immer da sein. Er würde ein guter Vater werden, das versprach er nicht nur seinem Sohn in Gedanken, sondern auch sich selbst.
Er hob seine Hand und fuhr sachte mit einem Finger über die runden Wangen seines Sohnes, ohne ihn zu wecken.
„Ist er nicht schön?", frage eine andere Stimme sanft und Draco wandte den Kopf, nur um Astoria halb liegend, halbsitzend in den Kissen zu sehen, in dem frisch gemachten Bett.
Sie wirkte müde, erschöpft, aber strahlte, als könnte sie damit die ganze Welt erhellen.
„Er ist perfekt", wisperte Draco und sah wieder auf seinen Sohn. Es ging ihnen gut. Ihnen beiden. Er hob den Kopf, um Astoria wieder anzusehen, die milde lächelte. „Geht es dir gut?", fragte er und sie nickte kaum sichtbar.
„Ja. Ich bin nur müde." Was wohl kein Wunder war, bei der Leistung. „Aber ich bin so... so glücklich, Draco", fügte sie leise hinzu und er stand auf, nur um sich auf das Bett zu setzen und Astoria auf die Stirn zu küssen.
„Ich bin so stolz auf dich, Tori", murmelte er und inhalierte ihren bekannten Duft. „Stolz und furchtbar dankbar."
„Dankbar?", wiederholte sie irritiert und ihre Stirn zog sich dabei etwas kraus.
Er nickte.
„Ja, dankbar. Für unseren Sohn." Er griff nach ihrer Hand und drückte diese, während er hart schluckte. „Du hast mich gerettet. Weißt du das?"
Wo wäre er jetzt ohne sie? Sicher in irgendeinem Club oder einer Bar beim Trinken. Einsam und verzweifelt mit sich selbst. Voller Wut auf die Welt und sein Leben.
„Draco", wisperte sie und hob ihre andere Hand und fuhr über seine Wange und wischte dabei einige Tränen weg.
Er griff nach der Hand und liebkoste ihre Fingerspitzen.
„Ich liebe dich, Tori."
„Ich dich auch, Draco", antwortete sie.
„Und ich danke dir für unseren Sohn und unsere Familie."
„Das ist nicht allein mein Verdienst", wehrte sie ab und er beugte sich vor, nur um sie zu küssen.
Sicher war es das nicht. Aber ohne sie gäbe es das alles nicht. Sie war seine Rettung gewesen. Hatte ihm gezeigt, was wichtig war. Er küsste sie erneut sanft, bevor er seine Stirn gegen ihre lehnte.
„Du bist mein Leben", flüsterte er und spürte, wie sie ihre Hand hob und sie in seinen Nacken legte.
Dort ihn streichelte.
„Und du meines."

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Kaltes Herz
FanfictionDraco dachte, sein Leben einigermaßen im Griff zu haben. Doch alles scheint aus den Fugen zu geraten als er auf eine alte Bekannte trifft, die er fast schon aus seinen Gedanken getilgt hatte. Ihr Auftauchen macht ihm deutlich, dass er gar nichts in...