4. Das Lämmchen und der große, böse Wolf

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"Wirklich interessant, nicht?", wurde meine Aufmerksamkeit zurück auf den Blonden gelenkt. Seine Maske war einem verschlagenen Grinsen gewichen. "Warst das ... du?", fragte ich tonlos. Ich hatte keine Ahnung wie es aussah, aber allein das Gefühl war beängstigend. "Indirekt. Eigentlich wollte ich dich töten, aber als du zersplittert bist, dachte ich mir, dass das noch recht interessant werden könnte", beantwortete er mir nur unzureichend meine Frage. Na, immerhin erklärte er mir, dass ich jetzt eigentlich tot sein müsste, aber dank seiner göttlich großen Güte doch noch lebte. Wie nett.

Trotz meines innerlichen Sarkasmus war ich nach außen hin noch immer ein verängstigtes Kaninchen. "I-inwiefern?", fragte ich. Sein Grinsen verbreiterte sich noch etwas und so langsam wirkte es wirklich irr. "Nur wenige hat Raiju bisher als würdig erachtet, seinen Geist zu beherbergen." Also wirklich erleuchtend war diese Antwort nicht. "Hä?", konnte ich nur nach ein paar Sekunden der Stille verwirrt ausstoßen. Ich verstand mal wieder nur Bahnhof. "Kein Sinn für Religion", kam die nüchterne Feststellung. In einem Zug stand Sukuna auf und kam um den Tisch auf mich zu. Sofort versteifte ich mich und atmete flach. Ihm schien meine Angst zu gefallen, denn es bildete sich erneut ein schadenfrohes Grinsen auf seinem Gesicht. Hinter mir blieb er stehen und beugte sich zu mir. "Du hast ein göttliches Wesen in dir, kleiner Mensch", hauchte er mir ins Ohr. Es dauerte eine Weile, bis das Gesagte ganz verarbeitet war. Göttliches Wesen? Kleiner Mensch? Hatte der noch alle Latten am Zaun?! War er vielleicht ein Gorilla, oder was? Nein, du Matschbirne, er ist ein Fluch. Seit wann waren Flüche denn Personen. Ich dachte, dass wären einfach nur besonders fiese Zaubersprüche.

Ich konnte förmlich ein Augenverdrehen spüren, ehe die Antwort kam. Flüche sind fleischgewordene negative Gefühle, du Dödel. Und der Kerl da, ist einer der stärksten ... und gefährlichsten. Na, Klasse. Wer bist du eigentlich? Hast du Sukuna vorhin überhaupt zugehört? Ich bin Raiju.

Wer?

Du bist wirklich die ungebildetste Person, die ich je getroffen habe. Raiju. Der Begleiter von Raijin, dem Gott des Donners? Das Donnerbiest?

Noch nie gehört.

Du wirst sowas von draufgehen. Satoru Gojo hätte sich wirklich mehr Mühe geben sollen. "Und wer um alles in der Welt ist jetzt Satoru Gojo?!", echauffierte ich mich nun ungewollt lautstark und warf aufgebracht die Arme in die Luft. Allerdings hatte ich dabei nicht bedacht, dass sich Sukunas Gesicht noch neben meinem befand. Bevor ich ihm allerdings unabsichtlich meine Hand ins Gesicht donnerte, wurde mein Handgelenk gepackt und so abgefangen. Mit großen Augen sah ich meinen Entführer an. Oh. Mann.

"Interessant", war das Erste, dass nach einer Minute Angst und Bange kam. Oooookay, und was war so interessant? Aber der Fluch wie meine Nicht-Innere-Stimme – Scheiße, klang das alles komisch – mir vorhin erklärt hatte, beantwortete mir meine unausgesprochene Frage bereits. „Also weißt du von Raiju." Äh ... „Na ja, wissen ist relativ. Ich führe, seit ich aufgewacht bin eben Selbstgespräche. Anfangs dachte ich schon, ich wäre verrückt. Damit habe ich mich aber recht schnell abgefunden, immerhin wurde ich gestern von einem Typen entführt, der einfach mal ein Hochhaus hochspringt. Und dann hat ein Mann, der fliegen kann, versucht mich zu retten. Und dann erzählt mir Raiju, dass du ein Fluch bist – was auch immer das sein soll." Ich wurde mit jedem Wort immer schneller und meine Stimme wurde mit zunehmender Geschwindigkeit immer höher, sodass Sukuna immer mehr die Augenbrauen zusammenzog. Ja, ich hatte gerade wirklich meinen Entführer, der allem Anschein nach ein verdammt gefährlicher Mann war, als Therapeut missbraucht.

"War's das?", fragte Sukuna, der nach wie vor mein Handgelenk umklammerte, gelangweilt. Kleinlaut und mit einer Stimme, die eine Oktave höher war als normal, antwortete ich: "Ja." Ruckartig ließ er mich los und meine Hand krachte volle Kanne auf die Tischkante. Scharf sog ich die Luft ein und hielt mir die Hand. Doofe Schwerkraft. Auch wenn der blonde keine Miene verzog, in seinen Augen funkelte Schadenfreude. Dieser kleine, miese ... Sag mal, Raiju, können Flüche Gedankenlesen? Nein. Na dann. Kleiner, mieser Bastard!

Als sich dieser Idiot von Entführer umdrehte und aus der Küche verschwinden wollte, sprang ich von dem Stuhl und meinte wohl etwas zu laut: „Warte!" Sukuna hielt in der Bewegung inne und drehte sich mit hochgezogener Augenbraue zu mir. Äääähhh... „I-ich wollte n-nur ... fragen, wo das Bad ist." Zum Schluss hin senkte ich meinen Blick Richtung Boden. „Die erste Tür rechts im Gang", erwiderte Sukuna kühl, ohne mich noch eines Blickes zu würdigen und ging besagten Gang entlang. Mit Abstand folgte ich. Bloß nicht zu nah, wer wusste schon wie schnell der Typ seine Meinung von „Du bist ziemlich interessant" zu „Du bist absolut wertlos" änderte.

Während ich bei der angeblichen Badezimmertür stehenblieb und diese öffnete, ging Sukuna weiter. Und weil ich neugierig war, musste ich natürlich schauen, wo er hinging. Vielleicht nicht unbedingt die beste Idee, aber egaaaaaal. Halb im Bad stehend lehnte ich mich zurück, damit ich schauen konnte, wo dieser Psycho hinging. Am Ende des Ganges öffnete der Blonde eine Tür. Wie sich herausstellte, war es die Eingangstür. Uuuuuh, Fluchtmöglichkeit. So erstaunt darüber, dass mein Entführer allem Anschein nach die Wohnung verließ, bemerkte ich nicht wie er sich noch einmal umdrehte. "Ich brauche hoffentlich nicht zu erwähnen, dass du diese Wohnung nicht verlässt." Mein Blick ging von der zum Greifen nahen Freiheit zu Sukuna, der mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen im Türrahmen stand. "Wenn doch, kannst du mit Konsequenzen rechnen." Auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen und er fügte noch an: "Also probier's ruhig." Ich starrte einfach weiter, während Sukuna die Tür hinter sich zufallen ließ. Hatte er mir gerade gedroht und indirekt gesagt, dass er hoffte die Drohung wahrmachen zu können? Ja, so ist Sukuna. Gut zu wissen.

Lass mich dich nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt