2. Sonderbare Gäste

403 15 0
                                    

Ich hielt auf den Tisch der Neuen zu und blieb vor den Vieren stehen. "Guten Abend. Was darf ich Ihnen bringen?", fragte ich höflich, allerdings mit einem wirklichen Minimum an Emotionen. Ich war einfach schon auf Feierabend eingestellt. Das Mädchen meldete sich als erste und bestellte eine Sushi-Variation mit einem Glas Wasser. Neben die Bestellung konnte ich auf meinem Block drei Striche machen und so blieb der weißhaarige Mann, der allen Ernstes mit einer Sonnenbrille im Lokal saß. Na, wenn er meinte.

Der Mann lehnte sich zurück, ließ seine Brille auf seine Nasenspitze rutschen und stellte so seine unnatürlich blauen Augen zur Schau. Er lächelte auf eine verführerische, selbstgefällige Weise, die mich absolut kalt ließ. Wenn er mich jetzt anbaggerte, ging er einen Kopf kürzer nach Hause. Mir egal, ob ich dann den Job los war. "Ich würde ein Gläschen Sake und einmal die Avocadomaki nehmen." "In Ordnung. Ich bringe Ihnen gleich die Getränke", meinte ich, ohne auf den Typen zu reagieren. Mein Weg führte mich wieder zurück in die Küche, in der ich die Bestellung abgab und die Getränke auf ein Tablett stellte. Damit führte mein Weg mich wieder zurück an den Tisch.

Während ich die paar Meter überquerte, warf sich der blonde Junge den Finger in den Mund und schluckte. Mann, mal abgesehen davon, dass der Finger echt widerlich aussah, unecht hin oder her, wie konnte der Kerl das in einem Zug einfach schlucken?! Ich brachte ja nicht einmal eine Tablette mit einem halben Liter Wasser hinunter. Auf halbem Weg blieb ich abrupt stehen. In dem Gesicht des Jungen, der den Finger geschluckt hatte, erschienen schwarze Linien. Ich wusste nicht, was genau passierte, aber mein Innerstes gefror mit einem Schlag. Ich wagte nicht, mich zu rühren. Mein Instinkt sagte mir, dass von dem Jungen plötzlich eine unheimliche Gefahr ausging, weshalb ich mich nicht traute, mich auch nur ein Stück zu bewegen. Ich beobachtete einfach das Geschehen.

"Yuji?", fragte der weißhaarige Mann ernst. Die Lippen des nun tätowierten Jungen verzogen sich zu einem schadenfrohen Grinsen. Ist das noch immer die gleiche Person? Im Restaurant herrschte eine unheimliche Stille. Das Pärchen und die Familie waren gegangen, nur noch der Geschäftsmann und die Vier saßen im Lokal. "Die Rechnung bitte", verlangte der Geschäftsmann in meine Richtung und ich zuckte vor Schreck so sehr zusammen, dass die Gläser umfielen und deren Inhalt das Tablett flutete. Allerdings war das mein kleinstes Problem wie sich gleich herausstellte.

Der Blick des gruseligen Jungen, der soeben Yuji genannt wurde, ruckte zu mir und ich hatte das Gefühl, dass sein Grinsen noch breiter wurde. Jetzt ist wohl ein guter Zeitpunkt, um abzuhauen. Na los, Körper, beweg dich ... Nada. Ich stand noch immer wie eingefroren an der Stelle und starrte dem Jungen in die rotbraunen Augen. Als der Junge schließlich aufsprang, konnte ich mich wieder bewegen. Den Weg zu mir überbrückte er so schnell, dass ich schon dachte, er hätte sich teleportiert. Aber das war völlig unmöglich ... oder?

Ich war mir sicher, dass er die Geschwindigkeit nicht reduzierte, allerdings verlief für mich plötzlich alles in Zeitlupe. Ich sah wie der Junge eine Hand nach mir ausstreckte und zu greifen versuchte. Überraschenderweise wich ich dem Griff sogar aus. Verdammt wie war das nur möglich?! Jedoch erwischte mich sein anderer Arm und presste mich mit meinem Rücken gehen seine Brust. Die freie Hand legte er um meine Kehle. "Keine Bewegung oder der Mensch ist tot", meinte der Junge zu seinen drei Freunden. Seine Stimme war plötzlich tiefer. Man konnte bei dieser Stimme definitiv nicht mehr von einem Jungen sprechen. Scheiße, das war doch nie im Leben die gleiche Person!

Keinen Moment später ereilte mich die nächste Überraschung. Ich wurde ruhig. Bis eben hatte ich noch Todesangst und jetzt? Jetzt war ich die Ruhe selbst. Mit einem Durchatmen fiel jegliche Spannung von mir ab. Hatte ich mich etwa so schnell mit meinem Schicksal abgefunden? Würde ich jetzt sterben? Das Mädchen und der schwarzhaarige Junge waren von ihren Plätzen aufgesprungen und sahen ihren Freund angespannt an. Der Weißhaarige hingegen saß wie die Ruhe selbst mit überschlagenen Beinen nach wie vor auf seinem Platz. Ich hätte bei diesem Anblick schon fast die Augen verdreht. "Lass die Frau los, Sukuna", forderte der schwarzhaarige. "Wenn ich es täte, wo bliebe denn da der Spaß?", fragte der Junge ... nein, der Mann ... nein ... äh ... was? Ach, egal. Auch wenn ich dem ... äh ... Typen nicht ins Gesicht sehen konnte, ich hörte das Grinsen nach wie vor aus seiner Stimme.

"Selbst wenn wir dich gehen lassen, du tötest die Frau doch so oder so, Yuji übernimmt wieder seinen Körper und kommt zurück. Also was bringt es dir?", mischte sich nun der Weißhaarige in einem Plauderton ein als würde er über's Wetter reden. Er machte sich ja nicht mal die Mühe sich überhaupt zum Geschehen zu drehen. Was'n das für'n Volltrottel?! "Geht's noch?! Ich stehe auch noch hier!", schrie ich wütend in das beinahe leere Lokal. Nur nebenbei bemerkte ich, dass sich der Geschäftsmann unter seinem Tisch versteckte. Oh ja, das bringt sich bestimmt was.

Da ich ja unangenehm viel Körperkontakt mit meinem komischen Geiselnehmer hatte, spürte ich wie er mit den Schultern zuckte. "Es gibt mir Zeit ... und eine Chance den Bengel ein wenig zu quälen." Das Gesicht dieses Typen war plötzlich neben meinem Ohr, weshalb ich leicht zusammenzuckte als er weitersprach: "Er nimmt es doch so schwer, wenn er ein Leben beenden muss." Ich bin raus. Ich verstehe jetzt noch weniger als Bahnhof. Alles was ich noch so halbwegs verstand, war, dass man hier anscheinend auf eine groteske Weise über mein Leben feilschte ... und das nicht sonderlich erfolgreich für mein Weiterleben, wie mir schien.

"Jetzt lass sie los, du Psycho, oder wir versohlen dir den Arsch!", meinte nun das Mädchen, zog einen Hammer, sowie zwei Nägel aus ihrem Gürtel und machte einen Schritt nach vorne. Der Schwarzhaarige mahnte noch: "Nobara." Der Typ in meinem Rücken reagierte auf die Drohung ganz gelassen. "Pass lieber auf was du tust, Göre", grinste er bedrohlich und schraubte seinen Griff um meinen Hals enger. Meine Augen weiteten sich erschrocken. Der Druck nahm schnell zu und langsam wurde meine Luft wirklich knapp. In der Hoffnung die Hand von dem Kerl davon abzuhalten, mir die Luftzufuhr weiter abzuschneiden, umklammerte ich mit meinen Händen seinen Arm.

Lass mich dich nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt