23. Nächtlicher Besuch

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Aus dem Durchschlafen, so wie ich es mir vorgenommen hatte, wurde leider nichts. Da machte mir die Breite der Couch leider einen Strich durch die Rechnung als ich mit einem Krachen zwischen Couchtisch und Couch fiel. Verwirrt richtete ich mich auf und sah über den Tisch auf den laufenden Fernseher. Blinzelnd versuchte ich erst einmal wach zu werden, ehe ich nach der Fernbedienung tastete und die Glotze ausschaltete. "Schade, das war interessant", erklang plötzlich neben mir eine mir allzu bekannte tiefe Stimme. Erschrocken fuhr ich herum und erblickte Sukuna in all seiner Entspanntheit auf meiner Couch sitzen. Mit der Hand am Herz stieß ich meinen Atem aus, bevor ich sie wieder fallen ließ und grummelte: "Erschreck mich doch nicht so." Ich hievte mich auf die Beine und fuchtelte in die Richtung des Fluches als wollte ich eine nervige Fliege verscheuchen. "Los, verschwinde aus meinem Zimmer. Ich kann dich gerade so gar nicht brauchen", meinte ich und ging ins Bad, ohne ihn weiter zu beachten.

Ich füllte mir meinen Zahnputzbecher mit Wasser und trank einen Schluck, ehe ich mit dem Becher wieder zurück ins Zimmer schlurfte. Dort saß nach wie vor der König der Flüche. Skeptisch hob ich eine Augenbraue. Mal abgesehen davon, dass er anstatt in Yujis Uniform im weißen Kimono mit schwarzem Schal, Strumpfhose und Flipflops auf meiner Bank saß, irritierte es mich, dass er sich nicht ein Stück vom Fleck bewegt hatte. "Du bist ja noch immer da", warf ich ihm leicht angesäuert entgegen.

"Meinst du wirklich, ich verschwinde so einfach?", kam überheblich zurück, während in seinen Augen etwas funkelte, von dem ich mir sicher war, dass ich nicht herausfinden wollte, was es war. "Ehrlich gesagt schon. Ja", erwiderte ich monoton und nahm noch einen Schluck Wasser. Ich setzte den Becher gerade von meinen Lippen ab, da wurde er mir schon aus der Hand genommen und auf den Tisch gestellt. Verwundert schaute ich von meiner leeren Hand zu Sukuna, der vor mir stand. "Was soll das werden?", erkundigte ich mich skeptisch und hob eine Augenbraue. Geschmeidig wie ein Raubtier beugte er sich vor und flüsterte mir ins Ohr: "Lass dich ruhig überraschen." Noch während ich mir dachte, dass ich Überraschungen hasste wie die Pest, spürte ich Sukunas Hand in meinem Nacken und seine Lippen auf meinen.

Erschrocken fuhr ich hoch und musste einige Male blinzeln, bis ich merkte, dass ich nur geträumt hatte. Verwirrt rieb ich mir über die Stirn. Was für ein komischer Traum. Kopfschüttelnd schaute ich zum Fernseher, der mir gerade sagte, dass auf diesem Sender zurzeit Sendepause war, und drehte ihn ab. Sollte jemals wieder jemand Männer in Strumpfhosen erwähnen, würde ich vermutlich nie wieder an Superman denken.

Mit meinen Gedanken noch vollkommen bei meinem Traum, ging ich ins Bad und holte mir einen Becher Wasser, welchen ich in einem Zug austrank. Danach spritzte ich mir noch eine Ladung kaltes Wasser ins Gesicht, um diesen irritierenden Traum loszuwerden, ehe ich wieder zurück ins Zimmer ging, um mich ins Bett zu legen. Ja klar, Sukuna in meinem Zimmer. Das war doch völlig abwegig. Inmitten lauter Jujuzisten würde er es nicht wagen einfach so in meinem Zimmer aufzutauchen. Belustigt hob ich schüttelnd den Kopf wieder, während ich das Licht im Bad abschalten wollte.

Allerdings hielt ich mitten in der Bewegung inne und stand wie eingefroren da. Auf meinem Bett saß genau die Person, von welcher ich eine Sekunde zuvor noch behauptet hatte, dass sie nie im Leben einfach in meinem Zimmer auftauchte. Das ist jetzt nicht wahr. Geschockt starrte ich auf Sukuna, der mit überschlagenen Beinen auf meinem Bett saß. Unsicher schielte ich zu meiner Zimmertür und überlegte, wie gut meine Chancen standen, dass ich zur Tür kam und mir Hilfe organisieren konnte.

"Versuch es erst gar nicht." Mensch! Ich war eindeutig zu leicht zu durchschauen. Ich fokussierte mich wieder auf den Fluch und versuchte mir meine Verärgerung nicht anmerken zu lassen. Da ich allerdings vermutlich noch immer wie ein verängstigtes Kaninchen dreinschaute, wäre das also nicht allzu schwer. Ich schluckte einmal schwer und entschied dann erst einmal, schlau wie ich war, das Badzimmerlicht auszuschalten. Nur hatte meine grenzenlose Genialität dabei nicht bedacht, dass ich dann im Finstern stand. Tja, und das Schlafzimmerlicht hatte original genau einen Schalter, der sich natürlich am anderen Ende des Raumes befand. Ich hätte jetzt sagen können, dass ich in weiser Voraussicht das Licht abgeschalten hatte, um mir etwas Zeit für die Flucht zu erkaufen, aber leider war ich einfach nur dumm und hatte nicht nachgedacht. Und weil meine Dummheit kein Ende nahm, beschloss ich im Dunkeln den Raum zu durchqueren, um das Licht aufzudrehen, anstatt einfach wieder das Badezimmerlicht anzumachen.

Natürlich kam es dann auch so, wie es kommen musste und ich flog einmal der Länge nach über den Wäschekorb. "Au", jammerte ich. So langsam glaube ich, dass ich in Sukunas Gegenwart sämtliche Peinlichkeiten, die es gab, auf einmal auspackte. Das fällt jetzt nämlich schon ein bisschen auf, dass mir immer etwas Peinliches passiert, sobald er anwesend ist. Das nennt man Karma, meldete sich Raiju. Das ist kein Karma mehr, das ist nur noch reine Schikane.

Grummelnd wollte ich mich wieder aufrappeln, gefror allerdings mitten in der Bewegung zu einer Eisskulptur als ich Sukunas herablassende Stimme direkt neben mir vernahm: „Du musst nun wirklich nicht vor mir am Boden kriechen." Während mein Körper nur starr vor Angst nicht einmal einen Muskelzucker zusammenbrachte, ratterten in meinem Kopf sämtliche Zahnräder, die alle mit der Frage beschäftigt waren: Hat er das gerade wirklich gesagt?

Lass mich dich nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt