Meine Augen fielen zu, ich rang nach Luft, geriet in Panik. Hatte Angst.
Aber diesmal nicht vor Lara, nein.
Ich hatte Angst um mein Leben.
Aber dadurch wurde es nur noch schlimmer. Ich hörte nur noch gedämpft meinen Namen. Ich öffnete meine Augen um nach jemand vertrautem zu suchen. Doch davon wurde mir so schlecht, dass ich sie wieder zu machte. Was passierte mit mir? Wieso hatte ich das?
Ich spürte, wie laut es im Raum wurde. Jemand, ich glaube Adam, rief, dass einer den Krankenwagen rufen sollte. Ich wurde auf den Rücken gelegt und meine Beine wurden angehoben. Aber ich wollte aufstehen. Mich sicher fühlen. Doch mein Körper war viel zu schwach. Mein verdammtes Herz. Ich hörte nur ab und zu ein dumpfes Schlagen. Es schlug tatsächlich langsamer. Wenn jemand doch nur...
Dad.
Er war Arzt. Ich brauchte ihn. Wo war er? Vielleicht war er die ganze Zeit über die Person, die ich für Adam hielt? Jemand berührte meinen Arm. "Olivia." Dad. "Olivia, hörst du mich?" Ich versuchte ein winziges Lächeln. "Gut. Hör zu, dein Herz schlägt deutlich langsamer und wird wahrscheinlich immer langsamer werden mit der Zeit." Die Panik kehrte zurück. Das wusste ich schon. "Der Krankenwagen ist unterwegs. Wir bringen dich in meine Klinik" Ich war so erleichtert, dass Hilfe unterwegs war. Dass Dad bei mir war. Ich wollte seine Hand nehmen, ihn umarmen. Er sollte mich nicht allein lassen. "Halte durch, liebes", flüsterte er mir zu, küsste mich auf die Stirn und streichelte meinen Arm. Seine Stimme klang nun viel besorgter, das machte mir Angst. Befürchtete er, dass ich nicht durchhalten werde? Dass ich... sterbe? Trotzdem war ich ihm dankbar. Ich versuchte regelmäßig zu atmen, doch meine Brust zog sich jedes mal schmerzhaft zusammen. Ich lag eine Weile so, -zumindest fühlte es sich für mich lange an- mit Dad an der Seite, bis Hilfe kam. Ich hörte Geheule, als ich vorsichtig, aber schnell, auf eine Fahrtrage getragen wurde. Jemand heulte sehr laut. Und ich wusste nicht wer. Meine Ohren hörten immer weniger und gedämpfter. Dads Hand war immer noch auf meinem Arm. Das war das einzige was mich noch beruhigen konnte. Teilweise. Alles andere war eine Katastrophe. Mein Zustand, das Chaos um mich herum.
Als ich starken Regen auf meiner Haut spürte und es fürchterlich kalt wurde, wusste ich, dass wir draußen waren um mich in das Krankenwagen zu bringen. Es goss wie aus Eimern. Im Krankenwagen war ich eklig nass, aber das war das letzte, was mich gerade störte. Ich fragte mich, wer alles mit in den Krankenwagen durfte. Nur mein Vater? Und was wenn ich jetzt schon starb? Nein, sowas durfte ich nicht denken.
Schon im Krankenwagen begannen sie zu handeln. Ich hatte keine Ahnung, was sie mir für Geräte anbrachten, doch ich bekam eine Sauerstoffmaske, mit der ich leichter atmen konnte. Langsam spürte ich aber, wie ich wegdriftete. Ich wurde von dem Schmerz in der Brust überrammt. Ich konnte es langsam nicht mehr ertragen... Außerdem überwältigte mich die Vorstellung nicht mehr auf dieser Welt zu sein. Was würde danach geschehen? Und wie würde es hier in der Welt weitergehen? Diese Fragen pulsierten schmerzhaft in meinem Kopf...
Dads Hand regte sich wieder. Er brachte mich zur Realität. Ich durfte nicht so negativ denken. Dad war ein guter Arzt. Er hatte so vielen Menschen das Leben gerettet. Er würde mich retten. Morgen würde ich vielleicht sogar gesund aufwachen, auch wenn das eine komische Vorstellung war. Dad würde mir sagen, dass es nicht so schlimm war, wie es mir schien. Alles wird gut.
Die Fahrt war also ein entsetzlicher Kampf zwischen starken negativen Gedanken und verzweifelten positiven Argumenten.
Als wir relativ schnell ankamen wurde ich rausgeschoben und ins Krankenhaus gebracht. Drinnen hörte ich viele bekannte Stimmen, aber ich konnte sie kaum noch zuordnen. Eine warme, männliche Stimme fluchte die ganze Zeit und jemand anderes heulte und schrie. Es war unerträglich.
Die Stimmen verschwanden erst, als wir in einem Raum waren. Zumindest glaubte ich, dass es ein Raum war. Denn mein Kopf konnte nicht mehr klar denken. Ich spürte meinen Herzschlag kaum noch, dachte jeden Moment ich würde sterben.
"Wir verlieren sie! Wir verlieren sie!", war das letzte was ich noch hören konnte, bevor meine Ohren wirklich nachgaben.
Und jetzt, wo ich nichts mehr um mich herum wahrnahm, wo ich am sterben lag, zog mein ganzes Leben an mir vorbei.
Ich dachte an meine leiblichen Eltern, an unser altes Haus. Mein Vater hätte das ganze nicht gewollt. Er hätte bestimmt nicht gewollt, dass ich nach seinem Tod so eine schreckliche Zeit hatte. Er hätte nicht gewollt, dass ich so früh starb. Doch jetzt konnte ich zu ihm. Das war das einzig Gute, woran ich mich festhielt.
Ich dachte an meine Zeit im Kinderheim, traurig aber wahr, es war teil meines Lebens. Ein besonders schlimmer Teil. Ich wünschte ich hätte eine bessere Kindheit gehabt. Ich wünschte ich könnte mein Essen wegschieben und sagen, dass es mir nicht schmeckte, ohne geschlagen zu werden. Ich wünschte ich hätte Freunde gehabt, mit denen ich spielen konnte. Wie sehr ich doch gelitten hatte.
Ich dachte an meine Adoptiveltern. Würde ihre Welt zusammenbrechen ohne mich? Wie würden sie weitermachen? Wie lange würde der Schmerz sie begleiten? Und Mia? Meine Schwester? Wer wird auf sie aufpassen, wenn ich es nicht mehr kann? Wie wird es mit diesem Thomas aussehen? Wäre er der Richtige für sie? Würde sie ihn eines Tages heiraten? Würde sie später vielleicht studieren? Ihr Traumberuf verfolgen? Oder eine beliebte Balletttänzerin werden? Wie gern ich sie in ihre Zukunft begleiten würde.
Ich dachte an Chloe, meine beste und einzige Freundin. Ich hatte ihr so vieles zu verdanken. Würde sie das Drama in der Schule mitverfolgen? Würde sie eine berühmte Schauspielerin werden, genauso wie sie es mir gesagt hatte?
Ich wusste noch, vor dem Einschlafen in ihrem Zimmer, wir waren 10.
"Was willst du später mal werden, Chloe?" Sie kicherte aufgeregt, ihre Augen funkelten.
"Ich werde eine ganz berühmte und coole Schauspielerin! Die ganze Welt wird mich lieben!", quietschte sie. "Chloe Scott" Mit den Händen deutete sie oben ein imaginäres großes Plakat, während sie ihren Namen sagte. Sie schien entschlossen über ihren Traum zu reden, dafür bewunderte ich sie. "Wow, wie cool!", lachte ich. Sie nickte stolz. "Und du?" Ich setzte mich entschlossen und mit ernstem Blick kerzengerade hin. Ich wusste es, von Anfang an, seit ich adoptiert wurde. Ich konnte mir keinen besseren Beruf vorstellen. Und ich würde alles dafür geben, um meinen Traum zu erfüllen. Ich wollte ein besserer Mensch werden. Menschen helfen. Und bis heute erfüllt es mich mit Stolz zu sagen, was ich jahrelang erträumt hatte: "Ärztin"
Ich dachte an Adam. Wie viele Mädchen wollte er noch weiter klären? Welchen Weg würde er für seine Zukunft nehmen? Ich hatte mich schon immer gefragt, wie er sein Leben gestalten würde.
Ich dachte an Lucy, eine neue nette Freundin, eine neue Person in meinem Leben. Sie verschaffte mir in Sugarland gute Laune und bis heute hatte ich nicht vergessen, wie fürsorglich sie mir geholfen hatte. Ich wünschte ich hätte mehr Momente mit ihr verbringen können.
Und auch an George dachte ich. Er hatte mein Leben verändert. Ich hatte ihm so viel anvertraut. Bei ihm hatte ich zum ersten Mal das Gefühl des Verliebtseins. Er hatte extra für mich Gitarre gespielt und es mir beigebracht. Ich fragte mich, wie es sich mit uns weiterentwickeln würde. Wären wir weiterhin nur Freunde geblieben? Oder würden wir eines Tages zusammen kommen? Und würde er erfolgreicher Musiklehrer werden? Auch in den letzten Sekunden meines Lebens dachte ich an seine Augen, die Wärme die er ausstrahlte, seinen Charakter.
Hätte es den ersten Kuss geben können?
Ich wollte weiterleben, stellte ich fest. Und all diese Dinge erleben. Sehen, wie meine Schwester wächst, sehen wie meine Freunde sich weiterentwickeln, Gitarre spielen lernen.
Ich wollte Ärztin werden.
Und den Menschen das Leben retten.
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Broken Heart Teil 1
Romance(...) "Ist schon okay", flüsterte er beruhigend (...) Ich schloss die Augen und die Tränen liefen über meine Wange. Genau sowas hatte ich gebraucht. Ich brauchte IHN. Nur bei ihm wusste ich, wie es war lebendig zu sein und Gefühle zu spüren, die ich...