11.Kapitel

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Mit verschränkten Armen nahm ich auf einer Couch in dem kleinen Raum platz - welcher übrigens mit der Toilette wohl der einzige Raum in diesem Club war, der nicht komplett verspiegelt war - während Zion bereits wie ein Wasserfall redete.
»In diesem Raum sind wir erstmal sicher. Der ist eigentlich nur für VIP Kunden, habe mir aber den Schlüssel heute mal geborgt. Ich habe auch jeden Winkel kontrolliert, ob sich hier Kameras befinden, damit wir nicht abgehört werden. Wir können hier in Ruhe reden.«
Ich seufzte auf, »Alles klar. Aber erstmal... wie hast du mich mit meinen neuen Haaren eigentlich sofort erkannt? Ist meine Tarnung so schlecht?« Er winkte ab, »Nein, nein. Das war lediglich... du hattest mir schließlich geschrieben, dass du da bist und der Rest war sowas wie... Intention.« »Intention?«, empört wurde ich lauter, »Das heißt es hätte sein können, dass du einfach irgendein anderes Mädchen mit dir ins Zimmer gezogen hättest?« »Das wäre schwierig gewesen«, grinste Zion und sah mir dabei tief in die Augen, »Du hast so eine unglaubliche Präsenz, wenn du einen Raum betrittst. Ich hätte dich garnicht verwechseln können. Egal wie du aussiehst.«
»Wenn ich so eine Präsenz habe, wie du sagst, dann bringt meine Tarnung doch aber trotzdem nichts?« »Ich nehme dich so wahr, Rachel. Ich finde dich einfach eine tolle Frau.«, engegnete er unbekümmert, während ich mich fragte, ob ich nicht richtig gehört hatte.
Seit wann war er so direkt?
War der einzige Gedanke, den ich fassen konnte. »Wie kann es dann sein, dass du mich gestern nicht erkannt hast?« »Naja davor haben wir uns eben vier Jahre lang nicht gesehen und du hast starkes Makeup getragen. Aber unterbewusst scheine ich dich ja doch irgendwie erkannt zu haben, da du direkt meine Aufmerksamkeit auf dich gezogen hast, als ich dich das erste mal hier gesehen habe.«

Ich räusperte mich peinlich berührt, als ich merkte, wie forsch mich Zion immernoch musterte. Mir war das gerade wirklich unangenehm, also wechselte ich rasch das Thema. »Okay... ehmm... Sooo... was ist der Plan jetzt?« »Erstmal wäre es gut, wenn du einen Decknamen hättest.« »Einen Decknamen?«
»Ja, so wie ich. Wenn du deinen richtigen Namen vor den falschen Leuten preis gibst, kann ich für nichts garantieren.«
Ich schluckte. Das war doch alles so absurd.
Trotzdem musste ich mich darauf einlassen.
Ich musste mich darauf einlassen, wenn das hier etwas mit meinem Sohn zutun haben könnte. »Okay, ehmm. Dann nenne ich mich ab jetzt am besten... Nancy... Taylor?« »In Ordnung, versuch dich so schnell wie es geht an den neuen Namen zu gewöhnen, Nancy.«
Ich erschauderte, als mich der Schwarzhaarige so nannte. »Und dann?«, fragte ich nach.
»Ich habe doch gestern kurz meinen Kollegen erwähnt, richtig?« Ich nickte, also fuhr Zion direkt fort, jedoch merkte ich, wie ihm etwas sichtlich unangenehm zu sein schien, was er nur Sekunden später bestätigte. »Bitte versprich mir, nicht auszurasten.« Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. »Kommt drauf an, um was es geht.« Zion atmete einmal tief ein und wieder aus, »Mein Arbeitskollege ist noch Single...«, Ich mochte nicht, in welche Richtung diese Konversation ging, da ich bereits jetzt schon erahnen konnte, um was es ging. »...Ich will dich eigentlich nicht dafür ausnutzen, aber es wäre eine gute Gelegenheit an ein paar Infos ranzukommen, wenn du dich... nun ja... an ihn ranmachen würdest.«
»Du willst, dass ich mich an ein - wahrscheinlichliches - Mafiamitglied ranmache? Ernsthaft Zion?!«, empört sah ich ihn an. Der Angesprochene kratzte sich nervös den Nacken, »Bitte Nancy, das ist unsere einzige Möglichkeit und du bist genau sein Typ. Wäre er nicht heterosexuell, hätte ich das selbst erledigt.« Ich sprang auf, »Und wie weit soll ich da gehen?! Soll ich mich einfach von ihm abknutschen lassen?! Was ist, wenn er Sex will?!« Zion griff nach meinem Arm, »Bitte beruhig dich. Natürlich musst du keinen Sex mit ihm haben, wenn du nicht willst, aber du solltest schon eine Beziehung zu ihm aufbauen. Unser Ziel ist es, dass er uns zu dem Lager der Mafia führt. Oder besser noch: dass wir selbst der Mafia beitreten können.« Ich ließ mich wieder sinken. Was zur Hölle?

»Finde heraus was er mag und mach Anspielungen, dass du auf dieses Darknet-Folterzeugs stehst. Vielleicht sagt er dir etwas, wenn er genug Vertrauen zu dir aufgebaut hat.« Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. »Okay... angenommen ich schaffe es, dass er mich mag und dass er mir wirklich was erzählt. Was dann? Soll ich die Mission komplett alleine durchziehen, oder welche Rolle spielst du darin?« »In meinem Plan bist du meine Cousine. So werde ich dich ihm vorstellen. Wenn er dich genug mag, versuch ihn davon zu überzeugen, dass ich auch auf dieses Darknet Zeug stehe und man mir vertrauen kann. Ich hoffe, dass du mich so mit einschleusen kannst. Ich habe schon öfter mit ihm geredet und Anspielungen in die Richtung gemacht, er ist bei mir aber nicht richtig darauf eingegangen. Ich denke aber bei einer so hübschen Frau wie dir, würde er sich öffnen. Du musst ihn so weit bringen, dass er alles für dich tun würde - was bei ihm auch glaube ich garnicht so schwer sein wird, da er gerade auf der Suche nach einer Freundin und noch dazu ein richtiger Romantiker ist.« Sorgenvoll seufzte ich auf, »Verdammt, das alles klingt gefährlich und verdammt absurd.« Zion drückte kurz meine Hand und hinterließ damit ein Kribbeln, als er sie wieder von meiner entfernte. »Das ist es. Aber wir beide sind schon durch so viel Scheiße gegangen, wir werden das schaffen. Ich werde immer auf dich aufpassen.« Liebevoll schaute er mich an und ein Blick in seine Augen zeigte mir, dass er es ernst meinte. Dass er mich nicht anlog.

»Gut... ehm. Ich werde es wohl versuchen. Gibt es noch irgendwas, was ich über ihn wissen müsste?« Überlegend kratzte sich der Schwarzhaarige seinen Bart. »Mein Kollege heißt Tanner. Er ist groß, schlank und hat kurze, braune Haare. Er hat auch Sommersprossen und wirkt eher wie siebzehn statt siebenundzwanzig. Lass dich aber nicht von seinem Aussehen täuschen. Er ist echt... speziell. Und ich weiß nur, dass er auf schüchterne Frauen steht, gerne Musik aus den achtzigern hört und am liebsten den Avocadobruger im Restaurant „Bruno's" isst. Mehr weiß ich aber leider auch nicht über ihn, außer, dass er Einzelkind ist und alleine in der Stadt wohnt.« »Gut... werde ich... ihn heute kennenlernen?« »Er ist tatsächlich heute da, also könnten wir das direkt erledigen. Natürlich nur, wenn du damit einverstanden bist.«
Angst erfasste mich wie eine Woge, »Können wir nicht einfach die Polizei rufen und die das regeln lassen?« Augenblicklich dachte ich an Theo. »Rachel. Die Polizei war schon mehrfach wegen den Mafia Gerüchten hier. Sie haben aber nie was gefunden. Wenn wir genug Beweise gesammelt haben, werden wir die Polizei im richtigen Moment verständigen. Aber im Moment könnte das eher unsere Arbeit gefährden.« Ich versuchte, mich mit regelmäßigen Atemzügen zu beruhigen. »Nun gut...«, räusperte ich mich, »... aber stört es dich nicht, wenn ich mich an Tanner ranmache? Ihn vielleicht küsse und so weiter?«
Zion wirkte nämlich auf mich so, als hätte er Gefühle für mich. Aber ich spielte auch auf den Sex gestern an. Ich wusste nicht, was das jetzt zu bedeuten hatte und irgendwie wollte ich herausfinden, wie er zu der Sache stand. »Du meinst ob ich eifersüchtig wäre?«, er fing an zu lächeln, »Wieso fragst du das?«
Augenblicklich war es mir peinlich diese Frage überhaupt gestellt zu haben. Ich richtete meinen Blick auf den Boden als ich peinlich berührt ein, »Naja... wir haben gestern miteinander geschlafen...«, von mir gab. »Machst du das jedes Wochenende? Immer ein anderes Mädchen flachlegen?« Zion lachte kurz auf, bevor er wieder ernst wurde.
»Nein, du warst tatsächlich die erste.« »Das glaube ich dir nicht«, entgegnete ich sofort, »Du bist sehr beliebt unter den Frauen habe ich gesehen.« »Aber die waren alle nicht du.«
Ich schluckte hart, während sich mein Kopf knallrot vor Scham färbte. »Ich versuche, meine persönlichen Interessen irgendwie aus der Mission rauszuhalten. Aber natürlich gefällt mir das auch nicht, wenn du dich an Tanner ranmachst. Denn Tanner sieht tatsächlich auch garnicht mal so schlecht aus«, er machte eine kurze Pause, »Aber wieso fragst du eigentlich?« Zion beugte sich mir etwas engegen, »Hast du etwa Interesse an mir?« Mein Kopf nahm die Farbe eines noch intensiveren rots an.
Ich fand in dem Moment keine Worte. Hatte ich Interesse an Sandor beziehungsweise Zion? Er sah wahnsinnig gut aus, aber er war auch mein Entführer gewesen.
Und er ist wahrscheinlich der Vater deines Kindes, schrie eine kleine Stimme in mir. Ich schluckte. Trotzdem, ich könnte ihm niemals verzeihen. »Du musst es mir nicht beantworten, ich finde es auch so raus«, raunte er und zeigte dabei eine Reihe strahlend weißer Zähne. Ich schluckte hart. Wie hatte er es geschafft, das Blatt so zu wenden? Verdammt Rachel, krieg dich wieder ein. »Versuchs doch.« Da. Da war sie wieder. Die sarkastische, freche Rachel. Erleichtert atmete ich aus. »Aber jetzt stell mir erstmal deinen Kollegen vor.«

This Person Will Not ExistWo Geschichten leben. Entdecke jetzt