Kapitel 34

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"Du kannst ihm nicht ewig aus dem Weg gehen..." Clint lehnte mit dem Rücken gegen die Küchenwand, als Steve am späten Abend nach etwas Essbarem suchte.
Der Bogenschütze betrachtete seinen Freund mitfühlend, als dieser lediglich die Schultern zuckte und nach einer Flasche Wasser aus dem Kühlschrank griff.
"Ich weiß nicht, wen du meinst... Bucky ist in der Botschaft."
"Du weißt verdammt genau, von wem ich rede, Cap." Clint nahm seinem Freund die Unschuldsmiene keine Sekunde lang ab.
"Erst Bucky, jetzt Tony... Was ist das für ein Spiel?"
"Ich spiele kein Spiel, Barton. Warum denkt hier eigentlich jeder, ich würde mit den Leuten spielen?!" Seinen Blick auf die Kohlensäureperlen in seiner Flasche konzentrierend, versuchte Steve sich zu sammeln, bevor er ruhiger den Kopf drehte und Clint ansah.
"Bucky und ich... Das ist eine sehr lange Geschichte. Wir kennen uns seit unserer Kindheit."
"Soweit so bekannt...", kommentierte Clint und machte eine Handgeste, die Steve aufforderte weiter zu sprechen.
"Wir waren... Mehr als nur Freunde."
"Familie...", suggerierte Clint vorsichtig das Wort, das Steve zu fehlen schien, doch als dieser den Blick hob, stutzte der Bogenschütze irritiert.
"Also... Noch mehr, als Familie? Wie..."
"Wir waren Liebhaber Clint, ja. Zufrieden? Springst du jetzt mit deinem Arsch an die nächste Wand, so wie einige unserer Kameraden bei der Army?  Oder kommen jetzt dämliche Sprüche?
Nur zu!
Ich glaube, ich kenne mittlerweile alle.
Sodomie nannte man es zu unserer Zeit und wenn es raus gekommen wäre, wären wir beide hingerichtet worden."
"Wow... Mal langsam…" Abwehrend hob Clint beide Hände und trat tatsächlich einen Schritt zurück, als er ein dunkles Funkeln in Steves Augen sah, das er zuvor noch nie gesehen hatte.
"Ich bin nicht die spanische Inquisition, Kumpel. Und erst recht nicht die Army..."
"Sorry", murmelnd, senkte Steve den Blick und nippte nervös an der Wasserflasche, bis er Clints Blick erneut erwiderte. "Sensibles Thema..."
"Hat man fast gar nicht bemerkt...", kommentierte sein Gegenüber trocken und verschränkte die Arme vor der Brust. "Aber ich dachte immer, diese Peggy... Das wär dein Mädchen gewesen. Wie kommt Bucky da ins Spiel?"
"Es gibt nicht nur schwarz und weiß, Clint", seufzte Steve nun und lehnte sich gegen die Küchenzeile. "Ach... Volle Auswahl? Geschickt!", grinste Clint anzüglich, worauf Steve nur die Augen rollte.
"Wär schön, wenn es nicht direkt die ganze Welt erfährt..."
"Geht mich im Grunde auch gar nichts an", nickte Clint und lächelte seinem Freund zu. "Und keine Sorge, ich geh trotzdem noch nicht mit dir unter eine Dusche. Hat sich nicht geändert."
Lachend schüttelte Steve den Kopf und sah Clint dankbar an. Sein Freund klopfte ihm auf die Schulter, sagte was davon, dass noch Lasagne in der Mikrowelle stehen würde und ging mit seinem Bier in der Hand in Richtung des riesen Bildschirms, an dem ein Footballspiel lief.  
Nach dem er die Reste der tatsächlich halbwegs essbaren Lasagne zu sich genommen hatte, ging er runter in den Trainingsraum.
Er liebte die Stille hier und die Tatsache, dass Tonys Werkstatt nur einen Raum weiter war, gab ihm ein Gefühl der Nähe zu dem Milliardär.
Eine unverfängliche, anonyme Nähe die niemanden stören würde.
Der alte Ledersandsack hing noch unbeschädigt an der Decke, weshalb Steve sein Handtuch auf die danebenstehende Bank warf und seine Hände bandagierte.
Die tägliche Routine mit ein paar langsamen Schlägen beginnend, spürte er, wie alte Bilder aus Armeezeiten in seinem Unterbewusstsein immer wieder auftauchten.
Die Heimlichkeiten, das Verstecken, die Angst, erwischt zu werden.
Das alles hatten Bucky und er überstanden. Die heimlich gestohlenen Küsse...
Die Nächte in einem Versteck, kurze Berührungen, die so kostbar waren...
Und das Grauen von Kameraden zu erfahren, die erwischt worden waren.
Zu sehen, wie sie exekutiert wurden, nur weil sie einander geliebt hatten.
Die Schande, als man sie vor allen Leuten ächtete und ihre Familien sie verstießen, sogar noch nach deren Tod.
All das hatte Steve vorsichtig werden lassen, wenn es darum ging, wem er sagte, was er wirklich fühlte.
Er wusste, er würde jederzeit zu dem Menschen stehen, den er liebte...
Aber was wenn, dieser Mensch eben nicht so empfand? Oder wenn...  

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