19.Kapitel

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»Ich habe einen anderen Plan, Sandor.«
Verheißungsvoll schaute ich ihm tief in seine grünen Augen, welche mich herausfordernd anblitzen. Es war der Abend nach dem Treffen von mir und Tanner. Ich musste ihm sofort von dem erzählen, was ich dachte herausgefunden zu haben. Wir saßen an seinem Esszimmertisch und ich fühlte mich wie in einem Film, in welchem die Helden ihren Lageplan zur Zerstörung des Feindes besprachen.

»Wenn ich Tanner verführen würde... würde das viel zu lange dauern. Ich kann ihn einfach nicht einschätzen - es könnte Jahre, oder Jahrzehnte dauern, bis er mir genug vertraut, um mir etwas wirklich brauchbares über dieses Mafia Darknet Zeugs zu erzählen. Ich bin der Meinung wir müssen das anders angehen. Und sein Tattoo ist der Schlüssel, was er mir aber nicht tättowieren wollte-« Sandor griff nach meinem Arm, als er mich unterbrach, »Moment. Moment. Ich komme gerade garnicht mit. Welches Tattoo? Und er ist Tättowierer? Das hattest du mir garnicht erzählt.« Ich stockte. »Oh.« Er hatte recht. Ich hatte irgendwie total vergessen es ihm zu erählen. Beziehungsweise hatte ich irgendwie gedacht, dass ichs ihm schon gesagt hätte, aber seis drum. Wenn ich Sandor ansah, vergaß ich sowieso immer alles, was ich eigentlich hatte sagen wollen.
Er machte mich immer so nervös und sprachlos, sodass ich in diesem Moment wieder den Blickkontakt abbrechen musste und stattdessen einfach auf die Tischplatte starrte. »Um welches Tattoo geht's denn?«, ertönte seine bassige Stimme. Ich fühlte die Vibration seiner Stimme sogar in dem dunklen Holz, auf welchem ich mich gerade abstützte.

Ich schielte wieder zu ihm auf. Er hatte heute wieder keine Kontaktlinsen an und das machte mich wirklich schwach. Seine stechend grünen Augen ruhten ruhig auf meinem Gesicht, als ich ihm antwortete, »Es geht um ein Augentattoo, welches anstelle einer normalen Pupille die einer Katze hat. Warte. Ich habe ein Foto gemacht, bevor ich gegangen bin. Als Tanner auf dem Klo war, habe ich meine Chance genutzt.« »Das hast du gut gemacht«, raunte Sandor so sexy, dass mein Herz schneller schlug und ich das Pochen sogar... in meiner Mitte spürte.

Nervös hielt ich ihm mein Handy hin und er analysierte das Auge für einige Minuten. »Das ist ja wirklich geschmacklos«, sagte er mit angewidertem Gesicht, »Das ist mir bei ihm wirklich noch nie aufgefallen. Ich glaube ich habe da während der Arbeit einfach nie drauf geachtet. Was hat's damit auf sich?«
Ich räusperte mich kurz. »Ich habe dieses Tattoo an dem Wochenende, wo ich mit Mariella hier war, an mehreren Männern gesehen. Mir ist es im Kopf geblieben, weil ich es - wie du - einfach nur geschmacklos und hässlich fand. Dann dachte ich, es kann kein Zufall sein, dass mehrere Männer dieses Symbol an der selben Stelle tragen - nämlich am rechten Arm. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das das Erkennungszeichen von dieser Mafia ist. Und Tanner tättowiert das Symbol, das hat er mir erzählt. Ich wollte es auch von ihm tättowiert bekommen, da ich damit dann vielleicht die Chance hätte, mich in diese Mafia einzuschleichen. Aber er meinte, dass er es nur „ausgewählten Leuten" tättowiert und, dass das Tattoo etwas mit dem Darknet zutun hätte, was meine Vermutung nur nochmal bestätigt hat.«

Sandors Kinnlade fiel etwas herunter, als er mir beim Erzählen meiner Ergebnisse aufmerksam folgte. »Rachel, du bist der Wahnsinn. Ich würde dich gerade am liebsten einfach küssen.« Sofort biss er sich auf die Lippe und wandte seinen Blick ab, »Ohscheißeichhabwohllautgedacht...«, nuschelte er dann. Sprachlos sah ich ihn an. Mein Blick fiel auf seine Lippen. Weich und warm. Und ich wollte gerade nichts lieber, als meinem Verlangen nachzugeben und ihn tatsächlich zu küssen. Aber ich traute mich nicht. Letztes Mal hatte er mich abgewiesen, mit den Worten, dass ich es bereuen könnte.
Würde er es wieder tun?
Der magische Moment war vorbei, als Sandor sich plötzlich peinlich berührt räusperte, weil ich wohl etwas zu lange überlegt hatte.
»Ehmm... naja aufjedenfall... brauchen wir Tanner zum tättowieren nicht. Ich kann auch tättowieren.« Erstaunt riss ich die Augen auf, »Du kannst tättowieren? Seit wann?«
»Naja... obs gut ist, ist die andere Sache, aber für sowas sollten meine Künste reichen. Ich habe doch fast meinen gesamten Oberkörper im Gefängnis tättowieren lassen. Deswegen war ich entsprechend oft bei dem Tättowierer aus dem Gefängnis. Ich habe mich irgendwann mit ihm angefreundet. Er hatte mir dann auch die Basics beigebracht, als ich ihn aus Interesse mal danach gefragt hatte. Und naja... dann hab ich mir mit seiner Maschine auch mal selbst eins gestochen und so schlecht ist es um ehrlich zu sein garnicht geworden.« »Wow, du wirst mir immer sympathischer, welches Tattoo ist denn das von dir?« Er deutete auf seine Hand. Zu sehen war ein Reh, etwa so groß wie ein zwei Euro Stück. Trotzdem war es schattiert und ziemlich gut gestochen. Neben dem Totenkopf auf Sandors Hand sah es zwar etwas fehl am Platz, aber trotzdem wunderschön aus. »Ein Reh«, hauchte ich, »Es ist wunderschön. Wieso ein Reh?« Sandor grinste und zog seine Hand wieder zurück.
»Sind meine Lieblingstiere, sie sehen super süß aus mit ihren großen, dunklen Kulleraugen. Sie erinnern mich irgendwie an dich.« Zum zweiten mal in nur einer Stunde machte er mich wieder sprachlos und diesesmal noch dazu so rot wie eine Tomate.

This Person Will Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt