Kapitel 4

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Auf der nicht all zu langen Fahrt wird mir zwischendurch immer mulmig, aber gleichzeitig freu ich mich auch immer weiter, denn wenn das heute gut läuft, würde das nicht nur mir total viel bedeuten, sondern hoffentlich auch endlich meinen Eltern und Lionels zeigen, das wir zusammenpassen. Natürlich könnte man sagen ich mach mir viel zu viele Gedanken, aber wer mich nur ansatzweise kennt, weiß dass ich eine reine Perfektionisten bin und die kleinste Unebenheit mich in den Wahnsinn treiben kann. Und genauso muss auch meine Beziehung perfekt sein und somit auch mein Verhältnis zu Lionels Mutter.

Bevor ich die Auffahrt zur Villa hoch fahren kann, muss ich am Tor Meter davor schon klingeln, eine Frauenstimme antwortet mir und dann öffnet sich das Tor auch vor meinen Augen. Das war die Stimme der Haushälterin. Ja, daran musste ich mich auch erstmal gewöhnen, aber ich hab schnell heraus gefunden, dass die meisten auf der Ceaser High School sowas wie Angestellte zuhause hat. Sei es ein Gärtner, Koch, privater Masseur, Nanny oder eben eine Haushälterin.
Während ich zum Parkplatz der Ceaser hoch fahre, umgeben mich von allen Seiten rote und lila Blüten, die in den hohen Hecken, die den Weg eingrenzen, blühen und sobald ich aussteige, kitzelt mich der Geruch der Blumen, oder auch der Pollen in der Nase. Bevor ich zur Tür komme, die so gut wie aus Glas besteht, niese ich noch drei Mal direkt hintereinander. Als ich die runden Treppe zur Haustür des riesigen hellen Hauses hoch spaziere, krame ich noch nach einem Taschentuch, das ich nach seinen Gebrauch sofort wieder in meine kleine Umhängetasche stopfe.

Im Glas der Tür kann ich mich spiegeln, richte nochmal schnell meine Haare, die auf der Autofahrt etwas wuschelig geworden sind, dann atme ich nochmal tief durch. Alles wird gut, Olivia. Du schaffst das. Du schaffst es seit Jahren auf einer Schule voller Reichen, dann schaffst du auch einen Abend mit ihnen.
Um mich zusätzlich etwas zu beruhigen, fang ich an leise vor mich hin bis Zehn zu zählen, als ich bei der letzten Zahl angekommen bin, hab ich mich schon wieder gefasst und drücke dann endlich auf den kleinen runden Knopf der silbernen Klingel. Bis hier nach draußen kann ich die lange Musik der Klingel hören, die bestimmt alle aus de Betten raus holt, wenn da jetzt jemand schlafen würde.

Ich warte, aber niemand kommt. Grade als ich in Erwägung ziehe, noch einmal zu klingeln, wird die Tür ruckhaft aufgerissen und fliegt so sehr auf, dass ich mich kurz für einen Zusammenprallen mit der Wand mache, aber sie wird aufgehalten. Nicht von Lionels Mum, Stiefvater oder ihm selbst, sondern von der Haushälterin, die ziemlich außer Atem wirkt. „Willkommen, Olivia.", grüßt sie mich dennoch freundlich und ich sie mit einem zaghaften Lächeln auch zurück. Ich war ja schon öfters hier, nur eben nie offiziell und da sowohl David, als auch Megan fast immer arbeiten sind, bot sich auch noch keine Gelegenheit zufällig auf einander zu treffen.

Sie öffnet noch einmal dem Mund, um mir was zu sagen, ihre wartenden Worte werden aber sofort abgeschnitten von einer dunklen, weichen Stimme. Mein Blick fährt sofort zu der Richtung, aus der sie gekommen ist. Vor mir, nur wenige Schritte entfernt ist aus dem offenen und mega langen Flur ein Mann aufgetaucht. Blonde kleine locken, blaue Augen, groß und gut gebaut, so gut, dass ich annehmen muss, dass er noch immer trainiert und sich zumindest ein bisschen gut ernährt, so sieht David aus. Auch ihn hab ich bis hier hin noch nie oft gesehen und besonders noch nie so genau, aber er sieht wirklich nicht schlecht aus. Wenn man nicht weiß, dass er nicht der leibliche Vater von Lionel ist, könnte man genau das annehmen. Und dann wieder doch nicht. Lionel sieht viel weicher aus, seine Wangen sind schmäler, die Augen dunkler und nicht so klar, er sieht einfach anders aus.

„Du musst Olivia sein-" Bevor ich antworten kann, redet der gut aussehende Mann in hellen Stoffhosen und weißem Hemd schon weiter und kommt auch weiter auf mich zu. „Ich freu mich dich endlich richtig kennen zu lernen, toll dass du hier bist." Wieder will ich was erwidern und wieder kommt er mir zuvor. Das Lächeln, das ist auch anders als Lionels. Es sieht echter aus, breiter, natürlicher. „Tut mir leid, ich wollte dir eigentlich selbst die Tür aufmachen und hab unserer Thea auch gesagt, dass sie sich darum keine Sorgen machen soll und dann war ich grad im Bad, als es geschellt hat." Er legt Thea, Haushälterin, die große Hand auf die Schulter, sie lächelt wirklich und zuckt nicht ein bisschen zurück. Die Geste hat nichts unangenehmes oder aufdringliches, sie ist einfach nett und anscheinend auch nicht ungewöhnlich, denn Thea lächelt, nickt ihm zu und verabschiedet sich dann.

Farbenfroh |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt