8.Kapitel

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Ich war sprachlos. Dann griff ich mechanisch zu meinen Klamotten und zog mich auch wieder an. Augenblicklich prasselten Flashbacks von der Entführung vor einiger Zeit wieder auf mich ein und drohten mich zu ersticken. »Nein... nein, das kann nicht sein. Ich kenne dich nicht. Sandor hatte grüne Augen und sah ganz anders aus.«
Langsam erhob sich Zion, mit einem mitleidigem Blick schaute er mich an und sagte, »Sehe ich wirklich so anders aus?«
»Ja, du hast eine ganz andere Statur als Sandor, noch dazu hatte er nie so voll tättowierte Arme, keine Narbe am Auge und vorallem keine blauen Augen!!«, wurde ich lauter. Frustriert fuhr sich der Mann durchs Haar. »Das sind Kontaktlinsen.« »Nein«, fauchte ich einfach nur ungläubig.

Der Mann schloss die Kabine auf und lief zum Waschbecken, »Komm her!«, kommandierte er mich. Zuerst wollte ich ihn anschreien, dass ich nicht zu ihm kommen wollte, tat es dann aber aus Neugier doch. Mit einem prüfendem Blick in den Spiegel ging Zion sicher, dass ich auch wirklich zuschaute. Dann griff er sich ans Auge und verschob seine Kontaktlinse. Tatsächlich, darunter kam ein stechendes grün hervor.
Das waren unverkennbar Sandors Augen.
Ich würde sie immer wiedererkennen.
»Soll ich sie ganz rausnehmen, bis du es mir glaubst?« Frustriert stöhnte ich auf, »Nein, nicht nötig.« Mit regelmäßigem, tiefem Ein- und ausatmen, versuchte ich mich zu beruhigen, was mir aber nur semi gelang.
Ich schlug die Hände über den Kopf zusammen, »Okay, aber was ist mit den Tattoos? Mit deinem Körperbau? Der Narbe? Und ich wusste nicht, dass du schon aus dem Gefängnis draußen bist?«
Zion lehnte sich an das Waschbecken.
»Ich bin vor zwei Monaten endlich aus dem Gefängnis gekommen, Rachel. Ich habe volle vier Jahre abgesessen. Im Gefängnis habe ich viel Sport gemacht und mich tätowieren lassen, da ist das quasi einfach so dazu gekommen, dass ich jetzt halt so aussehe. Das mit der Narbe war einfach wegen einer blöden Gefängnisschlägerei und ist nicht weiter erwähnenswert«, er seufzte kurz auf, »Es tut mir so leid, dass wir uns heute getroffen haben. Vorallem so. Ich wollte eigentlich verhindern, dass du mich jemals wieder sehen musst. Ich kann mir vorstellen, wie du dich gerade fühlen musst. Es tut mir so leid«, seine Stimme brach ab. »Wie hast du nicht bemerkt, dass ich es bin?«, fauchte ich ihn an. Nun runzelte der schwarzhaarige die Stirn, »Naja, auch du hast dich in den letzten vier Jahren echt verändert, Rachel. Deine Haare sind länger und du bist heute mal geschminkt. Vorallem sehr stark. Deine Sommersprossen sieht man garnicht. Deswegen habe ich dich nicht erkannt. Du siehst viel erwachsener aus.« Ich hörte, wie Bewunderung in seiner Stimme mitschwang.
Normalerweise wäre ich jetzt vielleicht rot geworden, doch Wut und Frustration überschatteten das Schamgefühl. Denn Sandor hatte recht, ich hätte ihn nicht wiedersehen wollen. Zumindest jetzt nicht. Und nicht so.
Verdammt, ich hatte einfach schon wieder Sex mit Sandor und es hatte mir auch noch gefallen.

»Was tust du eigentlich hier? Was soll diese ganze Aufmachung? Dieses Zion-Ding? Was ist hier los?« »Ich wollte einfach einen Neuanfang, mehr nicht. Ich bin hierher in die Stadt gezogen, habe meinen Namen geändert und mein Aussehen minimal verändert. Ich will nicht, dass mich jeder als den Sandor, der mal im Gefängnis war, erkennt. Ich will nicht diese schiefen Blicke sehen, oder komische Fragen gestellt bekommen. Ich will einfach in Frieden leben und mehr nicht. Ich bin jetzt nicht mehr Sandor, ich bin Zion. Zion Redey. Bitte nenn mich in Zukunft auch so.«, er band sich energisch wieder die Haare zu einem Knäul zusammen.
Dieser Mann vor mir kam mir so fremd vor.
Es passte, dass ich ihn Zion nennen sollte, denn für mich war dieser Mann definitiv nicht Sandor. »Okay... Zion. Ich kann dich schonmal spoilern: Ich habe dir immernoch nicht verziehen, für das was dein alter Ego damals getan hat.« »Das dachte ich mir bereits", entgegnete er sofort. »Aber ich werde alles daran setzten, dass du es irgendwann tust. Ich hoffe, du wirst es irgendwann tun. Du bist mir wichtig - immernoch.« Ich schluckte, ich konnte das gerade alles nicht. Ich war mehr als überfordert und wollte einfach nurnoch in mein Bett.
»Vielleicht kannst du mir verzeihen, wenn ich dir sage, dass ich gerade wahrscheinlich Derek und seinen Komplizen auf der Schliche bin?«
Ich hatte mich gerade zum Gehen gewandt, doch fror in der Bewegung ein, als er das sagte. »Wie meinst du das?«
Zion trat näher an mich heran. So nah, dass ich seinen Atem wieder auf meiner Haut spürte.
»Willst du, dass diese ganze Derek Sache endlich ein für alle mal vorbei ist?« Mit großen Augen starrte ich ihn an, »Ja, aber ich verstehe nicht-« »Hier geht etwas vor sich«, unterbrach mich Zion. »Ich habe mich hier als Barkeeper beworben, weil es um diesen Club Gerüchte gibt.« Ich riss meine Augen noch weiter auf, »Gerüchte? Was für Gerüchte?« »Das klingt jetzt vielleicht absurd, aber es kursieren Gerüchte, dass hier eine Mafia im Untergrund operiert. Und ich... und ich denke, dass das etwas mit Derek zu tun haben könnte. Ich bin überzeugt, dass es hier im Club irgendwo einen geheimen Raum geben muss. Ich habe ihn nur noch nicht gefunden. Aber ich habe meinen Arbeitskollegen schon öfter mit skurril aussehenden Männern reden sehen. Es könnte sein, dass er etwas damit zu tun hat. Ich könnte deine Hilfe gebrauchen, bei ihm könnten wir anfangen. Bitte, bitte hilf mir.«
Sprachlos sah ich ihn an, »Ist das ein Witz?« »Verdammt, nein, natürlich nicht! Sehe ich so aus, als würde ich Witze machen?«, Zion sah mich ernst an. »Du weißt doch, dass Derek meine Mutter und meine Ex-Freundin Jenny entführt hat. Und weiß Gott wen noch alles. Ich will sie finden. Bitte hilf mir. Du bist die einzige, der ich mich in dieser Sache anvertrauen und der ich vertrauen kann. Du kannst mich nachvollziehen. Wir können diesen ganzen Scheiß vielleicht endlich beenden und ein ruhiges Leben ohne Sorgen, ohne Angst führen.«

Mein Herz klopfte schneller. Wenn das, was Zion schilderte, wirklich etwas mit Derek zu tun hatte, dann war Hunter vielleicht auch da.
Vielleicht konnte ich Hunter endlich wiedersehen. »Ich bin dabei«, antwortete ich hektisch. Der Schwarzhaarige runzelte die Stirn, »Wow, ich hätte nicht gedacht, dass ich dich so leicht überreden könnte.« Ich zuckte mit den Schultern, »Ich will schließlich auch einfach ein normales Leben führen.«
Ich erwähnte mit Absicht vor Zion nichts von Hunter. Noch nicht. Das hier war gerade nicht der richtige Zeitpunkt. »Okay, sehr gut, treff mich morgen wieder hier. Ich werde dir von meinem Plan erzählen. Was aber ganz wichtig ist: kannst du dein Aussehen vielleicht auch etwas anpassen? Es könnte sonst gefährlich für dich werden, einige von Dereks Komplizen wissen ziemlich sicher, wie du aussiehst.« Ich schluckte, »Ist das Makeup nicht genug?« »Bitte mach nur um sicherzugehen zu dem Makeup dazu noch irgendwas an deinen Haaren anders. Ich will nicht, dass dir was passiert.« Plötzlich wurde die Tür aufgeschlagen und ein Mann trat in den Club hinein. Dieser musterte uns argwöhnisch, ehe er in einer Toilettenkabine verschwand. Mich wunderte es, dass erst jetzt jemand hereinkam. Wir hatten wohl die ganze Zeit Glück gehabt.

Zion griff mich am Arm, »Wir besprechen morgen genaueres«, raunte er mir zu, »Bis dahin, pass auf dich auf.«
Demnach, wie ich seine Aussage mit einem Nicken bestätigte, merkte ich, wie sehr ich ihm, trotz alldem was passiert war, immernoch vertraute. Ich hoffte nur, dass er dieses Vertrauen nicht missbrauchen würde.

This Person Will Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt