Kapitel 31

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Ich vermisse dich auch, Tony...

Diese fünf Worte zu schreiben kosteten mehr Überwindung, als Steve es jemals erwartet hätte.
Ein paar Herzschläge lang wartete er mit dem Absenden, dann beschloss er, es einfach zu versuchen.
Wem wollte er etwas vormachen?
Er vermisste Tony, das war nicht zu leugnen. Sekunden später erschien die nächste Nachricht und ließ den Blonden lächeln.  

Wir sollten reden...  

In der Tat, das sollten wir, dachte Steve und hatte gleichzeitig große Angst davor.
Vielleicht war es auf diesem Wege besser...

Sollten wir...  

Schickte er ab und setzte ein Lächeln darunter, das er sofort wieder weg machte.
Das war doch kindisch...  
Nur Sekundenbruchteile später vibrierte das Display und Tonys Gesicht kam zum Vorschein.
Natürlich hatte er ein Bild von sich eingespeichert...
Steve konnte nicht anders, als kurz aufzulachen, bevor er den Anruf entgegen nahm.
"Tony..."  
Oh Gott, klang er wirklich so erleichtert, wie er sich fühlte?
"Hey..."
Die sanfte Stimme am anderen Ende der Leitung war beinahe zu viel, um sie zu ertragen.
Er klang so... Gut!
Für ein paar Sekunden sprach keiner der beiden, und irgendwie war es auch nicht nötig.
Sie spürten den anderen, hörten ihn atmen und das war tatsächlich genug.
Doch dann musste Steve es einfach sagen...
Er musste Tony sagen, was ihm auf der Seele lag. Wenn dies die einzige Chance sein würde, die er dazu bekommen würde, dann musste er sie nutzen!
"Es tut mir leid, Tony...  Alles. Ich..."
"Cap, ich weiß", unterbrach der Millionär ihn sanft. "Mir tut es auch leid."
Für einen langen Moment wusste der Blonde nicht, was er sagen sollte.
Eine ehrliche Entschuldigung aus Tonys Mund war seltsam fremd und erschien ihm unglaublich kostbar. Ebenso kostbar, wie die Chance zu diesem Gespräch. "Wir haben beide auf unsere Weise Recht gehabt..." "Und waren zu stur das zuzugeben…", beendete Tony Steves Satz und lachte leise.
"Ja... Scheint bei uns häufiger der Fall zu sein. Dreh mal das Display bitte... Ich will sehen mit wem ich rede."
Steve tat, um was Tony ihn gebeten hatte und schmunzelte, als er den frisch rasierten und offensichtlich wirklich langsam wieder aufrecht sitzenden Mann vor sich sah.
Es war ein gewaltiger Unterschied zu dem Mann, den er noch vor ein paar Tagen im Krankenhaus gesehen liegen gesehen hatte.
Dessen Lippen er...
Den Gedanken verbannte Steve so schnell es ging aus seinem Verstand, doch als Tony ihm so zu lächelte, spürte er wie ein seltsam warmes Kribbeln seine Wirbelsäule entlanglief.
"Ich hätte dir vertrauen sollen..."
"Nein. Dazu hattest du weder den Grund noch die Möglichkeit", schüttelte Tony den Kopf und betrachtete den Mann vor sich aufmerksam.
Er kannte Steve Rogers nun lange genug, um genau zu wissen, wann diese himmelblauen Augen keine Ruhe gefunden hatten.
Er erkannte sofort das Mahlen der Backenzähne, die sich immer viel zu stark aufeinander pressten, wenn Steve gestresst war.
Und er erkannte ebenso genau, wann der Mann vor ihm ehrlich war und wann er lediglich höflich war.
Zu Tony war er selten einfach nur höflich, eine Tatsache, die beide immer schon verbunden hatte und die er an ihm so sehr schätze.
"Die Sache mit deinem Freund... Ich kann und werde nicht sagen, dass es keine Rolle spielt. Er hat meine Eltern getötet... Unter Hydras Kontrolle, aber das macht es für mich aktuell nicht einfacher, verstehst du das?"
Als Steve nickte fuhr Tony fort und suchte demonstrativ dessen Blick über den Bildschirm.
"Dass du es mir nicht gesagt hast... Dass du es wusstest!
Das tat weh, Steve... Verdammt weh."
"Ich wollte dir nie weh tun..."
"Und genau das ist es, was das Ganze so verdammt grausam macht, Steve. Ich WEISS, das du es getan hast, um mich zu schützen... So wie ich es auch getan hätte...."
Überrascht suchte Steve in Tonys Worten eine Lüge oder einen Scherz, doch alles was er fand, war diese Ernsthaftigkeit, die ihm tief in die Seele schnitt.
Sie sahen einander an und spürten, dass dieses Gespräch so viel mehr war, als es eigentlich sein sollte. In diesem Moment realisierte Tony, dass er es Steve niemals hätte sagen können, wenn dieser direkt vor ihm gestanden hätte.
Sie hatten nie so miteinander reden können, einer von beiden hätte längst den Raum verlassen, aus Angst dem anderen zuzusehen, wie er leidet.
"Tony..."
Ein Wort, das eigentlich alles ausdrückte, was Steve sagen wollte.
Er schloss die Augen, nur um sie in einer verzweifelten Geste wieder zu öffnen.
"Verdammt... Was, machen wir hier?"
"Etwas, das wir vor einem Jahr hätten tun sollen, Steve..."
Die Erkenntnis traf den Blonden so hart, dass er den Kopf weg drehen musste.
Sie hätten das alles verhindern können, wenn sie einfach nur ihre verdammten Egos beiseite gelassen hätten und genau das hier getan hätten.
REDEN!
"Ist es... Dafür zu spät?", hauchte er heiser und sah deutlich, dass Tony den Satz und dessen Bedeutung in seinem Kopf abwog.
"Niemals", wispernd, schloss nun auch Tony seine Augen und alles in Steve schrie danach, ihn in seine Arme zuziehen.
Er wollte ihn halten, ihm zeigen, dass er bereit war, alles zu tun, um Tony erneut zu vertrauen und ihm die Möglichkeit zu geben, auch ihm wieder das Vertrauen zu geben, das durch diesen verdammten Streit zerstört worden war.
"Tony... Ich..."
"Wir reden später...", unterbrach der Dunkelhaarige ihn sanft, als Steve hörte, wie die Tür zu seinem Krankenzimmer geöffnet wurde und eine weibliche Stimme ihm erklärte, dass er Ruhe benötigen würde. Steve lächelte die Tränen in seinen Augen weg und nickte Tony ein letztes Mal zu, bevor das Display erneut durchsichtig und ruhig wurde.
Die Tränen, die er eben noch weggelächelt hatte, fielen nun auf seine Hand, doch dieses Mal waren es Tränen der Erleichterung.

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