Während mein Vater noch ein paar Unterlagen im Wohnzimmer vom Esstisch kramt und ich zusammen mit Paula die Teller schon mal aus den Schränken räume, mach ich kurz halt neben dem Herd, an dem meine Mutter grad die Soße für die Nudel umrührt. Ich lehne mich mit dem Stapel Porzellan an die Küche an, sodass ich ihr wenigstens halbwegs ins Gesicht gucken kann. Meine Mum hat mich schon früh bekommen, mit 19 um genau zu sein, deswegen sieht sie selbst jetzt mit einer 17 jährigen Tochter noch wunderschön und jünger als manch andere Mütter aus. Dunkel braune große Wellen fallen ihr eigentlich über die Schultern, wenn sie ihre Haare nicht wie grade in einen lockeren Dutt dreht, aus dem nur die vorderen Ponysträhnen heraus fallen. Im Haar ist kein einziges graues Haar zu sehen, bei meinem Vater hingegen erwischt man manchmal eine silberne Strähne, aber beide meine Eltern sagen über das Altern nur, dass das bei Männern wie bei einem Wein ist. Die werden eben erst mit der Zeit noch wertvoller und besser.
„Der Tisch deckt sich nicht von allein, Cariño", erklärt sie mir, ohne von dem Topf hoch zu mir zu schauen. „Ja, ich weiß.", sag ich schnell zurück, beiß mir kurz auf die Zunge. „Na los, was ist es? Was willst du?" Sie legt den hölzernen Kochlöffel beiseite, wischt sie die Hände an einem Küchentuch ab, um mich dann doch anzugucken. „Woher-" Sie schüttelt den Kopf. „Das ist doch wohl offensichtlich, dass du was willst." Sie nickt mir zu, als würde das alles erklären, Mutterinstinkte oder so. Ich atme schnaufend aus und fass mich kurz, es ist zwar blöd, dass ich morgen Abend nicht hier sein kann, aber nicht das Ende der Welt. „Ich wurde eingeladen zum Essen bei Lionels Eltern." Meine Mutter zieht überrascht die Augenbrauen hoch und ich weiß genau, dass das, was sie als nächstes sagt, weder mir noch Lionel gefallen würde, wenn er hier wäre. „Seine Mutter hat Interesse daran, dich mal für einen Abend bei sich zu haben? Nicht, dass sie dich dann noch wie einen richtig netten Menschen behandelt."
Nicht nur Lionel hat ein Problem mit seinem Stiefvater, meine Mutter hat ein gewaltiges Problem mit seiner Mutter. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass seine Mutter und auch Lionel selbst nicht auf dieses ganze hallo-das-ist-meine-Freundin-Ding stehen. Lieber bleibt alles in seinem Zimmer und weit weg von dem Rest meiner oder seiner Familie, grade deswegen ist mir morgen so wichtig. „Mama, bitte, ich muss da hin."
„Müssen tust du gar nichts.", beschließt sie und wirft das Tuch etwas zu energisch zurück auf den Tresen, um sich wieder dem Topf zu widmen. Ich verdrehe meine Augen und als hätte sie es bemerkt, kneift sie mit leicht in den Unterarm. Ich zieh meinen Arm sofort schützend zurück. „Schön, ich will dahin und ich sollte auch. Grade weil mir seine Mutter noch nie eine richtige Chance gegeben hat, mich ihr vorzustellen. Das verstehst du doch." Ich beschließe, besser nicht zu erwähnen, dass es gar nicht Megan, Lionels Mutter war, die mich eingeladen hat, sondern David.Als meine Mum nichts weiter sagt, harke ich nochmal vorsichtig nach. „Also?", frag ich lang gezogen. „Ich bewahre dir aber nicht von dem Essen morgen auf, damit das klar ist." Meine Lippen verziehen sich zu einem großen Lächeln und ich würd sie umarmen, wären da nicht di Teller in meinen Händen. „Danke, Mum, wirklich." Sie schüttelt noch einmal sanft den Kopf, um nochmal zu zeigen, wie wenig sie von der ganzen Sache hält. „Sei nicht zu enttäuscht, wenn dich diese Frau morgen nicht mit Küssen überhäuft."
„Werde ich schon nicht.", sag ich noch eilig, dann mach ich mich daran, den Tisch fertig zu decken.--
Am Dienstag in der Schule vergessen ich und Lionel beide unsere Abmachung, dass ich in der Pause bei ihm sitzen würde, aber da er auch nichts unternimmt, finde ich es albern ihn darauf anzusprechen. Erst nach der Schule, gesellt er sich noch einmal zu mir, um mir die Uhrzeit für heute Abend zu sagen, 19 Uhr. Und das wars, den Rest des Tages bis zum großen Essen verbringe ich damit, mir ein passendes Outfit auszusuchen, wobei mir Hannah und Lilly behilflich sind, die nach der Schule mit zu mir gekommen sind. Lilly hat sich bereit erklärt mich mit zu nehmen in ihrem roten Cabrio. Solang Hannah all meine Kleider und Blusen aus meinem kleinen Kleiderschrank und meiner Kommode wirft, sitzt Lilly nur in dem blauen Sessel am Fenster und erlaubt sich alle paar Minuten mal einen Blick vom Handy, wenn Hannah ein neues Kleidungsstück in die Luft hält.
„Ich würd sagen, du musst etwas anziehen, was dich smart, sexy und brav zugleich aussehen lässt." Ich zieh skeptisch meine linke Augenbraue nach oben und ziehe meine Füße im Schneidesitz näher an mich heran. „Widersprechen sich brav und sexy nicht ziemlich genau?", frag ich nach, aber da meldet sich selbst Lilly zu Wort. „Männer, wie Lionel schaffen es alles zu sexualisiere, selbst eine Jeans mit Bluse und Brille, also nein." Männer, wie Lionel. „Was meinst du mit, Männer wie Lionel?", frag ich interessiert nach. Lilly zuckt mit den schmalen Schultern und wirft eine blonde Strähne hinter sich. „High School Jungs halt.", erklärt sie nicht wirklich hilfreich, aber ich gebe mich erstmal damit ab, schüttle aber trotzdem leicht den Kopf und widme mich daraufhin wieder Hannah, die mir jetzt eine weiße Bluse mir V-Ausschnitt auf den Schoß wirft. „Brav und Sexy widersprechen sich nicht.", widerholt sie und kramt dann auch tatsächlich eine enge blaue Jeans heraus. „Lilly hat zum ersten Mal heute, etwas nützliches gesagt." Lilly verdreht dankend die Augen und ich betrachte die beiden Teile kurz.
Die Bluse ist aus einem weichen Stoff, der perfekt, ohne Falten fallen wird und trotzdem hat die Bluse etwas. „Dazu kannst du noch irgendein Schmuckstück tragen, um das Ganze aufzupeppen." Hannah überlegt kurz, rennt dann zu meinem Schmink und Schreibtisch, um von einem Schmuckhalter eine silberne Kette zu nehmen, an der ein kleiner Schmetterling hängt. Die wirft sie mir auch zu und ich fang sie noch in der Luft. „Worauf wartets du? Probier schon an."
Ich lass mich von Hannah wirklich hetzen und zieh beide Teile über meine weiße Unterwäsche, bei der Kette hilft mir Hannah und sie besteht auch darauf, mir einmal durch die Haare zu kämmen. Als sie fertig ist, geht sie einen Schritt nach hinten und deutet mir mit ihrer Hand, mich einmal im Kreis zu drehen. Seufzend gebe ich nach und dreh mich theatralisch im Kreis. „Perfekt, wow bin ich gut.", lobt sie sich stolz und grinsend selbst. „Jetzt nur noch ein bisschen Lippenstift und alle liegen dir beim Essen zu Füßen." Ich guck fragend zu Lilly, die mit einem eher schwachem Nicken zustimmt.
„Apropos Essen, wird sein großer Bruder auch da sein?", fragt sie in ihrem typischen langsam-gelangweilten Ton nach und ich kann dieses Mal ebenfalls nur mit den Schulter zucken. „Du meinst Ezra? Keine Ahnung, Lionel hat ihn nicht erwähnt."
„Ich hab gehört, der soll letztens Stress mit den Bullen gehabt haben und deshalb zu Hause gewesen sein.", meint Hannah aus dem Nichts. „Im Ernst?" Sie nickt mir eifrig zu, hebt dann aber unschuldig die Hände. „Aber wir kennen ja die üblichen Gerüchte."Würde mir Lionel nicht von so einem Ereignis erzählen? So ein Vorfall ist nicht nichts, besonders, wenn es dein Stiefbruder ist. Vielleicht hat Lionel ja wirklich echte Gründe seinen Stiefbruder nicht zu mögen. Ich verdräng den Gedanken wieder, als mein Wecker klingelt, der mich daran erinnern soll, dass ich los muss. Sowas mach ich immer, tausend Wecker stellen, damit ich auch ja nie zu spät komme. Ich packe meine kleine Handtasche und gehe dann mit beiden Mädchen die Treppen runter. „Aufpassen", warn ich beide, als wir an der kaputten Treppe ankommen.
„Wohin gehst du?", fragt Paula vom Sofa aus, die grade ihre Serie guckt. Ich glaub sogar von hier aus zu erkennen, dass sie Schokolade im Gesicht hat. „Ich bin jetzt Essen, bei Lionel." Paula hat Lionel noch nie so richtig gesehen, aber den Namen kennt sie natürlich. „Kann ich mit?" Ich schüttle schmunzelnd den Kopf, gehe noch einmal auf sie zu, um ihr schon mal gute Nacht zu sagen. Auf dem Weg zur Haustür, kommt mir auch nochmal meine Mutter entgegen. „Du siehst gut aus, lass dich nicht wieder von ihr runter machen." Ich verschränke die Arme vor der Brust. „Das wird nicht passieren, du darfst sowas nicht immer sagen. Das sind keine schlechten Menschen."
„Dann sollten sie mir das doch mal selbst beweisen.", schlägt sie stur vor. Ich verdrehe nur die Augen und zieh mir die Schuhe an, auf das Gespräch hab ich jetzt keine Lust.„Ich mag deine Mum.", flüstert mir Hannah zu, als ich für uns die Tür öffne. „Sag ihr das bloß nicht." Lilly und Hannah schlüpfen neben mir ins Freie und ich ruf noch einmal zum Abschied, bevor auch ich raus gehe und die Tür hinter mir leise zufallen lasse. „Also, das wird heute Abend mega, du wirst sie um den Finger wickeln und Lionel dich heute Nacht abknutschen." Hannah streichelt mir über die Oberarme. „Aber immer an Kondome denken, nh."
„Hannah", zische ich, aber sie umarmt mich nur lachend, wobei mich ihre schwarzen Locken an der Nase jucken. „Viel Glück", wünscht mir Lilly und legt mir ebenfalls flüchtig einen Arm um die Schultern. Beide gehen zum Platz, wo das rote Cabrio steht und ich steig in den roten Wagen meiner Mutter ein. Als die Tür zu ist, atme ich noch mal die durch.
DU LIEST GERADE
Farbenfroh |✔️
RomanceEigentlich führt Olivia eine Beziehung mit ihrem traumhaften Footballspieler Lionel, aber immer mehr hat sie das Gefühl, er würde sie nicht mehr richtig wahrnehmen. Während ihre Beziehung droht zu zerbrechen, fällt ihre Aufmerksamkeit immer öfter au...