36. Sukunas karges Innerstes

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Verwirrt sah ich mich um. Wo bin ich denn jetzt schon wieder gelandet? Um mich herum war es nahezu vollkommen dunkel, bis auf einen rotbeleuchteten Haufen von Rinderschädeln, den ich mir ehrlich gesagt, nicht allzu genau ansehen wollte. Ich fand Schädel einfach nur gruselig. Dann entdeckte ich noch, dass ich unter einer riesigen Wirbelsäule samt Rippenbögen stand. Sympathische Umgebung. Also, ich würde sagen, lieber weg hier.

Ich drehte mich also einmal um hundertachtzig Grad und stockte als ich das Plätschern von Wasser hörte. Irritiert schaute ich nach unten und stellte fest, dass ich in einer roten Flüssigkeit stand. "Uah", jammerte ich mit verzogenem Gesicht und zog einen Fuß, welcher in dem Stiefel meiner Uniform steckte, aus der Flüssigkeit, "Ich hoffe wirklich, dass das einfach nur Wasser ist."

"Zu deinem Glück ist es das", ertönte die Stimme eines bestimmten Fluches, welche mich erschrocken herumfahren ließ. Gelassen saß Sukuna auf dem Berg an Schädeln in seinem weißen Kimono mit dem schwarzen Schal und allem Drum und Dran und schaute gelangweilt zu mir hinunter. Na, klasse. Ungläubig schlug ich mir die Hände vor's Gesicht und grummelte: "Gott, bitte sag, dass das nur ein Traum ist."

"Für dich ist es das vielleicht ... Für mich ist das allerdings äußerst real", bekam ich die wohl am wenigsten wünschenswertesten Antwort von Sukuna. "Gott", stieß ich genervt aus. Ich würde den Kerl keine fünf Minuten aushalten. Weder im Traum, noch in der Realität. "Sukuna reicht völlig", kam der Kommentar von besagtem Kerl und ich sah sauer zu ihm nach oben. "Jetzt hör einmal zu, du aufgeblasenes Schreckgespenst. Das ist hier eine echt miese Situation für mich. Und weißt du, warum? Weil das hier die widerlichste Umgebung ist, in der ich jemals war. Außerdem scheint das ja auch noch real zu sein. Und die Krönung ist ja auch noch, dass ich hier bin mit DIR. Das einzig Gute, was ich an meiner Situation finde, ist, dass ich wenigstens nicht wieder im Nachthemd rumrenne." Ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass Sukuna ziemlich desinteressiert zu mir nach unten schaute.

Machte mich ziemlich sauer. "Hör auf mich so von oben herab anzusehen. Ich kann es nicht leiden, wenn man mich behandelt als wäre ich nichts wert. Vor allem nicht, wenn ich praktisch gezwungen bin, hier zu sein", knurrte ich den Fluch an, ehe ich noch hinten nach nuschelte: "Wo auch immer hier ist." "Du bist in meiner angeborenen Sphäre", erklärte Sukuna. Als ob er das gehört hat! "Du kannst es auch das Innerserte meines Herzens oder Seele nennen", führte er weiter aus und ich sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an: "Das heißt dein Herz ist hohl und deine Seele ist karg, dunkel und wässrig ... Um es mit einem Wort zu beschreiben: makaber." "Wenn dir die Definition gefällt", erwiderte der Fluch und wedelte mit der Hand als würde er eine Fliege verscheuchen wollen.

"Gut, wenn das hier wirklich real ist, wie kann es dann sein, dass ich hier bin? Und vor allem wie komme ich hier schnellstmöglich wieder weg?", meinte ich überlegend hin und her laufend. "Was fragst du mich? Du bist diejenige mit dem göttlichen Begleiter", kam daraufhin gelangweilt von Sukuna, weshalb ich stehen blieb und ihn anstierte. "Na, weil es DEINE 'Sphäre' ist und du der über eintausend Jahre alte Fluch von uns beiden bist. Außerdem habe ich hier null Verbindung zu Raiju, weshalb der auch nicht sonderlich hilfreich ist", erklärte ich leicht aufgebracht, was zur Folge hatte, dass Sukuna sich leicht nach vorne beugte und mir mit seinem üblichen, neutralen Gesichtsausdruck drohte: "Du solltest deinen Tonfall einmal überdenken und dir überlegen, mit wem du hier sprichst." Sein Ernst? Da kommt er erst bei meinem dritten Ausraster drauf?

"Oh, ich weiß genau mit wem ich spreche und ich finde meinen Tonfall äußerst passend. Immerhin bin ich SCHON WIEDER mit DIR zusammengesteckt worden. Nebenbei bemerkt absolut unfreiwillig und alles, was ich möchte, ist hier wieder wegzukommen! UND DU BIST KEINE GROSSE HILFE!", erwiderte ich immer wütender werdend, während ich ihm meinen sauersten Blick zuwarf. Sukuna zog eine Augenbraue hoch und war so schnell bei mir, dass ich wirklich Mühe hatte, es mitzuverfolgen. Sukuna schnappte sich meinen linken Arm und verdrehte ihn mir so, dass ich mit einem Schmerzensschrei auf die Knie ging. "Zügle dein loses Mundwerk. Hier bist du meiner Gnade voll und ganz ausgeliefert", meinte er mit monotoner Stimme auf mich herabschauend. Ach ne, ist mir noch gar nicht aufgefallen. Aber das haute ich ihm lieber nicht vor die Füße, immerhin liefen mir schon Tränen die Wange hinunter und mein Arm begann auch schon leicht zu knacksen.

Stattdessen beschloss ich lieber unterwürfig herumzujammern: "Es tut mir leid, in Ordnung? Es tut mir leid!" Mit einem Mal ließ mich Sukuna los und ich sank endgültig in das rotgefärbte Wasser. Meinen Arm haltend, der mal wieder leuchtende Risse aufwies, fluchte ich gepresst: "Heilige Scheiße! Du hast wirklich ein Talent dafür mich zu zerbröseln." Sukunas einzige Reaktion: ein desinteressierter Blick von oben auf mich herab. Idiot. Den abebbenden Schmerz verdrängend rappelte ich mich wieder auf und sah mich um. Wenn ich schon gezwungenermaßen hier bleiben musste, dann wollte ich wenigstens eine Beschäftigung haben. Aber Sukunas Innerstes war wohl einfach nicht dafür ausgelegt. Seufzend wandte ich mich also wieder dem König der Flüche zu: „Wie hältst du es hier aus? Hier gibt es nichts zu tun. Eigentlich müsstest du doch vor Langeweile eingehen." Ich drehte mich einmal unter Sukunas skeptischen Blick im Kreis und fügte dann hinzu, „Hier gibt es bis auf Knochen und Wasser nicht einmal irgendetwas." Ich hielt mit Blick auf Sukuna an, welcher mich nach wie vor skeptisch betrachtete. „Man findet sich für gewöhnlich immer eine Beschäftigung", erwiderte er und drehte sich, bereit sich wieder auf seinen Schädelhaufen zu hocken, von mir weg. Tolle Antwort. Sehr hilfreich.

Entmutigt sah ich zu Boden ... beziehungsweise auf das Wasser, in dem ich stand und mir kam eine absolut selbstmörderische Idee. Ich schaute zu Sukuna, wieder zurück auf's Wasser und wieder zu Sukuna. Könnte ich das wirklich wagen, ohne gleich einen Kopf kürzer zu sein? ... Meine Vernunft sagte definitiv Nein dazu. Meine Langeweile hingegen feuerte mich lautstark an.

Lass mich dich nicht liebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt