Kapitel 9

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Clint telefonierte regelmäßig mit seiner Frau über einen sicheren Kanal, den nicht einmal die Agenten von S.H.I.E.L.D kannten.
Er vermisste seine Frau und seine Kinder schrecklich...
Sie kamen ohne ihn zurecht... Mussten sie oft genug.
Doch gerade diese Tatsache war es, die dem Bogenschützen immer wieder ein schlechtes Gewissen machte.
Als es um das Sukovia-Abkommen ging, hatte er sich bewusst dazu entschieden, in den Ruhestand zu treten, um nicht zur Unterschrift gezwungen zu werden.
Er wusste, dass Tony recht hatte... Es musste Regeln und Grenzen für Menschen wie sie geben.
Doch wie sollten diese aussehen?
Natürlich waren die vereinten Nationen nicht S.H.I.E.L.D...
Es würde keinen Oberbefehlshaber per se geben... Aber das bedeutete auch, dass sie im Zweifelsfall Aufträge annehmen mussten, die sie so niemals ausgeführt hätten.
Oder... Was für ihn noch unerträglicher wäre… Eventuell zum Zusehen verdammt wären, wenn die Ländervertreter sich nicht einig werden würden.
Was im Grunde ständig der Fall war, wenn man sich die Politik mal etwas genauer ansah.
Doch was ihn wirklich beunruhigte, war die gnadenlose Eskalation zwischen Steve und Tony.
Der Kampf musste grauenvoll gewesen sein, wenn Tony noch Tage danach so übel zugerichtet gewesen war. Von dem zerstörten ArcReaktor auf seiner Brust ganz zu Schweigen...
Ob Steve wirklich versucht hatte, Tony zu töten?
Clint wollte und konnte sich das nicht vorstellen.
Allerdings... Wenn man ihn und Bucky so beobachtete...
Der Junge mochte zwar ein Opfer der Hydra sein... Aber ob er wirklich einen so guten Einfluss auf Captain Amerika hatte... Irgendwie wagte Clint Barton das zu bezweifeln.
Scott Lang unterhielt sich viel mit Prinzessin Shuri, die mehr über die Fähigkeiten der Prym-Partikel wissen wollte.
Sie hatte es geschafft, zumindest einen Teil der Formel zu reproduzieren, was ungeahnte Möglichkeiten für die zukünftige Verteidigung des Landes haben würde.

Wanda hatte sich erneut in ihr Zimmer zurückgezogen.
Sie konnte mit all der Fröhlichkeit und den Menschen hier nur wenig anfangen.
Sie vermisste Vision.
Er war die einzige Person, die keine Angst vor ihr hatte, auch wenn Steve und Clint ihr gegenüber nie zugeben würden, dass sie ihre Fähigkeiten fürchteten... So spürte sie es in ihrem Inneren sehr genau.
Pietro fehlte ihr.
Ihr Zwillingsbruder war der einzige Mensch auf dieser Welt, der sie wirklich verstanden hatte.
Doch auch ihn hatte sie verloren...
Im Kampf gegen Ultron hatte er sein Leben geopfert, um Clint zu retten.
Sie fühlte sich so schrecklich einsam...
Nur die telepathischen Kontakte zu Vision hielten sie aufrecht.
Auch wenn sie noch nicht gänzlich verstanden hatte, wie sie diese wirklich zustande brachte.
Sie wusste, wenn sie sich nur tief genug auf den Träger des Seelensteines konzentrierte, war es, als wenn eine goldene Aura sich bis zu ihm hinbewegte.
Als würde der Stein sie zu ihm führen, ohne dass sie sich von der Stelle bewegte.
Die Momente, in denen sie mit Vision verbunden waren, waren so unglaublich kostbar für sie...
Sein Verstand und seine Aura waren ein Ruhepol in dieser unglaublich verrückten Zeit.
Und da war noch etwas, das sie spürte...
Seine Liebe zu ihr.
Eine Liebe, die soviel mehr war, als beide je für möglich gehalten hatten.
Eine Liebe, für die sie beide kämpfen würden.
Egal gegen wen oder was ...

"Steve... Kann ich dich etwas fragen?"
Es war mitten in der Nacht auf dem afrikanischen Kontinent, doch an Schlaf war für Bucky Barnes seit Stunden nicht zu denken.
Steve Rogers saß auf seinem Bett in seinem Zimmer. Die Türe, die beide Zimmer trennte, weit geöffnet,so dass sich beide von ihren jeweiligen Betten aus ansehen konnten.
"Klar... Jederzeit." Er legte das Buch, das er gelesen hatte, beiseite und sah seinem Freund entgegen.
"Du musst versprechen, dass du nicht ausflippst..."
Der Blick, den ihm der Blonde zuwarf, war ein ziemlich deutliches Fragezeichen, das jedoch ernster wurde, als er sich gerade aufsetzte und in einer auffordernden Geste Bucky zum Weiterreden animierte.
Das Gesicht des Winter Soldier nahm eine leicht rötliche Färbung an, was er hinter seinen hochgezogenen Knien zu verbergen versuchte.
"Ich weiß... Das Ganze klingt absurd...
Aber es gibt diese Bilder, die ich seit damals nicht aus dem Kopf bekomme.
In dem Moment, wo du mich das erste Mal bei meinem Namen genannt hast..."
Steve spürte wie sein Rücken sich anspannte.
Alles in ihm wollte Bucky bitten es nicht auszusprechen...
Es ruhen zu lassen, in der Tiefe von Steves Empfindungen...
Verborgen vor seinem Herzen.
Doch als Bucky den Kopf hob und ihn aus verlegenen Augen über seine Knie hinweg ansah...
Da wusste Steve genau, er konnte sich nicht länger vor der Vergangenheit verstecken.
"Ich... Ich kann es mir nicht erklären, Steve...Da...
Da sind diese Bilder, diese Gefühle... Ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll."
Tief durchatmend stand der Blonde auf und begab sich in das Zimmer neben seinem.
"Erzähl sie mir...", bat er heiser, spürend wie seine Stimme immer brüchiger wurde.
"Wo soll ich anfangen?
Vor ein paar Tagen, als du... Als du mich berührt hast...
Da kam dieses Bild in mir hoch.
Du hast das schon mal gemacht... Aber... Naja..."
"Anders?", versuchte Steve ihm zu helfen, worauf Bucky schluckte.
"Als würden wir...", nickte Bucky zögerlich, nicht wagend weiter zu sprechen.
Steve setzte sich auf die andere Hälfte des Bettes neben Bucky und suchte seine Augen, bevor er sie wieder schloss und senkte.
Plötzlich war Buckys Hand auf seiner, drückte diese sanft und wartete bis die blauen Augen sich wieder hoben.
"War mehr zwischen uns, als nur..."
"Du bist das letzte Stück Familie, das ich habe Buck...", versuchte Steve sich zu erklären, doch Bucky Augen ließen ihn nicht ausweichen.
"Steve... Bitte... Sag es mir."
Die menschliche Hand seines Freundes drückte sachte zu, fuhr dann mit dem Daumen über die Oberseite der Hand des Blonden, so dass dieser erst auf ihre Hände, dann wieder in Buckys Gesicht sah.
"Ja... Ja, wir... Wir waren mehr, als nur Freunde Buck...
Viel mehr."
Steve hatte erwartet, dass Bucky entsetzt zurück weichen würde, dass er ihn anschreien würde, oder sonst eine Reaktion, die man von einem über hundert Jahre alten Mann in Bezug auf Homosexualität erwarten würde.
Doch alles was Bucky tat, war die Hand in seiner zu drücken und zu nicken.
"Dann macht es Sinn, was ich die letzten Nächte geträumt habe.
Ich dachte schon, ich würde verrückt..."
"Was hast du geträumt?", fragte Steve heiser, nur um in nächsten Moment die Frage zu bereuen, denn eigentlich wollte er die Antwort gar nicht wissen!
Sie würde vielleicht zerstören, was er gerade erst wieder gefunden hatte...
Und etwas in Bucky auslösen, das Steve nicht mehr in der Lage war zu geben.
Zumindest nicht solange er sich dieser Gefühle nicht im Klaren war, die da für eine andere Person in seinem Herzen lagen.
Gefühle, die ihn immer wieder auf dieses kleine Telefon starren ließen, dessen Gegenstück er nach New York geschickt hatte...
Die Gefühle, die ihn immer wieder hoffen ließen, dass eine Nachricht darauf erschien...
Das man ihm verzieh, wo es im Grunde kein Verzeihen geben konnte.
Denn er hatte die andere Person zu sehr verletzt...
So sehr Steve um den Schaden, der durch all das angerichtet worden war, wusste...
So sehr wünschte er sich, Tony könne ihm vergeben.
Im selben Moment, wo er den Kopf hob und Buckys Antwort erwartete, spürte er wie sich altvertraute Lippen auf seine legten und sein Körper beinahe wie auf Autopilot darauf reagierte...

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