Kapitel 27

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War es falsch meiner Mutter zu sagen, ich sei bei Hannah, obwohl ich von Ezra eingeladen wurde?
Ja

Hat es funktioniert?
Ja!

Bereue ich es trotzdem gekommen zu sein?
Nein

Nein, war jedenfalls meine Antwort auf diese Frage, bis mir nicht Ezra die Tür öffnet, sondern Winston. Ein Freund von Lionel, der nur vorbei kommt, wenn Lionel seine Pokerabende veranstaltet. Und zwar jeden verdammten Freitag. Und was für ein Tag ist heute? Genau, Freitag. wie konnte ich so dämlich sein? Wie konnte ich das vergessen? Ich will schon fast in dem Moment wieder zurück zu meinem Auto, als mich Winston so lüsternd anguckt, dass mir fast die Galle hochkommt. Aber ich reiße mich nochmal zusammen, denke einfach daran, für wen ich hier bin. Ich bin zwar etwas früh dran, was vielleicht auch der Grund ist, warum mir einer von Lios Kumpeln die Tür aufmacht und nicht Ezra, wie er es sonst bestimmt getan hätte, aber nicht so früh, dass es gleich unangenehm wird, wenn ich endlich oben in Ezras Zimmer bin.

„Holla, Seniorita. Wie heißt du nochmal?" Er ist betrunken, so viel ist sicher. Wacklig lehnt er sich an den Türrahmen und versperrt mir so den Weg rein. Die Flasche mit Bier in seiner Hand tippt er fragend an sein Kinn, als würde er wirklich stark darüber nachdenken, wie ich heiße. „O-" Ich will ihm eigentlich nur auf die Sprünge helfen, damit ich endlich vorbei kann, aber Winston legt mir seinen Zeigefinger auf die Lippen und schüttelt den Kopf mit dem schmalzigen Haar, dass er zum Mittelscheitel trägt. Wer hat diesen Jungs nur gesagt, dass alle mit Mittelscheitel gut aussehen würden? Sch, Sch, Sch, Sch, ich will selbst drauf kommen..." Meine Augen drehen eine Runde und ich verschränke die Arme vor der Brust, während ich darauf warte, dass der Trottel endlich auf meinen Namen kommt. Er weiß sicher, dass Lionel eine Freundin hatte und sicher weiß er auch, dass er die hatte und nicht mehr hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Lionel seinen Freunden eine solche Information vorenthalten würde.

Ich male mir da auch keine schönen Märchen aus. Gute Sachen werden in dem hinterem Pokerzimmer über mich bestimmt nicht geredet. „Olivia"
„Genau, Olivia! Ich wusste es!" Winston lächelt stolz, aber meiner Aufmerksamkeit liegt schon längst hinter ihm auf jemand anderem und leider Gottes ist dieser jenige nicht Ezra. Noch kannst du gehen, Oliv., flüstert eine unsichere Stimme hinten in meinem Kopf. Aber ich bleib, wo ich bin. Winston folgt meinem Blick und geht einen schwankenden Schritt beiseite, als er seinen guten Gastgeber Lionel sieht, der nur ein paar weniger Schritte von uns entfernt steht. „Geh Winston, belästige jemand anderen." Winston hebt beide Hände, wobei ein bisschen Bier auf den weißen Fliesen landet. „Ganz ruhig, bin schon weg. Viel Spaß euch, Olivia." Da ich zwar zu Ezra will, aber auch keinen Schritt näher an Lionel heran, bleib ich erstmal vor der Haustür wie angewurzelt stehen. Leider bringt das nichts, denn stattdessen trottet Lionel mit einer Schrittart auf mich zu, die sofort verrät, dass er auch mindestens ein, zwei Bier zu viel hatte.

„Lio, ich will echt keinen Stress.", sag ich schon mal direkt, bevor, er mich wieder anmotzen kann. Aber ich hätte wissen müssen, dass eine solche Floskel bei Lionel Ceaser ungefähr so wirkungsvoll ist, wie Wasser mit Öl zu bekämpfen. „Schön für dich, Oliv. Aber da hast du was, nicht ganz berechnet." Jetzt ist er gleich schon so nah, dass ich die glasigen Augen erkennen kann, die vom Alkohol ganz müde hängen. Mein Körper spannt sich sofort etwas mehr an. „Und was? Ich brauche weder deine Erlaubnis, noch deine Meinung zu irgendwas, was ich in meinem Leben tue. Denn wie gesagt, dass ist mein Leben, nicht deins."
„Du hast dieses Leben doch nur wegen wir. Ohne mich wärst du noch immer die komische Neue und Ezra, der hätte dich nicht mal mit der Kneifzange angefasst, geschweige denn angeguckt."

„Darum geht es dir hier also wieder? Ezra? Ist dein Ego wirklich so groß, Lionel?" Jetzt ist er so nah, dass ich seine Fahne tatsächlich riechen kann und ich bin mir sicher, dass da nicht nur Bier im Spiel war. „Mein Ego ist groß, aber nicht das größte an mir." Den Kommentar, hätte er sich auch sparen können. Ich schnaube auf und will mich einfach an ihm vorbeidrängen, als plötzlich seine Hand ausschießt und mich am Oberarm packt. So fest und so kraftvoll, dass ich keinen Schritt weiter gehen kann. „Lass mich sofort los.", zische ich ihm direkt ins Gesicht und spanne meinen Arm an, aber seine Finger bohren sich nur weiter in mein Fleisch. „Geh nach hinten ins Gästezimmer.", knurrt er so leise, dass nur ich ihn verstehen kann, obwohl kein anderer mit uns im Flur ist. „Leck mich, Lionel." Ich versuche mich noch einmal aus seinem Griff zu befreien, aber nichts passiert.

Farbenfroh |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt