Kapitel 31

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"Ich bin schon lang in dich verliebt, weißt du?"

Ich reiß die Augen auf und mein Herz bleibt erst stehen, bevor es beginnt zu rasen.
„W-was?", frag ich lieber nochmal nach. Ich muss mich verhört haben, denn das, was ich grade gehört habe, kann nicht stimmen. Das nicht einfach nur nicht stimmen, dass kann schon gar nicht stimmen, weil es von Ezra kommt. Und Ezra hat keine Gefühle, definitiv nicht solche. Ganz sicher nicht solche. Und noch sicherer nicht gegenüber mir. „Ich muss mich nicht widerholen." Doch, doch musst du. Aber alles, was ich hervorbringe ist ein zweites „Was?".

„Ich kenne dich erst seit ein paar Wochen, nur Tage, aber es fühlt sich an, als wären es Jahre. Ich hab dich schon öfters gesehen. Und dann jetzt nicht auf Stalker Basis, ganz und gar nicht. Aber ich hab dich zwischendurch gesehen, wenn du Lionel besucht hast. Wie du aus seinem Auto gestiegen bist, mit diesem nervösen Lächeln im Gesicht, weil du es so besonders fandest, dass er dich in sein Reich bringt. Und dann, wenn du aus dem Haus gegangen bist, war das Lächeln verschwunden. Jedes verdammte Mal, war es nach Lionel wieder weg. Und es hat mich so wütend gemacht. Ich hab nicht verstanden wieso, weil ich dich kannte. Du warst einfach nur Lionels Freundin, die ab und zu mal bei uns zuhause war, wenn es sonst keiner war. Und trotzdem hatte ich jedes Mal den Wunsch, ihm die Fresse zu polieren, wenn du wieder mit gesenkten Schultern und diesem traurigen Gesichtsausdruck gegangen bist. Und dann war ich irgendwann sogar eifersüchtig. Ich war eifersüchtig auf Lionel, obwohl ich kein Recht dazu hatte. Ich kannte nicht mal deinen Namen."

„Ich hab die nie gesehen.", murmle ich, weil mir nichts anderes einfällt. „Ich war immer in meinem Atelier, ich konnte den Parkplatz sehen und gehört habe ich auch alles. Ich war fast immer da, aber Lionel hatte dich mir nie vorgestellt und da ich nichts mit ihm zu tun haben will, hab ich mich dir natürlich auch nie vorgestellt."
„Aber... du kannst nicht... verliebt sein, dass... geht nicht." Er lockert sich etwas und senkt einmal kurz den Blick, bevor er mir wieder in die Augen guckt. „Ich bin kein Romantiker. Ich fand noch nie ein Mädchen interessant, mein Dad dachte nh Zeit lang ich wäre verrückt, weil ich noch nie ein Mädchen mit nach Hause gebracht hab. Ich will nicht sagen, dass ich mein Leben lang koscha war, aber ich bin nie weiter gegangen. Und dann hab ich dich das erste Mal gesehen, du hast gestrahlt, ich konnte hören, wie du geklungen hast, wenn du mit Lionel geredet hast, als wäre er was besonderes und du würdest ihn wirklich lieben. Und mich hat das alles fasziniert. Du hast mich so fasziniert, dass ich dich nicht mehr aus dem Kopf gekriegt habe."

Niemals. Niemals, stimmt das alles. Du musst aufwachen, Olivia! Das ist alles ein Traum!

„Kneif mich." Ezra zieht eine Augenbraue in die Höhe und stützt sich weiter nach vor auf seine Hände. „Wie bitte?"
„Kneif mich.", widerhole ich mich wie in Trance. „Ist das eine Falle?"
„Nein." Dann zieht es in meinem Oberarm und ich zuck sofort zusammen. „Aua.", jammere ich und leg mir die Hand auf den rechten Arm, wo Ezra mich gekniffen hat. Er schaut mich nur weiter mit diesem perfekten Gesicht an. „Noch was, was ich tun soll?"
Jetzt könnte ich ihn rausschicken, ganz sicher, jetzt müsste er einfach gehen. Aber Teil der Wahrheit ist, ich will nicht, dass er geht. Besonders nicht jetzt, nicht jetzt, wo mein Herz Saltos schlägt und Schmetterlinge in meinem Bauch rum flattern, als wäre ich ein verdammter Botanischer Garten.

„Du meinst das ernst?", frag ich vorsichtig und halte meinen Arm dabei weiter fest. „Jedes Wort, Diaz. Ich kannte dich nicht, aber ich wusste, dass ich dich kennen lernen musste und irgendwann konnte ich mich nicht mehr zurückhalten."

„Ich war noch mit Lionel zusammen.", bemerke ich und er nickt. „Ich weiß, ich weiß und ich wollte dir niemals deine Beziehung mit ihm versauen, weil ich kurz dachte, du würdest ihn wirklich lieben und brauchen. Aber ich hab mitbekommen, wie er dich behandelt hat. Wie er über dich geredet hat. Dass er Mädchen da hatte, wenn du nicht da warst."
Da unterbreche ich ihn. „Warte. Du wusstest, dass er mich betrügt? Du warst dabei?"
„Ich hab vielleicht Zwei Mal mitgekriegt, dass ein Mädchen da war, aber sie war nie allein da. Da waren noch immer mindestens zwei seiner Kumpel. Olivia, ich konnte dir nichts sagen, es wäre verrückt gewesen. Außerdem wusste ich, ich hätte dich nicht in Ruhe gelassen, sobald ich einmal mit dir geredet hätte."

„Aber du hast mit mir gesprochen, du warst ein Arsch."
„War ich, damit du dich wenigstens von mir fern hältst, wenn ich mich schon nicht von dir." Er guckt mich schmunzelnd an und legt den Kopf etwas schief. „Hat nicht ganz funktioniert, der Plan."
„Hat er nicht, nein."
Seine Hände sind näher an mich ran gerückt und ich glaube, dass sein Gesicht mir auch noch näher gekommen ist. So nah, dass seine Lippen und ein Kuss unwiderstehlich sind. „Du wolltest das hier also schon die ganze Zeit?" Ich deute mit meinem Zeigefinger zwischen uns beiden hin und her. „Seit beinahe einem Jahr, ja." Bei jedem anderem, hätte ich gesagt er sei verrückt oder ein hoffnungsloser Romantiker, aber bei Ezra...
„Du kannst was tun."
„Was?"
„Küss mich. Genau so wie letzte Mal."

Er legt seine Hand auf meine Wange und streichelt mit seinem Daumen zärtlich über meine Wange, während seine Lippen jetzt nur noch Millimeter vor meinen schweben. Sie öffnen sich schon bei mir, und ich schließe die Augen sehnsüchtig. „Warum bist du Freitag abgehauen?" Die Frage stellt er so sanft und trotzdem reiße ich die Augen wieder schnell auf. „Lionel."
„Was ist passiert? Ich hab dich gesucht. Ich hab deine Stimme aus dem Gästezimmer gehört. Er war auch da, oder?" Ich nicke. Sein Daumen streichelt meine Wange weiter. „Ja, er war da."
„Und was hat er gemacht? Wenn er dich angefasst hat oder die sonst weh getan hat, ich schwöre, das war das letzte Mal, dass er dich überhaupt gesehen hat." Ich schüttle leicht den Kopf und lehne mich etwas mehr in seine Berührung hinein. „Nein, ich meine ja, er war aufdringlich." Ich schlucke schwer. Bei der Erinnerung, läuft es mir kalt den Rücken runter.

„Ich dachte zumindest, er wollte mir weh tun, er hat davon geredet, dass er wüsste, was ich abziehe, dass ich ihn eifersüchtig machen will und er wieder mit mir... schlafen würde, weil das funktioniert hätte." Die Hand, die er als ich angefangen habe zu reden, an meine Taille gelegt hat, ballt sich zu einer Faust. „Aber er hat aufgehört und dann... wurde er ganz wütend..." Ich atme nochmal zittrig durch und die Faust öffnet sich, um mich an der Hüfte an Ezra zu ziehen.
„Was ist dann passiert?", fragt Ezra ruhig und eindringlich. „Er erpresst mich."

„Womit?" Die Ruhe und Kälte in Ezras Stimme macht selbst mir Angst, obwohl es nur eine Person gibt, die jetzt vor ihm Angst haben sollte. „Mit Bilder." Ich kann ihm nicht in die Augen gucken, als ich gestehe womit. „Nacktbildern." Eine Träne kullert mir über die Wange und Ezras Daumen wischt sie sofort sanft weg. „Wein nicht."
„Ich fühl mich aber so dumm. Wie konnte ich ihm so vertrauen? Gott, das ist so peinlich." Ich will mich am liebsten umdrehen und wieder unter der Decke verstecken, aber Ezra zieht mich an sich, drückt mein Gesicht an seine Brust und mit seiner Hand in meinem Rücken, auch den Rest meines Körpers an seinen. „Du brauchst nicht zu weinen und dich auch nicht zu schämen. Das ist alles seine Schuld. Du hast ihm vertraut und er hat das ausgenutzt und ich verspreche dir, Olivia, er wird dafür büßen."

Ich heb den Kopf, er muss sich richtig nach unten beugen, um mich sehen zu können. „Was hast du vor?" Ich hab fast Schiss vor der Antwort. „Überlass das mir, Diaz. Du hast genug durch gemacht. Alles was zählt ist, dass morgen alles wieder gut sein wird."
„Du bist nicht sauer auf mich?"
„Wie könnte ich sauer auf dich sein?" Ich zucke nur mit den Schultern. „Ich liebe dich, Diaz. Du könntest mich ein ganzes Jahr lang ignorieren und ich würd wieder kommen, um nur noch einmal mit dir zu reden und dich lächeln zu sehen."

Ein Jahr, ein Jahr warten, wobei er schon ein Jahr gewartet hat.
Und ich weiß die einzig richtige Antwort, als mir klar wird, wie ich mich jetzt in diesem Moment und in all den anderen mit ihm fühle. Zum ersten Mal bin ich mir richtig sicher, dass meine Gefühle richtig sind und mein Herz und das Flattern in meinem Bauch echt und die Wahrheit sind.

„Te amo también, Cariño mio."
Ich liebe dich auch, mein Liebling.

Farbenfroh |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt