28.Kapitel

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Noch bevor wir eine Notausgangstür erreichten, wusste ich bereits ohne nach hinten zu schauen, wer mich anschob. Es war kein anderer als Sandor. Ich erkannte ihn an seinem angenehm waldigen Geruch und seiner tiefen Stimme, als er erleichtert zu mir sagte: »Ich hatte so Angst um dich.«

Ich lächelte. Und entgegnete ein, »Ich habe deinen Knopf gedrückt. Du hast also anscheinend die Nachricht bekommen? Wie? Wir mussten doch unsere Handys am Empfang abgeben?« »Einen Knopf? Den, den ich dir gegeben habe, als du dich mit Tanner getroffen hast? Den hattest du dabei?« Verwirrt nickte ich. »Ja, ich habe den Knopf immer dabei. Und vorhin habe ich ihn gedrückt.«
»Ah. Ja, nein. Ich habe keine Nachricht bekommen, ich habe leider nichts, womit ich sie hätte empfangen können. Aber es ist trotzdem gut, dass du ihn gedrückt hast. Der Knopf schickt nämlich nicht nur ein Hilfssignal und deinen Standort an mich, sondern auch direkt an die Polizei.« Erstaunt riss ich die Augen auf. »An die Polizei? Das hast du mir garnicht erzählt.« »Ich hatte Angst, dass wenn ich dir das sage, du den Knopf nicht drücken würdest, da du im Zweifelsfall wahrscheinlich gedacht hättest, dass du übertreibst.«
Er hatte recht. Hätte ich gewusst, dass der Knopf ein Hilfssignal an die Polizei schicken würde, hätte ich mir das zweimal überlegt zu drücken. Da war die Hemmschwelle einfach größer.

»Also warst das mit dem Stromausfall garnicht du?« Sandor lachte kurz auf. Eine schöne Melodie. »Nein, ich habe nichts mit dem Stromausfall zu tun. Ich hatte leider keinen ausgeklügelten Plan. Ich bin ehrlich gesagt einfach von der Tribüne runter in die Arena rein, ohne nachzudenken. Ich wollte dich einfach nur da rausholen. Ich stand schon auf dem Feld, aber ihr hattet mich nicht bemerkt, da du, Hunter und Derek dort gerade mit euch selbst beschäftigt wart. Der Stromausfall kam gerade richtig, da bin ich dann einfach zu dir rüber gerannt. Wer weiß, vielleicht hat ihn ja auch die Polizei initiiert? Ich wette die haben bis jetzt schon das Gebäude umstellt.« Meine Augen wurden immer größer, »Bist du lebensmüde? Du bist einfach so in die Arena reingesprungen, ohne irgendeinen Plan? Ohne irgendeine Form von Verteidigung? Weißt du, wie gefährlich das ist?«, fragte ich aufgebracht.
»Ich hatte meinem Sitznachbarn ein Taschenmesser abgezogen. Also ganz ohne irgendwas war ich nicht. Mit dem mache ich dich jetzt auch mal los.«
Wir hielten kurz vor der Tür an und Sandor kniete sich neben mich, um die restlichen Fesseln hektisch aufzuschneiden.
»Bei mir ist da einfach eine Sicherung durchgebrannt, als ich gesehen habe, was Derek mit euch geplant hatte. Zu sehen wie mein Sohn gegen die Frau die ich liebe - seine eigene Mutter - kämpft, war unerträglich. Ich musste einfach irgendwas tun. Auch wenn es vielleicht lebensmüde war«, redete er weiter.
»Wow«, flüsterte ich beeindruckt und spürte wie ich rot wurde, als mir durch das Gesagte malwieder klar wurde, wieviel ich Sandor wohl bedeuten musste. »Du bist ein Held, danke.« Ich befürchtete, dass meine Antwort in den immernoch panischen Schreien des Publikums untergehen würde, doch Sandor zeigte mir mit einem Kuss auf die Stirn, dass er mich gehört hatte.

Die Fesseln waren nun endlich ab. Kurz rieb ich mir meine Handgelenke, die von den Seilen leicht aufgeschürft waren. Dann streckte ich mich, hob anschließend meinen Sohn sanft hoch und nahm ihn auf den Arm. Erst jetzt fiel mir auf, dass er weinte. »Will zurück zu Papa«, wimmerte er gegen meine Schulter. Ich schluckte hart. »Du bist bei Papa. Bei deinem richtigen Papa.« Sandor strich kurz beruhigend über seinen Rücken. »Es wird alles gut, kleiner Mann. Du magst Süßigkeiten, oder?« Hunter nickte schüchtern. »Dann bekommst du wenn wir hier draußen sind, ganz viele von mir, versprochen.« Dann wandte sich Sandor zu mir. »Und jetzt lass uns gehen, bevor sie uns finden.«

Sandor öffnete die Tür einen Spalt. Hinter der Tür war es hell. Ich betete einfach, dass wir hierdurch wirklich aus dem Gebäude herauskommen würden. Mein Handy war mir zu diesem Zeitpunkt egal. Würden wir wieder aus diesem Gebäude flüchten wie wir hereingekommen waren, war das Risiko viel zu groß geschnappt zu werden. Hier kannte uns schließlich jeder. Also huschte ich mit Hunter auf dem Arm hinter Sandor durch die Tür und schloss sie direkt wieder hinter mir. Wir standen nun in einem langen weißen Gang, welcher bei einer Treppe nach oben endete. Weit und breit war hier keine Menschenseele zu sehen. »Komm, schnell«, rief Sandor mir zu und streckte mir eine Hand entgegen. Aufmunternd lächelte er mich an, seine grünen Augen blitzten verheißungsvoll. »Wir haben es bald geschafft.« Seine Worte brachten mich ebenfalls zum Lächeln und ich ergriff seine Hand. Dann joggten wir zusammen los. Ich wusste nicht, wo wir hier herauskommen würden, aber ich hoffte einfach, dass wir dort sicherer waren als hier. Gerade als wir die Hälfte der Treppe hinaufgestiegen waren, hörte ich, wie sich eine Tür öffnete. Man konnte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr in den langen Flur hineinschauen, aber ich war mir sicher, dass es die Tür von der Arena aus gewesen sein musste. Ängstlich schaute ich Sandor an. »Los, schneller«, flüsterte er nur. Ich drückte Hunter noch enger an mich, als ich mich nun umso mehr beeilte. Mein Sohn gab keinen Mucks von sich, ich vermutete, dass er garnicht verstand, was gerade abging und komplett überfordert war. Er fühlte sich wahrscheinlich gerade, als würde er von uns entführt werden und das tat mir unendlich leid. Aber das hier war nicht sein Zuhause.

This Person Will Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt