Kapitel 17

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Es war ein seltsames Gefühl wieder seinen alten Privatraum im Tower zu betreten.
Er sah noch genau so aus, wie an dem Tag, als er ihn verlassen hatte.
Selbst sein Bett war beinahe noch unberührt...
Steve erkannte mit geschultem Blick, dass auf der Bettkannte jemand gesessen hatte.
Seit der Army war er es gewohnt, sein Bett immer akkurat gefaltet zurück zu lassen, jede Kante absolut gleich.
Wie pathetisch das war, wurde ihm erst jetzt, mit etwas Abstand zu allem, wirklich bewusst.
Sein Skizzenbuch lag auf dem Kopfkissen, ein erneutes Zeichen, das jemand in seinem Zimmer gewesen war, denn Steve bewahrte die alten Zeichnungen seit jeher auf seinem Schreibtisch auf.
Warum nur war für ihn an diesen Anzeichen nichts... Verstörendes... Sondern eher etwas Trauriges?
Kopfschüttelnd schälte er sich aus den wakandischen Kleidungsstücken und tauschte sie gegen eine seiner Jeans, ein weißes Shirt, eine schwarze Lederjacke und eine neutrale braune Cappy.
Seine alte Pilotensonnenbrille lag auf dem Nachttisch und würde ihn, genau wie sein Bart, vor neugierigen Blicken schützen.
Wehmütig sah er sich in dem kleinen Zimmer um, das ihm für eine ganze Zeit als Rückzugsort gedient hatte.
Die Halterung an der Wand, an der sein Schild gehangen hatte, war leer... Jedoch sein Handschuh, mit dem eingebauten Rückholsender, war noch immer in seiner Hosentasche in Wakanda.
Es war, als hätte Tony dieses Zimmer absichtlich so gelassen...
Konnte das wirklich so sein?
War Tony Stark wirklich so... Melancholisch…
Und hatte ihm einen Ort gelassen, an den er jederzeit zurückkommen konnte?
Und warum wärmte dieser Gedanken gerade etwas tief in Steves Seele?
Plötzlich sehr müde, ließ sich der Supersoldat auf der Kopfseite des Bettes nieder und betrachtete den Abdruck, der an der vorderen Bettkannte zu sehen war.
Innerlich verglich er die Größe des Abdruckes mit möglichen Verursachern und wurde sich sehr schnell klar, das es nicht Natascha gewesen sein konnte.
Aber weder Vision noch Rhodey traute er zu in sein Zimmer zu gehen...
Blieb also nur Tony.
Im selben Moment, wo die Erkenntnis seinen Verstand erreichte, spürte er, wie seine Augen feucht wurden.
Er konnte nicht wirklich erklären warum...
Aber der Gedanke, dass Tony hier gesessen hatte... Bevor er verwundet wurde...
Der Gedanke war einfach zu viel für sein verwirrtes Gefühlsleben.

"Mister Hogan zieht sich gegen 23 Uhr zurück.
Ab dann übernehme ich die Wache an Mister Starks Flur, zusammen mit zwei Wachmännern des Sicherheitsdienstes.
Sie sind bewaffnet."
Steve nickte und sah wie Wanda ihm und Vision einen lächelnden Blick zu warf.
"Ich gebe Ihnen eine Stunde..."
"Danke für das Vertrauen", sagte Steve ehrlich und versuchte seine Gedanken mit einem langen Atemzug zu sortieren.
"Ich weiß, dass Sie keine Gefahr für Mister Stark darstellen werden, Captain Rogers.
Das widerspricht schlichtweg ihrem Verhaltensmuster.
Mister Stark ist wehrlos... "
"Ich würde Tony niemals etwas antun, Vision.
Egal was passiert..."
Der Blick, den ihm die künstliche Lebensform zuwarf, sorgte dafür, dass Steves Kehle für einen Moment eng wurde.
Er spürte beinahe, wie Vision den Wahrheitsgehalt zu überprüfen schien, bevor er den Kopf leicht zur Seite neigte.
"Mister Stark hat Sie immer als Freund gesehen..."
"Ich ihn auch", bestätigte er ehrlich und sah Vision dabei direkt in die Augen.
"Aber ich konnte und kann nicht zulassen, dass er den Mann umbringt, den ich als letzten Rest Familie in meinem Leben ansehe."
"Mister Starks Emotionen können sehr... Impulsiv sein, wenn es um seine Freunde und seine Familie geht...
In die eine... Wie auch die andere Richtung."
Dass Tony ein Hitzkopf war, war wirklich kein Geheimnis.
Allerdings konnte Steve ihm, was Bucky betraf, nicht wirklich die alleinige Schuld geben.
Wenn er sich die Situation mit etwas Abstand so betrachtete...
Er wüsste nicht, wie er reagiert hätte, wenn er gesehen hätte, wie seine Eltern auf so brutale und völlig sinnlose Weise ermordet worden wären.
Nur, um an das Supersoldatenserum zu gelangen...
"Wir alle machen Fehler...", sagte er und spürte wie seine Stimme dabei brüchiger wurde.
"Das macht uns menschlich."
Wanda legte ihm tröstend eine Hand auf den Oberarm, spürte den Zwiespalt in der Seele ihres Freundes, der immer versucht hatte, ihr eine Stütze zu sein.
"Eines Tages wird Tony vielleicht in der Lage sein, mir zu verzeihen.
Oder mir zumindest zuzuhören, so dass wir...
Eine Art Waffenstillstand eingehen können...
Das ist zumindest mein Wunsch..."
Visions ausdrucksloser Blick wandte sich der Tür zu, als ein Motorrad von draußen zu hören war.
"Miss Romanoff... Soll ich..."
"Nein, ist ok, sie gehört zu mir."
"Scheinbar ist an Mister Starks Vermutung über das Doppelagentendasein wirklich etwas dran...", kommentierte Vision diese Neuigkeit trocken, worauf Steve nur kopfschüttelnd schnaubte.
"Das nennt man Verstand, Vision...
Wenn sich das geballte Testosteron prügelt, muss manchmal einfach ein klarer weiblicher Verstand die Sandkiste aufräumen... Hallo Steve..."
Die Rothaarige umarmte ihren Freund lange, bevor sie zu Wanda ging und auch die andere Frau kurz umarmte.
"Rhodey weiß nichts davon, dass ihr hier seid...
Ich hielt das erstmal für besser... Er ist noch immer angefressen wegen..." Sie deutete auf ihre Beine, worauf Steve bedauernd nickte.
"Sam geht das wahnsinnig nahe... Er macht sich große Vorwürfe."
"Im Grunde genommen ist das meine Schuld gewesen", gestand Vision zu Steves Überraschung.
"Ich hatte Anweisung, Sam Wilson mit einem Treffer an der Verfolgung zu hindern...
Doch mein Schuss ging fehl.
Ich traf den Antrieb des Colonels.
Ein nicht verzeihbarer Fehler, der mir die Macht des Steines in meinem Kopf mit erschreckender Klarheit bewusst gemacht hat..."
"Ich werde Sam davon erzählen... Wenn das in Ordnung ist. Vielleicht hilft ihm das, ein wenig mit der Situation klar zu kommen."
"Ich bitte darum Captain Rogers.
Ich bedaure zutiefst, eine solche Katastrophe ausgelöst zu haben."

Als Vision und Wanda sich in ihre Bereiche zurückzogen, trat Natascha mit Steve zusammen in ihren Raum, der von der Außenseite nicht einsehbar war.
Sie ließ sich auf ihr Sofa fallen und klopfte auf das Polster, als Einladung, dass er sich neben sie setzten solle.
"Was beschäftigt dich so... Das ist nicht nur die Sache mit Tony, oder?"
Es war dem Blonden immer wieder ein Rätsel, wie einfach die Topspionin ihn offensichtlich lesen konnte.
Er seufzte tief und setzte sich neben sie, sein Gesicht auf seine Hände gestützt.
"Ich... Ich weiß es nicht, Nat.
Da ist so viel... So vieles, was ich nicht verstehe im Moment."
"Magst du drüber reden?"
"Weiß ich nicht...", gestand er. "Ich weiß nicht mal, ob es was zu bereden gibt..."
"Zum Beispiel wäre da ... Was machst du hier?
Zuerst prügelst du Tony die Scheiße aus dem Leib, um zu fliehen... Brichst ins Raft ein, um die anderen zu befreien... Und jetzt bist du hier.
Du weißt doch, was passiert, wenn man dich erwischt."
"Die Betonung liegt auf… WENN... Und es ist mir egal, was aus mir wird."
"Ist dir vielleicht mal in den Sinn gekommen, dass es UNS nicht egal sein könnte?
Was ist das bloß mit euch Kerlen?
Ich werde es nie verstehen..."
"Ist ein Jungsding…", schmunzelte Steve halbherzig, worauf Natascha nur die Augen rollte.
"Dann kommt endlich mal aus der Pubertät und fangt zur Abwechslung mal an, wie erwachsene Männer zu denken.
Ehrlich... Warum habt ihr beide nicht einfach mal geredet?
Sobald einer von euch den Mund auf macht, rennt der andere raus oder ihr fangt an, euch mit Blicken anzuschmachten...
Das ist nervig!
Also entweder geht ihr mal eine Runde in den Boxring oder endlich mit einander ins Bett... Beides hätte deutlich weniger Schaden verursacht!"

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