Kapitel 14

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Natürlich erzähle ich weder meinen Eltern, noch Lionel von all dem gestern. Lionel wäre wahrscheinlich nur aufgebracht, oder es wäre ihm völlig egal und obwohl meine Mutter es nur gut meinen würde, kann ich auch auf ihre Lehren und Gespräche verzichten. Aber Hannah merkt es natürlich sofort, als ich am Donnerstag nur in meinem Mittagessen herumstochere und kein Wort sage, während Henry und sie eine angerregte Diskussion darüber führen welche Make Up Marke am besten sei. „Hey, was ist denn los mit dir." Hannah stößt mir ihren Ellbogen eher weniger sanft ein die Rippen und ich zucke überraschend zur Seite, wobei mir erstmal das Stück Tomate meiner Gabel aus den Rock fällt. „Nichts, nichts ist los.", murmle ich schlecht gelaunt zurück, während ich mir das Stück Gemüse vom Stoff runter pule und auf eine Servierte lege, die ich dann zwei Mal ordentlich falte. „Du kannst vielleicht deinem unaufmerksamen Boyfriend was vor machen, aber nicht mir. Also, warum tötest du dein Gemüse mit der Gabel und guckst dabei so traurig." Auch Henry schaut mich jetzt mit schiefem Blick an.

Ich seufze, bevor ich beschließe, dass ich ihnen ja wenigsten etwas erzählen kann. „Keine Ahnung, da ist grad ziemlich viel, was nicht nach Plan läuft. Erstmal hat mich Lionel vorgestern vergessen abzuholen und dann hatte ich gestern ein ziemlich unangenehmes Gespräch mit seiner Mum und danach noch eins mit seinem Bruder. Stiefbruder.", verbessere ich schnell hinterher. „Was? Du hast mit Ezra geredet?", fragt Henry sofort aufgeregt und ich werfe ihm einen warnenden Blick zu. „Stimmt ja, erst mal die anderen Probleme." Hannah rückt näher an mich, stützt ihren Lockenkopf auf ihren Handballen ab und schaut mich mit klimpernden Wimpern an. „Also? Er hat dich einfach vergessen? Was hat er denn dieses Mal als Ausrede genutzt."
„Gar nichts."
„Gar nichts?!", wiederholt Henry entsetzt und schüttelt den Kopf. „Ja, gar nichts, er hat es nicht mal bemerkt, dass er mich vergessen hat. Und ich glaub er weiß es bis heute nicht."
„Du hast ihn also nicht drauf angesprochen?" ich schüttle den Kopf und senke etwas den Blick. „Ich fand es einfacher nicht noch so kurz vor Morgen einen neuen Streit an zu fangen, aber das Thema hat ja dann gestern seine Mum übernommen."

Hannah klaut eine Gurke aus meinen hausgemachten Salat und schiebt sie sich direkt in den Mund. „Stimmt, du wolltest mit ihr doch über deinen riesigen Ordner und die Party und so reden. Also lief nicht wie geplant?" Ich schnaube auf, werfe die Gabel in die Tupperbox und lehn mich etwas nach hinten. „Nicht wie geplant ist noch deutlich untertrieben, sie hat mich beleidigt, direkt in mein Gesicht und mir gesagt, ich sei nicht gut genug und sowas alles. Den ganzen reiche Mama Vortag über ihren lieben Sohn."
„Hat sie nicht gemacht.", murmelt Henry wieder entsetzt, aber als ich nicke, sind beide kurz stumm. Hannah legt mir eine Hand auf den Rücken und streichelt kurz rüber. Das soll wohl tröstend sein, aber so richtigen Trost kann ich in der Berührung irgendwie nicht finden. „Das tut mir leid, Oliv, wirklich. Aber du weißt, dass das alles nicht stimmt. Lionel und seine Mutter haben so jemanden wie dich gar nicht verdient."

Mein Blick schwenkt zu Lionel. Er sitzt da an dem Tisch mit seinen Footballfreunden und grinst breit, während ich hier sitze und mich wie ein kleines Kind von meinen besten Freunden trösten lassen muss. „Meiner Meinung nach, ist er eh nur gut für Sex.", meint Henry und Hannah zischt sofort, dass er leise sein soll. Aber ich krieg das kaum noch mit, denn meine Aufmerksamkeit gehört jetzt Lily, die grade dabei ist in ihrem hochgekrempelten Rock, damit er viel kürzer sitzt, als die der anderen Mädchen, die Mensa zu verlassen. Als ich meinen Blick zurück auf Lionels Tisch setze, muss ich mit ansehen, wie sich auch Lionel nur kurz danach erhebt. In dem Moment beginnen in meinem Kopf alle Alarmglocken zu läuten. Ohne weiter drüber nach zu denken, stehe ich auf. Mein Misstrauen ist so groß geworden, dass ich tatsächlich bereit bin, meinem Freund und meiner guten Freundin nach zu spionieren. Aber mein Bauch, der immer mehr weh tut, mit jedem Schritt, den ich aus der Mensa gehe und den beiden folge, sagt mir, dass etwas nicht stimmt.

Farbenfroh |✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt