Kapitel 11

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Seine Blick mit den grünen Augen hält mich an Ort und Stelle gefangen und der Ernst in seiner rauen Stimme, jagt mir einfach so eine Gänsehaut über den Körper. Ich schlucke schwer und gucke nochmal hilfesuchend nach oben zum Treppenansatz, aber weder Lionel noch David sind dort zu sehen und hören kann ich auch niemanden. Selbst Megan kann von mir aus hier auftauchen, jeder, nur nicht mit dem da alleine sein. „Ich stöbere nicht herum.", bring ich schließlich nach einem tiefen ein und ausatmen zusammen. Ezra zieht unbeeindruckt eine Augenbraue nach oben und lehnt sich etwas gegen den Türrahmen, aber seine Haltung strahlt noch weiterhin eine solche Autorität und Stärke aus, das ich mich innerlich schüttle. Nicht mal Megan hat so eine Wirkung auf mich. „Wie nennst du es denn sonst, was du hier tust?", fragt er gleichzeitig locker und streng. Ich deute hinter mich auf den Garten. „Ich guck nur aus dem Fenster." Ja, als würde er das nicht sehen, Oliv!

„Was machst du denn hier?" Über meine Frage, wundert er sich wahrscheinlich genauso, wie ich selbst. Ich glaube kurz ein Zucken an seinem Mund zu sehen, bevor er sich von der Tür abstößt und mit breiten verschränkten Armen langsame Schritte nach vorn geht. Nicht einfach nur nach vorn, sondern direkt auf mich zu. Mein Blick schweift kurz ab von seinem Gesicht und bleibt an einem roten Fleck auf seiner sonst perfekt gebügelten Leinenhose liegen. „Sollte ich dich das nicht lieber fragen?", gibt er ohne einen Funken von irgendeinem Gefühl oder Spaß zurück. Mein Blick ist wieder oben. Er ist nicht mal ein Meter nah und trotzdem hab ich jetzt schon den Drang ihm weiter nach hinten auszuweichen. „Ich in hier, um mit Lionel zu reden. Meinem Freund, wie du sicher weißt." Er hört nicht auf zu laufen. „Womit hat er das denn verdient?" Er ist gleich da. Bei mir. Ich stoße überraschend Luft aus und weiß kurz nicht was ich sagen soll. „Was soll das denn jetzt heißen?"

Zur Abwehr gegen ihn und seine Nähe überkreuze ich jetzt ebenfalls die Arme vor meiner Brust. Dabei werden meine Brüste zwar etwas nach oben gedrückt, aber Ezras Augen rutschen nicht einmal von meinem Gesicht ab. Lionel würde das Gespräch jetzt hingegen nur noch mit meinen Brüsten führen. Ich bin jedoch nicht besser, als er so nah steht, erlaub ich mir, ihn etwas besser zu betrachten, mein Blick fällt dabei nicht nur nochmal auf den roten Fleck auf seiner Hose, sondern auch auf seine Nägel. Kurz und gepflegt, aber ich kann auch da Rückstände von Rot erkennen. Ist das etwa... Bevor ich weiter richtig darüber nachdenken kann, antwortet er mir .

„Ich hab so das Gefühl, dass er dich gar nicht sehen will." Er legt den Kopf schief und bleibt genau drei Schritte vor mir stehen. Die Beine schulterbreit und stramm auseinander. Ich hab das Gefühl zwischen ihm und dem Fenster gefangen zu sein. Ich suche nochmal nach einem Ausweg, aber da ist keiner. Also beginne ich in Gedanken zu zählen, bei Vier, hab ich mich soweit beruhigt, dass ich sicher antworten kann. „Ich bin seine Freundin.", kontere ich schwach. „Und er dein Freund." Er pausiert kurz. Ich bleib still, bis er wieder das Wort ergreift. „Und trotzdem erwartet er dich nicht. Du stehst hier unten allein, in seinem Haus. Während er da oben schläft mit einem fetten Kater." In mir steigt langsam Wut heran, die ich erstmal damit im Zaun halte, indem ich die Fäuste balle. Sein Blick fällt auf meine Hände an meinen Seiten, es regt sich was in seinem Gesicht, aber ich kann nicht sagen was, dafür ist seine Fassade zu perfekt. „Ich... natürlich will er mich sehen."
„Du musst es ja wissen, du bist schließlich seine Freundin nicht? Du weißt sicher alles über ihn. Zum Beispiel wo er die ganze letzte Nacht war?" Ich gehe vor Zorn jetzt doch einen Schritt auf ihn zu. „Was willst du damit andeuten? Du kennst weder mich, noch einen Scheiß über meine und Lionels Beziehung!"

Ich starre ich entbrannt in die schönen Augen, aber er ist die gefährliche Ruhe selbst. Er beugt sich mit seinem Gesicht nur ein ganz wenig meinem entgegen. Ich kann seine Nähe schon ganz genau spüren. „Ich hielt dich für schlau. Vielleicht war das ein Fehler."
„Was wagst du-!"
Er lehnt sich wieder zurück, wirkt dabei schon fast gelangweilt. „Hör zu, ich hab weder Zeit noch Lust, mich weiter mit einer wütenden Latina zu unterhalten, deswegen gehe ich jetzt und lass dich hier auf deinen Freund warten. Nur du weißt, warum du ihn dir antust." Er hat mir den breiten Rücken zugedreht, bevor ich ihm noch einmal ins Gesicht schreien kann. „Bleib verdammt nochmal hier!", schrei ich hm hinter her, aber Ezra geht ohne sich nochmal umzudrehen oder mit Gehör zu schenken einfach die Treppen raus und verschwindet.

Ich bin nicht dumm, natürlich weiß ich, was er alles andeuten wollte und ich weiß natürlich auch, dass er das alles nur gesagt hat um mich zu provozieren und ich könnt mir selbst eine Backpfeife dafür geben, dass es tatsächlich funktioniert hat.
Lionel lässt mir noch volle 10 Minuten, um mich abzuregen, in der Zeit hab ich in Gedanken aufgebracht bis 1000 gezählt, damit ich, als er dann endlich für mich runter kommt, völlig ruhig bin. „Guten Morgen.", wünsche ich ihm, bevor er bei mir ist, um mir einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Was machst du denn so früh hier, Baby?" Okay ruhig bleiben. „Lionel wir haben nach 13 Uhr." Er kratzt sich am Hinterkopf und sagt nichts. „Ich bin hier, um nochmal über gestern zu reden, das lief alles viel zu schnell ab und war alles ganz komisch, findest du nicht?"
Lio lässt den Kopf in den Nacken fallen, so als hätte wir das ganze schon 100 Mal besprochen und das hier würde ihm den letzten Nerv rauben. „Was willst du besprechen, Oliv? Es gibt nichts zu besprechen."
„Du warst... komisch und dann bist du einfach weg."

„Oliv, wir sind zusammen, aber ich bin dir keine Rechenschaft schuldig und du mir auch nicht, okay? Ich war mit Kumpels danach noch ein Spiel angucken, mehr war da nicht. Misstraust du mir echt so krass? Ich hab das Gefühl, du vertraust mir in letzter Zeit nämlich so gar nicht mehr." Ich schüttle schnell den Kopf und leg meine Hände auf seine Brust, was hoffentlich eine beruhigende Wirkung auf ihn hat. „Ich vertraue dir, Lio-" Seine Hände schließen sich eng um meine, er zieht sie ein Stück von seiner Brust weg. „So sieht es aber ganz und gar nicht aus." Ich beiße die Zähne fest zusammen, vor Schuldgefühlen. Ich seufze und senke kurz den Blick. „Es tut mir leid." Ich gucke weiter auf unsere Füße, die sich so nah gegenüber stehen, dass sie sich beinahe berühren. „Es tut mir leid, dass ich dir nicht vertraut, habe du hast recht. Es ist nur... ich glaub ich stress mich selbst und such einfach nach Problemen." Seine Hände lassen meine runter, zwischen uns, aber er hält sie weiterhin. „Du hast dich schon immer zu sehr unter Stress gesetzt. Bald ist das Schuljahr vorbei, Oliv. Relax, dann bist du vielleicht auch nicht so fixiert auf mich und so misstrauisch."

Ich nicke eilig und hebe meinen Blick wieder von ganz allein, für den Bruchteil einer Sekunde erwarte ich, die grünen schönen Augen seines Stiefbruders und mich überkommt fast eine Welle der Enttäuschung, als ich stattdessen in Lionels dunkel blaue schaue. Als Lio dann eine meiner Hände frei lässt, legt er die andere direkt auf meinen Schenkel, nur ein paar Zentimeter nach hinten und es wäre mein Hintern, ich weiß nicht was über mich kommt, aber ich muss tatsächlich dem Drang widerstehen, der Berührung auszuweichen. Aber ich bleib stehen, bleib steif stehen und lasse Lios Hand wo sie ist, lasse mich an ihn ran ziehen und lasse ihn auch, als er sich zu mir neigt. Seine Lippen berühren meine und in mir regt sich nichts. Meine Gedanken kreisen noch immer um mein Misstrauen, bis mir Worte in den Kopf kommen, die ich auf keinen Fall hören wollte. Nur du weißt, warum du ihn dir antust.

Ich kneif die Augen zusammen bei dem Gedanken und Zorn breitet sich langsam in mir aus. Lio macht mich vielleicht manchmal wütend auf sich oder auf mich selbst, aber Ezra entfacht eine viel größere und feurigere Wut in mir. Antun, als wäre Lio irgendetwas schlechtes und ich zu dumm, um genau das zu erkennen. Mit Ezra vor geschlossenen Augen und der Wut, die er hervorruft, reg ich mich endlich wieder und dieses Mal lehne ich mich richtig in des Kuss. Ich lege meine Hände um Lionels Nacken und küsse ihn so innig und tief, wie er mich und dabei denke ich die ganze Zeit nur an eins.
Das Arschloch Ezra.

Farbenfroh |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt