11. Die Welt des Übernatürlichen und der Irren

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Bis wir vor einer Doppeltür stehenblieben, wechselten meine Begleitung und ich kein Wort mehr miteinander. Der Weißhaarige öffnete nur die Tür und kaum war er vor mir durch, donnerte schon eine Stimme: "Satoru, du bist zu spät! Schon wieder!" Satoru, wie der weißhaarige Mann anscheinend hieß, kümmerte das herzlich wenig und ließ mich erst durch die Tür treten, ehe er gelassen erwiderte: "Was soll's. Yuji ist wieder da, also ist das sowieso hinfällig. Außerdem habe ich eine neue Schülerin mit." Er schob mich nach vorne und nun sah ich mich von Angesicht zu Angesicht mit einem Mann mit Sonnenbrille, der umgeben war von Kuscheltieren. Wow, total männlich. Und für was brauchte der Typ eigentlich eine Sonnenbrille in einem fensterlosen Raum, der nur durch Kerzen beleuchtet wurde?

Der Mann, ich vermutete der Rektor, seufzte und hielt inne ein Kuscheltier zu stopfen. "Wie ist dein Name?", dröhnte gleich darauf seine Stimme durch das Zimmer. "Amaya Tojiro", antwortete ich mit einer gewissen Portion Respekt. "Wieso bist du hier, Amaya Tojiro?", fragte er weiter und ich hob eine Augenbraue. "Weil man mir gesagt hat, dass man mir hier helfen kann? Wobei ich eigentlich nicht wirklich Hilfe brauche? ... Aber ich würde gerne so einige Dinge verstehen", antwortete ich wahrheitsgemäß.

Der Rektor musterte mich einige Zeit lang, weshalb Satoru es anscheinend unglaublich hilfreich fand, einzuwerfen: "Sie ist von Sukuna entführt worden und hat überlebt." Sauer schaute ich zu dem weißhaarigen und knurrte: "Habe ich vorhin genuschelt als ich über das Kommentieren meiner Situation geredet habe?"

Dezent zog sich der weißhaarige wieder zurück und ich wandte mich wieder Rektor Yaga zu. Dieser hatte sich von seinem Platz erhoben und fragte dröhnend: "Ist das wahr?" Ich sah irritiert auf den Mann vor mir. "Ähm, ja?", erwiderte ich verwirrt. "Dann sag, was ist an dir so besonders, dass Sukuna dich am Leben ließ?", verlangte der Sonnenbrillenheini. "Hm, das ist schwer zu sagen. Er fand mich ... faszinierend ... weil ich gesplittert bin und wie ein kaputter Handydisplay ausgesehen habe", erinnerte ich mich und stockte. In einer schnellen Bewegung griff ich an meinen Hals, fühlte aber nur glatte Haut, weshalb ich zur Sicherheit auf meinen Hals zeigte und fragte: "Ich leuchte doch nicht etwa noch immer, oder?" "Leuchten?", erkundigte sich der Sonnenbrillentyp, woraufhin sich Satoru wieder zu Wort meldete: "Oh ja, das sah wirklich lustig aus. Als hätten ihre Adern zu leuchten begonnen." Er grinste seinem Chef entgegen und ich handelte rein aus meinen Emotionen.

Sauer wie ich war, wollte ich ihm meinen Fuß gegen das Schienbein donnern. Allerdings prallte dieser wie meine Hand zuvor an einer unsichtbaren Barriere ab, die einen kurzen Moment durch das Aufleuchten vieler kleiner vernetzter Blitze sichtbar wurde. "Das kitzelt", grinste der weißhaarige, ließ sich aber ansonsten nicht weiter beeindrucken. Rektor Yaga allerdings schien sehr fasziniert von dem Schauspiel zu sein. Als er sich wieder gefangen hatte, verlangte er zu wissen: "Was war das eben?" Ich zuckte mit den Schultern und erklärte nüchtern: "Vermutlich eine Nebenwirkung von Raiju." "Raiju?", kam nun von beiden Männern die Frage. Ich konnte irgendwie nicht verhindern, dass ich zu grinsen anfing.

"Ja, Raiju. Göttliches Wesen. Teilt sich mit mir den Körper. Ich dachte anfangs, dass ich verrückt wäre, aber irgendwie hat man mich vom Gegenteil überzeugen können. Also wirklich, Sukuna konnte mir wenigstens erklären, was das Leuchten auf sich hatte. Aber wenn ihr schon bei dem Namen einknickt ..." Irgendwie schafften es beide Männer ihr Kinnladen herunterklappen zu lassen, fingen sich aber schnell wieder. Der Rektor sah zu dem Weißhaarigen. "Zeige Amaya bitte ihr Zimmer", bat Herr Yaga und Satoru hielt mir schon die Tür auf. Okay, das hieß dann wohl, dass ich länger hierblieb.

Dankend nickte ich dem Weißhaarige im Vorbeigehen zu und trat wieder ins Sonnenlicht. Grinsend ging er neben mir und ich versuchte nicht falsch abzubiegen. „So, Satoru ... Gojo, nehme ich an", meinte ich etwas überlegend, weil mir der Nachname kurz entfallen war. Der Angesprochene sah mich nicht an als sein Grinsen sich ein wenig verbreiterte. „Leibhaftig", grinste er selbstsicher vor sich hin. Ich lächelte ebenfalls und fragte scheinheilig: „Und woher genau sollte man Sie kennen?" Sein Grinsen war so voller Selbstbewusstsein und Überzeugung, dass ich mir die Frage gar nicht verkneifen konnte.

Sein Gesicht verlor unvermittelt das Grinsen und er sah mich entsetzt an. „Wie? Du hast keine Ahnung, wer ich bin?" Ich schüttelte den Kopf. „Woher auch." Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da stand er vor mir und hielt mich an den Schultern fest. „Nicht einmal Raiju hat von mir erzählt?", fragte er nun und ich schüttelte erneut den Kopf als ich antwortete: „Nur, dass Sie sich mehr bemühen hätten sollen, weil er geglaubt hat, ich würde draufgehen." Ich vermied es jetzt einmal zu sagen, dass ich vermutlich früher oder später in Sukunas Gefangenschaft wirklich draufgegangen wäre, denn es reichte vollkommen, wenn Raiju das wusste.

Dem Mann vor mir klappte die Kinnlade nach unten und ich tätschelte ihm den Arm. „Na, na, ist ja gut. Falls es Sie tröstet: ich weiß auch erst seit gestern, dass Raiju existiert und sowas wie Flüche", lächelte ich gespielt fürsorglich. Plötzlich stand Satoru wieder kerzengerade und sah mich forschend an. „Das heißt, du hast keine Ahnung von der Welt der Flüche?" Ich sah ihm in die verdeckten Augen und zog eine Augenbraue hoch. Mit in die Hüfte gestemmter Hand antwortete ich rhetorisch: „Denken Sie wirklich, ich würde mich noch mit meckernden Gästen herumschlagen, wenn ich etwas davon wüsste?" Eigentlich wusste ich durchaus von der Welt der Flüche, aber ich war mir sicher, dass diese paar kleinen Viecher, die ich bisher gekonnt ignorierte, nicht alle Flüche waren, weshalb ich ja grundsätzlich nicht besonders viel über die Welt der Flüche wusste ... also war das nicht mal gelogen.

Sofort zierte das Gesicht des Größeren wieder ein Grinsen. "Dann freue ich mich, dich ab heute als meine Schülerin bezeichnen zu dürfen", verkündete er mir und lief weiter, während ich dem Typen einfach nur ungläubig nachschaute. "Und du darfst mich gerne duzen. Natürlich müssen wir deinen Lernstoff etwas adaptieren, weil du keine Fluchkraft generierst, aber das sollte kein Problem sein ...", redete der weißhaarige munter weiter. Ich schüttelte den Kopf und sprintete ihm nach. Als ich wieder neben Satoru ging, unterbrach ich seinen Redeschwall: "Warten Sie mal. Kurze Pause." Der Größer sah mich abwartend an. "Sie sind Lehrer?!", rief ich entgeistert aus. Wie konnte man den Kerl auf Schüler loslassen?! Er wirkte nämlich wie einer dieser Typen, der spaßhalber eine Stange Dynamit anzündete und dann nach dem Motto „Mal sehen, was passiert'' danebenstand.

Grinsend sah er zu mir und erklärte: "Jap, und ab heute auch deiner." Ich konnte nicht anders als ihn entsetzt anzusehen. Der machte doch hoffentlich Scherze. "Außerdem habe ich doch vorhin gesagt, dass du mich duzen kannst", kam nun nach wie vor grinsend von ihm, ehe er sich wieder nach vorne wandte. Ich sagte dazu nichts, sondern versuchte einfach nur mein Glück zu fassen, dass ich von einem Irren zum nächsten Irren gereicht worden war wie ein Hund aus dem Tierheim. Allerdings ließ mich der Weißhaarige noch lange nicht vom Haken: "Hm? Wie bitte? Ich habe deine Antwort nicht gehört." Ich sah genervt zur Seite und grummelte: "Ich werde mich bemühen "Du" zu sagen. Zufrieden?" "Mehr als du glaubst", grinste Satoru weiter. So ein Idiot.

Lass mich dich nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt