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Nachdem ich etwas Überzeugungsarbeit geleistet hatte folgte mir Julia zu meinem Wagen. Ich wollte sie auf keinen Fall alleine mit Christie lassen, die wie eine tickende Zeitbombe nur allzu gern bereit war alles in ihrer Nähe zu zerfetzen.

Mum und Dad waren vom Groseinkauf bereits zurück als ich die Tür aufschloss und Julia den Vortritt ließ. Ein paar gute Dinge hatte ich doch von Dad übernommen, der stets ein Gentleman zu sein schien - zumindest hatte ich von Mum nie etwas anderes gehört.

"Romeo? Kommst du mal bitte.", rief Dad, also schickte ich Julia schon mal vor in mein Zimmer.

Ich betrat die Küche in der meine Eltern beide damit beschäftigt waren die Lebensmittel in die vorgesehenen Schränke zu packen, als meine Mum in der Bewegung stoppte. Ihr ernstes Gesicht ließ nichts Gutes vermuten und auch Dad, der sich nun zu mir wandte, hatte den selben Ausdruck. Es war also ernst...

"Setz dich, Sohn.", murmelte Dad und ich nahm augenblicklich Platz. "Wir sollten uns kurz über etwas unterhalten, was mich schon den ganzen Tag beschäftigt."

Mum ließ uns alleine, damit wir ungestört waren, was die ganze Sache nur noch unangenehmer werden ließ.

"Ich habe mir ein paar Gedanken über deinen Besuch gemacht. Julia, richtig?", begann er und ich nickte zögerlich. "Hör zu. Sie scheint ein nettes Mädchen zu sein und dich zu mögen. Ein wenig erinnert sie mich sogar an deine Mutter... Was auch immer du für Absichten hast, du solltest mit offenen Karten spielen. Sie ist eine von den guten und die gibt es nicht sooft."

Skeptisch hob ich eine Augenbraue, verdächtigte meinen Vater sogar das wir nun DIESES Gespräch führen würden, in dem er mich aufklären wollte - was natürlich ein paar Jahre zu spät kam - und hob die Hand.

"Dad, es war ein langer Tag...", fing ich an, wurde aber prompt unterbrochen.

"Ist sie hier?", fragte er neugierig und schaute in den Flur hinter mir.

"Ja."

Mit einem nachdenklichen nicken entließ er mich schließlich seinem Kreuzverhör. Als ich fast schon aus der Küche war, rief er mir nach. "Wir haben dich zu einem guten Mann erzogen. Vergiss das nicht."

Es war mir unangenehm und sogar ein wenig peinlich, befürchtete ich doch das Julia etwas davon mitbekommen hatte - aber dem war nicht so. Sie saß mit gefalteten Händen auf meinem Bett und beobachtete mich, als ich die Zimmertür hinter mir schloss. Irgendwie war meine Laune in den letzten Stunden am absoluten Tiefpunkt angekommen und alles was ich jetzt noch wollte, war zu relaxen und zu schlafen - sofern meine Gedanken aufhörten wirr durcheinander zu rasen.

"Du kannst duschen gehen wenn du möchtest.", murmelte ich beiläufig, sogar ohne Hintergedanken, aber Julia rührte sich nicht. Stattdessen sah sie mich bloß an. Irgendwann war die Stille sogar unerträglich, sodass ich die Musik an schaltete. Zach Webb ertönte mit  " Found " - was in diesem Moment nicht passender hätte sein können.

Julia entspannte sich sichtlich, ließ die Schultern sinken. "Tut mir leid. Du hast dir den Tag sicher anders vorgestellt."

Es war nicht ihre Schuld. Im Gegenteil. Wir hatten irgendwie einen Draht zueinander gefunden, der seltsamerweise alles andere als unangenehm war und den wir beide auf unsere Weise genossen. Alles andere - zb. Christie's Aktion im Diner - hatte nichts mit Julia zutun, sondern betraf nur mich.
Ich sah Julia lange an, bevor ich überhaupt reagierte. Sie hatte vielleicht keine Modelmaße, aber sie konnte locker mit all den Frauen mithalten.

"Schon OK. Der Tag war gar nicht so schlecht.", gab ich ihr zu verstehen und spielte damit auf den See an. Die leichte röte in ihrem Gesicht bestätigte, daß sie ebenfalls daran dachte.

Sie stand auf, kam auf mich zu und blieb dicht vor mir stehen. Ihre Iriden wirkten klar, fast feiner, so als hätte ich sie nun erst richtig gesehen. Ich regte mich nicht, auch dann nicht als sie ihre Arme um mich schloss und ihren Kopf auf meiner Brust ablegte. Ich war wie erstarrt.

"Danke.", flüsterte sie. "Das du dich für mich einsetzt und alles. Bei Christie. Das hat noch nie jemand für mich getan."

Mein Gewissen, das sonst immer die Klappe hielt, schlich sich an, besprang mich schließlich und grub seine Zähne in mein Fleisch - trotzdem blieb ich stumm. Ich erwiderte die Umarmung zögerlich, empfand es als zu intim aber nach wenigen Augenblicken schien es mir nichts mehr auszumachen. Es fühlte sich nicht falsch an.

Julia hob den Kopf um mich anzusehen und schenkte mir ein bezauberndes Lächeln, welches ich noch nie bei ihr gesehen hatte. Im Gegenzug ließ ich den Kopf etwas herab, berührte sachte ihre Lippen mit meinen.

Wäre es nach mir gegangen, hätten wir ewig so dastehen können... Ohne Hast und Eile, ohne den von mir selbst auferlegten Druck mit ihr schlafen zu wollen...

Doch ich wusste, daß dies nur von kurzer Dauer war.

Hide & Seek 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt