Teil 8

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Leonore 

Das Leben scheint ein ständiges Auf und Ab zu sein, dann muss es eben so sein, hatte sie sich gesagt, nur musste sie es bald ihren Vater beibringen. In ihr wuchs ein Kind heran und sie war nun schon im fünften Monat, sie konnte es nicht mehr lange verheimlichen.

Demnächst hatte sie ein Termin beim Arzt. Vater würde es bald entdecken und sie hatte bis jetzt Glück gehabt, ja konnte man es so sagen, Glück gehabt, weil es Vater noch nicht entdeckt hatte. Es war eigentlich kein Glück, es hatte etwas mit dem genauen Gegenteil zu tun, wenn Vater sofort auf und davon ist, nur weil sie am gestrigen Abend allen Mut zusammengenommen hatte und es ihm erzählt hatte.

Nicht ein Wort hatte er mehr gesagt, er hatte sich umgedreht und war verschwunden, ja nicht nur von mir verschwunden, auch von seinem ungeborenen Kind hatte er reiß aus genommen. Dabei hatte Leonore ihm so geliebt, konnte sich nicht mehr einkriegen, nur wenn sie gewusst hätte, was das für ein Mensch war, dann hätte sie ihm schon viel früher den Laufpass gegeben. Ja, das hätte sie, sie hätte ihm den Laufpass gegeben, nur hatte sie nie damit gerechnet, was geschehen würde, wenn sie sich ihm öffnete und es ihm gesagt hatte.

Heute Abend werde ich es Vater sagen, der hat es verdient zu wissen, sie konnte es ihm nicht länger verschweigen. Außerdem, sagte sie sich, ist es ja nichts Schlechtes, wenn ein Kind zur Welt kommt.

Schließlich konnte das Kind ja nichts dafür, dass da ein Mensch war, der nichts davon wissen will.

Vater kam am Abend etwas später nach Hause, er sah sehr müde aus, es musste ein anstrengender Tag für ihm gewesen sein.

Leonore hatte ihm sein Lieblingsessen zubereitet, worüber er sich schon immer gefreut hatte. Aber sie wusste auch, wenn er aufgegessen hatte, dann würde er fragen, denn er kannte seine Tochter, die machte immer dieses Essen, wenn sie etwas beichten wollte. Unruhig steckte Ralf den letzten Bissen vom Lachs in seinem Mund. 

So richtig hatte er keine Ruhe, den Lachs zu genießen, denn er wusste innerlich genau, dass was Leonore mit ihm besprechen wollte, hatte es bestimmt in sich. Nur eines sagte er sich selbst, denn so lange wir gesund sind, haben wir noch immer uns und da lassen sich sicherlich die größten Probleme meistern. 

Am liebsten hätte Ralf noch den Teller abgeleckt, zu sehr hatte er sich, in den leckeren Geschmack verlieb und der letzte Rest Soße schmeckt bekanntlich immer am leckersten. Er musste sich auch mächtig zügeln, damit er dem Drang nicht nachgab, tatsächlich den Teller abzulecken. Ralf stand nun vorsorglich auf, den Teller in die Küche zu bringen, wo Leonore schon damit beschäftigt war, das Geschirr, wie Teller, Pfanne und anderes Kleininventar, entweder mit der Hand abzuwaschen, oder aber im Geschirrspüler einzuräumen. Schweigend standen Vater und Tochter in der Küche und erledigten die nicht so angenehme Seite eines guten Essens.

Dann hielt es Ralf nicht mehr aus.

Er drückte seine Tochter fest an seine Brust.

Vielleicht hatte er sogar ein wenig zu fest gedrückt, denn nur einen kurzen Moment atmete Leonore wegen des aufkommenden Drucks nicht mehr.

Ralf ließ sofort locker, denn sie wusste ja, dass er sie liebte.

Ohne sein Mädchen nicht mehr leben konnte.

Es war eine so tiefe und feste Liebe, wie man sie nur selten zu sehen bekommt.

„Was ist eigentlich mit Deinem Freund, den habe ich nun schon einige Tage nicht mehr gesehen?" - fragte Frank plötzlich. Weil er merkte, dass die Unruhe, die in Leonore steckte, genau dort Ihre Ursache haben musste.

So schnell hatte Leonore nicht mit dem Beginn der Aussprache gerechnet und sie war für einen kurzen Moment sogar etwas verunsichert.

Jedoch handelte es sich wirklich nur um einen kurzen Moment, dann atmete Leonore einmal tief durch und begann zu sprechen. „Papa!" - und da wusste Ralf, es ist etwas wirklich Schlimmes geschehen, nur konnte er sich absolut nicht denken, um was es sich handeln könnte. Aber eines ahnte er doch, es musste sich sicherlich um dieses Würstchen vom Freund handeln, den sogenannten Taugenichts, so wie er ihm immer betitelt hatte.

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