Teil 42

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Manuel Tarotkarte

Manuel, Tarotkarte, stand mit wirklich schlechter Laune auf, er hatte überhaupt nicht gut geschlafen. Jetzt war er siebenundsechzig, was noch kein Untergang für ihm bedeutete. Jedoch die komischen Nebenerscheinungen, die plötzlich wie aus dem Nichts heraus auftauchten, machten ihm zu schaffen. Er legte sich am Abend, oder es war schon mehr in der Nacht, denn wenn man sich erst um dreiundzwanzig Uhr niederlegte, war es eigentlich schon nachts.

Ist ja nicht so, dass er zu früh ins Bett gegangen war, die Müdigkeit hatte einfach noch nicht das richtige Level. Kopfhörer in die Ohren gesteckt, war natürlich auch nicht die bequemste Art sich ins Bett zu legen, denn immer, wenn er sich drehte, dann drückte etwas am Gehörgang, was sogar anfing zu schmerzen. Er hatte sich aber daran gewöhnt, sich mit Beethoven einzuschläfern, er musste die Lautstärke nur leise einstellen. Meistens dauerte es auch nur kurze Zeit, bis er schlief, fest und traumlos, eben ohne störendes Beiwerk. Was ihm jetzt zu Beethoven getrieben hatte, war ihm wirklich ein Rätsel. Vielleicht war es die 6. Symphonie, ihr wisst schon, die mit den Schafen und dem Schäfer, die pastorale Symphonie.

Es ist eine Musik, da braucht man wirklich keine Schafe mehr zählen, man wird selbst zu einem müden Schaf.

Plötzlich scheint die Welt sich nicht mehr weiterzudrehen, denn die Blase drückt, holt einem aus dem Schlaf heraus, es ist wichtig, zur Toilette zu gehen. Auf dem Weg dorthin, hat der Schlaf, die Müdigkeit verschwinden lassen. Als würde es schon früh am Morgen sein, ist es ja auch, es ist zwar nicht fünf Uhr, es ist erst ein Uhr. Lange hatte es ja nicht gedauert, und ob es noch ein Einschlafen geben wird, ist wirklich fraglich. Da kann auch kein Beethoven mehr helfen, jetzt gibt es nur noch die Augen zu schließen und einfach nur hoffen, dass der Zustand von davor wieder einkehrt.

Macht er aber nicht, wäre ja auch zu einfach, also trotzdem die Augen schließen, und an das Nichts denken. Was einfacher ist, als man es sich vorstellen kann.

Da sind die Wünsche, die Hoffnungen, und natürlich die Eindrücke des Tages, die einfach nur langweilig erschienen.

Halt, nein, da war doch was, eine junge Frau, für mich ist sie viel zu jung, denn ich bin ja nun schon siebenundsechzig, da hat man wohl keine Chance bei so jungem Gemüse, oder doch?

Zumindest in der Vorstellungswelt sind sie vorhanden, genauso wie die Gefühle noch vorhanden sind und auch den Blutdruck in die Höhe steigen lassen. Jedoch der Wunsch zu schlafen, tritt noch weiter in den Hintergrund, wohl wegen der schönen Nachbarin.

Wie hieß sie noch, Rosa war ihr bezaubernder Name, oh stöhnte er auf, schon der Klang in der Aussprache ist die reinste Musik. Jetzt war auch das letzte Quäntchen Müdigkeit fort, es war wie verhext, jetzt war schon wieder die Blase voll, eine kuriose Angelegenheit.

Mehr stolpernd als gehend wird der Weg zur Toilette eingeschlagen, auf der Treppe draußen brennt Licht, was am Oberlicht der Eingastür zur Wohnung durchleuchtet.

Manuel horcht, wer da wohl sein wird, es ist die Nachbarin, die jetzt erst nach Hause kommt.

Ist vielleicht etwas passiert? - fragte er sich, und er spürte eine aufkommende Angst in sich aufsteigen.

In Manuel steigerte sich die Angst zu reiner Panik, denn sie war nicht allein, da war noch jemand. Sein Herz drohte tatsächlich stehenzubleiben, denn er war doch verliebt in Rosa, und dann kam sie mitten in der Nacht mit einem Fremden daher.

Dann auch noch hierher, zu ihr, in ihre Wohnung.

Gut, sagte er sich, es musste ja mal geschehen, schließlich war er wirklich schon ein alter Mann.

Alter Mann hin oder her, zählte denn nicht die Liebe, die er empfand, musste sie es ihm antun.

Gut, sagte er sich, sie wusste noch nichts, wie sehr er sie liebte, er war ganz einfach immer zu feige, es ihr anzuvertrauen, und wie hätte er als alter Knacker es ihr auch sagen können?

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