Kapitel 55

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"Hallo Stark..." Bucky Barnes öffnete die Tür zu Steves Krankenzimmer und verzichtete auf nette Grußfloskeln, da Tonys ihn eh nie mehr beachtete, als für einen kurzen genervten Blick.
Wie an jedem der vergangenen fünf Tage kam er pünktlich um 13 Uhr und sah nach Steve.
"Hey, Brüderchen..." Seine Hand fuhr über Steves Unterarm, griff kurz an den ruhigen Puls und streichelte dann über den breiten Brustkorb zu Steves Herz.
Das war der Moment, von dem er wusste, dass er Tony am allermeisten ärgerte.
Sein Blick, seine ganze Haltung versteifte sich jedes Mal, als würde er in der nächsten Sekunde aufspringen und ihm an die Gurgel gehen. Es war der Moment, den Bucky jeden Tag einfach zu sehr genoss, um es sein zu lassen.
" Meinst du nicht, du hast bald genug geschlafen, Dornröschen? Ich komm nicht und küss dich wach, wenn es das ist, worauf du wartest..."
Das Schnauben aus Tonys Ecke, der äußerst konzentriert auf sein Smartphone zu starren schien, bereitete dem ehemaligen Winter Soldier ein diebisches Vergnügen.
"Sam lässt dich grüßen. "  
Mit einem sanften Druck berührte er Steves Schulter und massierte mit seinem Daumen sachte eine Stelle hinter Steves Wangen, von dem er wusste, das es eine Art Softspot für den Blonden war.
Ein Punkt, den auch Tony kannte, wie er dem langgezogenen Ausatmen nach bemerkte.
"Stark..."
"Barnes..."  
Ein kurzes Nicken der Beiden zueinander, dann ging er wieder.
Tony ahnte, dass dieser Mistkerl das Grinsen den ganzen Tag auf den Lippen behielt...
Ein Grinsen, das er ihm nur zu gern aus dem Gesicht gewischt hätte.
Mit einem Betonpfeiler oder etwas vergleichbarem...  

Gegen 16 Uhr kam meist einer der anderen.
Es war der Moment, in dem Tony sich für ein paar Minuten tatsächlich entspannen konnte.
Meistens ging er dann kurz ins Bad und holte sich eine neue Kanne Kaffee und etwas zu Essen, wenn Nat ihm nichts mitbrachte.
Es waren die Momente, in denen er seine Gedanken sortierte und versuchte, sich darüber klar zu werden, wie es nun weiter gehen würde.
Zola war irgendwo in den Weiten des Internets verschwunden.
Leider hatte Steves Plan, ihn mit den falschen Formeln hervor zu locken, nicht funktioniert, und auch die von Tony programmierten Algorithmen hatten das Programm des Naziwissenschaftlers nicht ausfündig machen können.
Das war eine Bedrohung, die Tony nicht in Ruhe ließ.
Ultron hätte ohne große Probleme die Erde auslöschen können, wenn sie ihn nicht aufgehalten hätten.
Wenn er Sukovia tatsächlich als Meteor missbraucht hätte, wäre jetzt keiner von ihnen mehr hier.
Was konnte dann ein kranker Geist, wie Zola, erst anrichten, der keinen ethischen Richtpol besaß?
Wenn man die Vernichtung von Barnes und Rogers mal außen vor ließ...
Doch jetzt, wo er ja von dem Tod seiner beiden verräterischen Experimente ausgehen musste, was würde ihn da jetzt antreiben?
Was trieb einen faschistischen Wissenschaftler an, der skrupellos genug war, nur in seinem digitalisierten Ich weiter zu leben?  
Das erste Mal in seinem Leben musste er sich eingestehen, dass er nicht wusste, was diese Bedrohung wirklich für ihn und die Welt bedeutete.
Ein Gefühl, das er abgrundtief hasste!  

Tief in der Nacht begann der Monitor über Steves Bett leichte Ausschläge zu registrieren. Der Herzschlag des Supersoldaten wurde kräftiger und auch die Atmung hatte an Tiefe gewonnen.
Die Veränderung des Rhythmus ließ Tony sofort wach werden.
Erwartungsvoll setzte er sich auf die Bettkannte und nahm Steves Hand in seine.
Sie war warm!  

Die langen Wimpern des Blonden begannen zu zucken, als er langsam die Augen öffnete und schläfrig die Umgebung fokussierte, bis sein Blick Tony klar wahrnahm.
"Hey...", hauchte der Schwarzhaarige sanft und führte die träge Hand in seiner zu seinen Lippen.
"Hey... Wie spät ist es?"
"Kurz nach Mitternacht... "
Steves Blick fixierte Tonys Augen, fand die Sorge darin und stutzte, als er sich im Zimmer umsah.
Wieso war er in einem Krankenzimmer?
"Wie lange war ich weg?"
Es sollten doch nur ein paar Stunden sein, eigentlich hätte Tony von der Aktion doch gar nichts mitbekommen sollen, wieso also saß er hier und sah ihn SO an?
"Etwas mehr als fünf Tage", antwortete Tony ruhiger, als er sich fühlte.
Ein Teil von ihm wollte Steve anschreien.
Er wollte ihm klar machen, dass Steve nicht so mit seinem Leben spielen durfte, das er sich Sorgen gemacht habe...
Doch dann wurde ihm klar, wie oft in diesem Gedanken das Wort ICH vorkam und er ließ es .
"Das war so nicht geplant...", murmelte Steve entschuldigend und drückte Tonys Hand in seiner, damit dieser ihn ansah.
"Vielleicht hättest du nicht alles allein planen sollen", sagte Tony erneut ruhig und spürte, wie Steve leicht verlegen errötete, bevor er sich zögernd aufsetzte.
"Tony..."
"Nein, sag‘s bitte nicht..."
Kopfschüttelnd legte der Schwarzhaarige ihm einen Finger auf die Lippen und atmete tief durch, bevor er Steve erneut in die Augen sah.
"Ich habe es verstanden, Rogers.   Aber dennoch darf ich mir doch Sorgen um den Menschen machen. den ich liebe, oder?"
Lange sahen die beiden sich einfach nur an, dann lächelte Steve sanft und griff an Tonys Wange, um ihn zu sich zu ziehen.
Ganz langsam bewegte er seine Lippen auf denen des Mannes vor sich, streichelte mit seinen Fingern seinen Haaransatz und löste sich erst von ihm, als er spürte, dass der Bedarf an Sauerstoff überhand nahm.
"Ich liebe dich...", wispernd, lehnte er seine Stirn gegen die von Tony und lächelte leicht, als dieser ihn einen Idioten nannte.
"Lass uns in Zukunft in das Herz des anderen sehen, nicht nur das, was er zu sein scheint", hauchend, spürte er, wie Tony nickte und die Augen kurz schloss, als er spürte, wie tief diese Worte in seine Seele drangen.
"Es tut mir leid, Steve."
"Mir auch, Tony", hauchend zog er ihn nun vollends an sich und hielt ihn in seinen Armen. Genoss das warme Gefühl in seiner Brust, das die Nähe zu Tony in ihm auslöste.

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